Digitalkompetenz: Verdaubare Portionen zubereiten
So weit, so gut – doch in der Umsetzung manchmal so weit, so unklar, wie unsere Erfahrungen zeigen. Viele Unternehmen wissen, dass sie etwas tun müssen, viele haben auch schon eine Digitalisierungsstrategie.
Doch manchmal mangelt es an klaren Leitlinien und an einer Priorisierung, wenn es konkret werden soll: Wo fange ich an? Welche Meilensteine setze ich? Wie lange sollten Unterprojekte dauern?
Wer auf diese Fragen weder Antworten parat noch einen kompetenten Partner an der Seite hat, verzettelt sich schneller, als der CEO „Budget freigegeben“ sagen kann. Dabei können Unternehmen 2019 zu ihrem Erfolgsjahr in Sachen digitaler Transformation machen, wenn sie nur wenige grundlegende Vorgehensweisen beherzigen.
Drei Säulen, drei Schritte
Nicht selten haben Verantwortliche ein wahres Mammutprogramm vor sich: Da ist das komplette Product Lifecycle Management umzukrempeln, Echtzeitdaten von der Produktion bis hin zu Logistik- und Serviceprozessen müssen erfasst werden und alles soll möglichst plattformübergreifend ineinandergreifen.
Alles machbar – Voraussetzung ist digitale Kontinuität im Produktentstehungsprozess, das fassen wir unter dem Stichwort smartPLM zusammen.
Weshalb diese Kontinuität das Maß aller Dinge ist, lässt sich leicht an einem Beispiel veranschaulichen: Wenn Amazon eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden zusichert und alle logistischen Prozessschritte bis auf einen einzigen digital optimiert hat, genügt das eben nicht.
Dann liegt die Bestellung an der Stelle, an der ein Medienbruch stattfindet, zwei Tage, bevor sie weitergeleitet wird. Die Kette ist also immer nur so stark wie das schwächste Glied. Eine solche digitale Durchgängigkeit bedeutet aber auch höhere Kritikalität der Systemverfügbarkeit und oft auch Verdichtung der Komplexität.
Deshalb sind beispielsweise Referenzmodelle entscheidend, um Abhängigkeiten in Datenstrukturen und Teilprozessen zu erkennen und um einen störungsfreien Betrieb sicherzustellen.
Digitale Transformation steht auf den drei Säulen „virtuelles Produkt“, „digitaler Prozess“ und „autonome Produktion“. Ziel ist es, diese drei Säulen nicht auf einmal, sondern nach und nach zu errichten. Das Erfolgsrezept dazu lautet: Man zerlege die digitale Transformation des Unternehmens in verdaubare Portionen. Es empfehlen sich drei Schritte:
Digitalisierungsstrategie erstellen (abgeleitet aus der Unternehmensstrategie) Meilensteine definieren Teilprojekte aufsetzen Scheinen diese Punkte auf den ersten Blick selbstverständlich oder sogar banal, so erleben wir immer wieder, wie Transformationsvorhaben scheitern, wenn eine solche Struktur fehlt.
Viele Unternehmen haben zwar schon eine Digitalisierungsstrategie, manche lassen dann aber drei Jahre lang schlichtweg das Großprojekt „Digitalisierung“ beackern. Wer so vorgeht und nach Ablauf der Zeit den Nutzen sehen will, öffnet Budget- und Zeitverschwendung sowie der Überlastung des Teams Tür und Tor.
Stattdessen gilt es, auf die genannten Teilprojekte zu setzen, die in sich schlüssig und von den anderen Einheiten abgegrenzt sein sollten, ein klares Ziel zu verfolgen und die typischen Plangrößen wie Budget und Zeit einzuhalten.
Dabei ist wesentlich, dass ein Teilprojekt schnell produktiv geht und konkreten Nutzen erzeugt – und demzufolge nicht länger als drei bis sechs Monate dauert. Bei längeren Zeiträumen wird es schwieriger, die Team- und Managementmotivation aufrechtzuerhalten, was bei jedem Change-Projekt ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist!
In diesem Zusammenhang ebenfalls sinnvoll: nicht in Funktionseinheiten und Abteilungen, sondern vom Prozess aus zu denken und in den Projekten große Freiheiten ermöglichen, um neue Ideen nicht nur zuzulassen, sondern auch zu fördern.
Chance für den Mittelstand
Um diese Empfehlung etwas zu relativieren – diese Vorgehensweise entspricht einem Top-Down-Ansatz und führt in den meisten Fällen zum Erfolg. Je nach Gegebenheiten beim Unternehmen kann aber auch ein Bottom-up-Ansatz oder eine Mischung aus beidem zum gewünschten Ergebnis führen.
Das heißt, es ergeben sich manchmal etwa aus der praktischen Nutzung der Digitalisierung in einem begrenzten Bereich Gedanken oder Ansätze, um Geschäftsprozesse in einem größeren Rahmen zu optimieren.
Das geschieht regelmäßig, wenn wir mit unserer Lösung für die Prozesslenkung in einem Teilbereich wie der Konstruktionsfreigabe beginnen. Die offensichtlichen Vorteile einer prozessgetriebenen Objektbearbeitung generieren sehr schnell Ideen zur Anwendung in anderen Teilprozessen. In dem Fall lohnt es sich also, eine duale Strategie zu fahren und beide Ansätze zu verknüpfen.
Übrigens schlägt bei der digitalen Transformation von Unternehmen die Stunde der Mittelständler, nicht nur, weil cloudfähige Lösungen oft optimal auf die Anforderungen passen.
