Stress mit SAP in Berlin
Diesmal war es umgekehrt: Der Einkaufsleiter und unser Justiziar meldeten sich für einen Besuch in meinem Büro an. Thema waren die laufenden Vertragsverhandlungen mit SAP bezüglich Hybris, Concur und Ariba sowie das anstehende Thema „indirekte Nutzung“.
Vorerst noch haben wir Stillschweigen vereinbart, weil die Gespräche mit SAP sehr ambitioniert und dynamisch verlaufen. Aus unserer Sicht sind wir an einem kritischen Punkt angelangt, sodass es gilt, eine alternative Strategie in Reserve zu haben.
Der Kollege vom zentralen Einkauf und unser Justiziar haben nachgedacht und eine sehr innovative Lösung gefunden.
Wenn SAP weiterhin keinen Kompromiss bei der Nachlizenzierung und indirekten Nutzung zeigt, werden wir die anfallende Pflegegebühr für die Konzernnutzung der SAP-Software unter Vorbehalt zahlen!
Damit erfüllen wir unsere Zahlungsverpflichtungen. SAP liefert weiterhin die vertraglich festgelegten Maintenance-Services – und alles „scheint“ in Ordnung zu sein.
„Unter Vorbehalt“ hat nur einen kleinen Nachteil. SAP bilanziert nach US-GAAP. Die United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP: allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze der Vereinigten Staaten) besagen, dass nur jener Umsatz gebucht werden darf, der zweifelsfrei ist.
Wenn sich unserem Beispiel mehrere Bestandskunden anschließen, schaut die Bilanz von SAP traurig aus. Finanzanalysten werden nicht lange nach den komplexen Gründen (Lizenzmetrik, indirekte Nutzung etc.) fragen, sondern den Börsenkurs auf Talfahrt schicken – dann wird es vorbei sein mit dem 20-Millionen-Euro-Gehalt von SAP-Chef Bill McDermott. Ende der Geschichte.
Ich will hier nicht behaupten, dass früher alles besser war. Aber in einer ähnlichen Situation wäre Ex-SAP-Vorstand und zukünftiger Aufsichtsrat Gerd Oswald bereits im SAP-Jet gesessen und wäre gemeinsam mit Technikvorstand Bernd Leukert zu uns geflogen.
McDermott lässt sich ohnehin nicht blicken. Den SAP-Bestandskunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz bleibt nur noch US-GAAP.
Ob unser Verein DSAG unter Führung von Andreas Oczko eine adäquate Lösung für das Lizenzdilemma gefunden hat und es demnächst eine Antwort auf indirekte Nutzung und passende Lizenzmetriken für IoT geben wird, weiß ich noch nicht.
Ich habe die PKL 2018/2 noch nicht gesehen, aber seitens DSAG gehört, dass es sehr gut und erfolgreich aussieht. Diesmal scheint ein Verein gute Arbeit geleistet zu haben.
Eine weitere Meldung, die mir an unserem SAP-Stammtisch zugetragen wurde, verheißt hingegen für SAP nichts Gutes. Es wurde letztendlich bei der Kartellbehörde in Berlin eine Bestandsaufnahme und Klage gegen SAP eingeleitet.
Ich bin kein Jurist, um die Auswirkungen oder die Bedeutung dieser Kartellrechtsklage zu beurteilen, was ich aber weiß: Naturgemäß steckt dahinter ein Anwenderverein in enger Zusammenarbeit mit einer der führenden Rechtsanwaltskanzleien in Deutschland.
Die Klage bei der Wettbewerbsbehörde scheint somit fundiert und wohlüberlegt zu sein. Was wird nun passieren? Die Berliner Behörde wird den Antrag prüfen und versuchen, Zeugen aus der SAP-Community sowie „Geschädigte“ zu interviewen – ein komplexer Prozess, denn noch hat sich kein SAP-Bestandskunde und Partner aus der Deckung getraut.
Es wird aber notwendig sein, dass die Vereinsmitglieder und andere Betroffene eindeutig Stellung beziehen: zum Wohle der gesamten SAP-Community!