Das verlorene Vertrauen in SAP


Eine einzige Zahl zeigt die katastrophale Lage der SAP-Community. Es handelt sich nicht um den SAP-Aktienkurs an der Frankfurter Börse, der nach einer Schwächephase nun langsam wieder beginnt zu steigen – auch wenn er von dem prognostizierten Ziel der Deutschen Bank von 300 Euro noch weit entfernt ist. Die Zahl, um die es hier geht, ist 243.
Nur 243 Unternehmen nahmen an der Umfrage zum Investitionsreport 2025 teil, obwohl der Fragebogen von DSAG und SAP an alle Bestandskunden verschickt wurde. Das ist ein sehr trauriges Ergebnis und zeigt die Relevanz von DSAG und SAP. Der Aufruf zum Mitmachen verhallte demnach ungehört.
Zwei Fakten prägen jede Umfrage: die Qualität der Fragen und die Quantität der Teilnehmer. Immer schon war es problematisch und verwunderlich, dass bei den jährlichen Umfragen zum DSAG-Investitionsreport nicht mehr Vereinsmitglieder sich angesprochen fühlten. Einen Höhepunkt an aktiver Teilnahme gab es 2023, als der Verein 265 Antworten von seinen Mitgliedern bekam. Bei etwa 4000 Mitgliedsunternehmen ist das eine Rücklaufquote von etwas mehr als fünf Prozent. Mit nur 228 Antworten war vergangenes Jahr ein weiterer Tiefpunkt erreicht.
Für den Investitionsreport 2025 sah sich der Anwenderverein zum innovativen Handeln genötigt. Es wurde jedoch kein professionelles Markt- und Meinungsforschungsinstitut erwählt, sondern eine Partnerschaft mit SAP geschlossen. Für das Jahr 2025 wurde der Fragebogen zum Investitionsreport von DSAG und SAP gemeinsam an alle Bestandskunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgesandt. Das Ergebnis ist beschämend: Nur 243 Unternehmen aus der SAP-Community fühlten sich verpflichtet zu antworten.
Der DSAG-SAP-Investitionsreport ist eine wichtige Positionsbestimmung für die gesamte SAP-Community. Der Report ist ein Kompass für Anwender, Partner und wahrscheinlich auch für SAP und DSAG. Das geringe Interesse, über sich selbst und damit die SAP-Community Auskunft zu geben, kann als Zeichen von Desinteresse, Ernüchterung und letztendlich als Neuorientierung verstanden werden. Die heterogene Entwicklung lässt sich seit dem DSAG-Jahreskongress 2024 in Leipzig beobachten: Während die Stimmung unter den SAP-Bestandskunden und Partnern neutral über abwartend bis skeptisch ist, knallen an der Börse und wahrscheinlich auch im SAP-Vorstand die Champagnerkorken, weil der Aktienkurs von einem Allzeithoch zum nächsten springt.
Für SAP könnte das mittelfristig zum unlösbaren Problem werden, wenn der Aktienkurs sich immer mehr von der realen Stimmung in der SAP-Community entfernt. Mit weiteren Lizenzknebelverträgen lässt sich für eine kurze Zeitspanne der Umsatz und damit der Gewinn hochhalten. Cloud Computing lässt sich mit Tricks und Nachteilen für On-prem-Installationen noch ein wenig weiter ausbauen. Aber irgendwann ist auch für SAP das Ende der Fahnenstange erreicht. Bereits aktuell gibt es nur noch 243 Unternehmen in der deutschsprachigen SAP-Community, die aktiv am Beziehungsmanagement mit SAP und DSAG teilnehmen. Damit aber versinkt der ERP-Weltmarktführer langfristig in der Bedeutungslosigkeit.
2 Kommentare
Incognito
“Was wir hier sehen, ist nicht nur ein fehlendes Vertrauen in SAP – es ist das Resultat jahrelanger Einbahnstraßen-Kommunikation.”
Die geringe Beteiligung am DSAG-Investitionsreport ist kein Zufall, sondern ein Signal. Viele Kunden fühlen sich längst nicht mehr ernst genommen – weder bei der Produktstrategie noch bei der Kommunikation.
Seit Jahren erleben wir:
Innovationen nur für Cloud-Kunden
Zunehmenden Druck zur Migration statt echter Wahlfreiheit
Und eine Kommunikation, die eher wie ein Pitch als wie ein Dialog wirkt
SAP hat eine Vision – keine Frage. Aber die Realität vieler Kunden ist komplex, hybrid, ressourcenknapp. Wenn man Vertrauen zurückgewinnen will, reicht es nicht, über “Business Transformation” zu sprechen. Man muss erst mal wieder zuhören.
SAP braucht keine neue Roadmap. SAP braucht neue Nähe.
E3-Magazin
Das Misstrauen, der Argwohn und die fehlende, qualifizierte Kommunikation zwischen SAP-Bestandskunden und SAP selbst war bereits vergangenes Jahr auf dem DSAG-Jahreskongress in Leipzig zu beobachten. SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig besitzt ein sehr symphytisches Auftreten, aber in der Sache selbst, seine DSAG-Keynote, war er blutleer und irreführend.
Ein sehr guter Vorschlag ist somit: Nähe! Ja, SAP muss wieder lernen, die eigene Community zu verstehen. SAP redet viel über die Bestandskunden, aber in nur ganz wenig Fällen mit den Bestandskunden. (Ein ähnliches Kommunikationsverhalten ist auch bei Analysten und Journalisten zu beobachten, die jährlichen Einladungen zur SAP Sapphire wurden überwiegend ausgesetzt – offensichtlich will SAP in der eigenen Blase ungestört verharren, oder?)