Hinzu kommt auch, dass im Gegenzug zu Großkonzernen die Chancen besser stehen, Entscheidungsträger aus allen Bereichen an einen Tisch zu bringen. Dann lassen sich gemeinsam durchgängige Geschäftsprozesse ausgehend vom Kunden neu denken und digitalisieren.
Das zeigt ein jüngstes Beispiel, bei dem wir als Cenit einen mittelständischen, familiengeführten Maschinenbauer unterstützt haben. Nach nur wenigen, sehr effizienten Runden mit der Geschäftsführung und den Bereichsleitern waren wir auf dem Punkt:
Die Relevanz der Brüche in der digitalen Kontinuität ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und wird weiter rapide zunehmen, wenn die von Kunden geforderte Individualisierung der Maschinen sich in Variantenvielfalt und Änderungshäufigkeit niederschlägt – als Konsequenz werden zentrale Wertschöpfungsprozesse immer schwerer steuer- und beherrschbar.
Gemeinsam wurden die Schwachstellen schnell erkannt, daraus Handlungsfelder abgeleitet und so eine naheliegende Lösungsarchitektur entwickelt. Von da an bis zur Projektplanung und Beauftragung war es nur noch ein kleiner Schritt.
Damit war der Kunde im wahrsten Sinne des Wortes „ready to grow!“, das heißt bereit für eine ausbaufähige Digitalisierungsstrategie. Voraussetzung für diesen Paradeweg ist, dass die Geschäftsleitung willens ist, aktiv nicht nur an der Projektgründung, sondern auch im Projekt selbst in entsprechenden Gremien mitzuarbeiten.
Denn Digitalisierung ist Chefsache, und wirkliche Prozessoptimierung bringt immer signifikante Veränderung und damit auch Ängste und Unsicherheiten mit. Ein professionelles Change Management muss deshalb fester Bestandteil jeder Projektplanung sein.
Wie viel Standard darf es sein?
Wenn wir Kunden bei ihrer digitalen Transformation helfen, stellt sich fast immer die Frage nach dem Grad der Standardisierung der IT. Unsere Empfehlung lautet: 80 Prozent der Kernprozesse mit Standards unterstützen und zu maximal 20 Prozent auf individuell angepasste Software setzen – und dabei auch bewusst die Nachteile in Kauf zu nehmen, die diese 20 Prozent mit sich bringen.
Bei dieser Abwägung geht es um Umsetzungsgeschwindigkeit, Robustheit und Update-Fähigkeit. Verantwortliche sollten in jedem Fall im Hinterkopf behalten, dass die Nutzung von Cloud-Anwendungen den Trend zum Standard massiv verstärken wird.
Die großen Plattformanbieter schützen ihren „Digital Core“ und stellen ihre Software in immer kürzeren Zyklen bereit. In einem 24-Stunden-Deployment-Zyklus des Anbieters sind klassische, monatelange Update-Vorbereitungen wie bei individuell ausgeprägten Lösungen schlicht unmöglich.
Medienbrüche sind noch am ehesten tolerierbar, wenn die Zahl der Varianten eines Produktes nicht zu hoch ist – die Tendenz geht aber hin zu komplexeren Produkten.
Fazit
Plattformökonomie zahlt sich an dieser Stelle aus, weil man skalieren kann. Basierend auf der Erfahrung aus mehr als 200 Projekten in verschiedenen Bereichen der Fertigungsindustrie haben wir einen ganzheitlichen Ansatz von der Projektmethodik bis zur System-Paketierung und -konfiguration entwickelt.
Insbesondere wer zügig zu Ergebnissen kommen will, fährt mit einer vorkonfigurierten Lösung auf Basis der SAP- oder 3D-Experience-Plattform sehr gut – diese enthält alle typischen PDM-Funktionalitäten, unterstützt die Kernprozesse im Engineering und bereitet das „Hand-over to Production“ zum Beispiel durch ein sauber gesteuertes Release und Change Management vor.
Digitalisierung wird 2019 noch mehr zum Wettbewerbsfaktor – in der Auseinandersetzung mit gleichartigen sowie auch mit neuen Marktbegleitern, die in der digitalen Welt geboren wurden.
Während man sich gegen die gleichartigen Marktbegleiter noch mit den klassischen Tugenden wie Effizienz, Kostensenkung und Durchlaufzeitverkürzung in Position bringen kann, sieht es bei neuen Wettbewerbern anders aus:
Was hätte es beispielsweise Nokia gegen Apple geholfen, seine Mobiltelefone nur halb so teuer und doppelt so schnell herzustellen? Das heißt, Digitalisierung leistet einen wichtigen Beitrag für mehr Kreativität, Weitsicht, eine flexiblere Organisation und weiterentwickelte Geschäftsmodelle.
Der ROI in die digitale Transformation lässt sich dann also nicht nur klassisch über Effizienzsteigerung oder Prozesskostensenkung rechnen, sondern auch über gesteigerte oder ganz neue Umsätze, die im bisherigen Geschäftsmodell nicht möglich waren.
Jetzt gilt es nur noch, loszulegen. Wir empfehlen dafür eine gesunde Mischung aus zwei typischen Vorgehensweisen – mit dem amerikanischen Mut, anzufangen und Abweichungen als Bestandteil der Lernkurve zu akzeptieren, gepaart mit der bewährten deutschen Sorgfalt beim Durchdenken der Ziele und Abhängigkeiten.