BTP am Scheideweg
Integration und Diversifikation
Der mit SAP R/3 entstandene Mythos besagt, dass alle betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Funktionen integriert gehören und letztendlich einen Single Point of Truth, Spot, besitzen müssen; gleichzeitig soll das Konstrukt auch Freiheitsgrade für Diversifikation besitzen. Mit dem dreistufigen Client/Server-Modell ist Professor Hasso Plattner die perfekte ERP-Integration gelungen und parallel dazu entstand mit Abap ein IT-Werkzeug für die notwendige Diversifikation. Die Aufbau- und Ablauforganisation eines jeden Unternehmens kann so eineindeutig in der IT abgebildet werden.
Cloud: Alles, was ihr wollt
Die Mächtigkeit eines R/3 Enterprise und einer Business Suite 7 resultiert aus der stringenten Disziplin eines Client/Server-Betriebsmodells – ob nun virtualisiert oder in der Cloud, ist nicht relevant. Der Mehrwert gegenüber anderen ERP-Systemen sind der konsistente Datenfluss und der erwähnte Spot. Mit dem Zukauf zahlreicher weiterer IT-Lösungen in den vergangenen Jahren hat SAP ein nahezu unüberschaubares und unkontrollierbares Angebot geschaffen. SAP-Chef Christian Klein ist Anbieter mannigfaltiger, hervorragender Einzellösungen, die den SAP-Bestandskunden zu schwankenden Lizenzpreisen ohne Konzept angeboten werden. Der SAP-Bestandskunde soll sich aus dem breiten Angebot bedienen. Was er wie, wo und warum customized, muss er selbst entscheiden. Der ERP-Weltmarktführer hat seine ERP-Kompetenz abgegeben. Der SAP-Bestandskunde bekommt fast alles, was er will, die Lösung muss er hingegen selbst finden.
Betriebswirtschaft versus Technik
Der Diskurs des Anwendervereins DSAG brachte es deutlich hervor: Eine BTP muss funktional überzeugen und nicht durch innovative Technik blenden. Der betriebswirtschaftliche Aspekt ist der Wettbewerbsvorteil für die SAP-Bestandskunden. Die Technik muss funktionieren. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass SAP BTP diese Herausforderung meistern kann – nur geht Christian Klein mit seinen Vorstandskollegen momentan in eine andere Richtung. Statt den Schwerpunkt auf Betriebswirtschaft, Integration und Diversifikation zu setzen, drängt Klein seine Bestandskunden in Richtung Public Cloud und er fördert damit eine technische Betriebsmodelldiskussion.
Digitale Transformation
Angeleitet und gesteuert von SAP, wird aktuell mehr über Cloud Computing, Datasphere und S/4-Conversion diskutiert als über betriebswirtschaftliche und organisatorische Integration und Diversifikation. Eine digitale Transformation der Aufbau- und Ablauforganisation gelingt jedoch nicht mit einem technischen Releasewechsel. Die DSAG-Diskussionsrunde postuliert sehr deutlich: Wer von Beginn an dabei war, der hat bis heute drei Mal ein unfertiges S/4 customized und noch immer keinen funktionalen Zugewinn für seine Anwender erzielt. Das kommende S/4-Ankerrelease soll wieder einmal alles einfangen und konsolidieren, damit die SAP-Bestandskunden endlich die Technik hinter sich lassen können und mit der digitalen Transformation beginnen. SAP-SVP Uwe Grigoleit hat es auf einer E-3 Veranstaltung deutlich erklärt: Mit dem Produktivstart von SAP S/4 Hana beginnt die digitale Transformation!
Hoffnung: BTP
Es gibt aktuell keine konsistenten End-to-End-Prozesse in einer SAP-ERP-Landschaft, waren sich die Teilnehmer der DSAG-Diskussionsrunde einig. Das SAP-Angebot, die Möglichkeiten, die Technik, die Lizenzen sind zu komplex, zu mannigfaltig und zu heterogen, um durchgängige Geschäftsprozesse zu erreichen. Die Hoffnung stirbt zuletzt! Die BTP könnte mehr noch als Hana und S/4 aus dieser verfahrenen Situation herausführen. Diese Aufgabe kann aber einem noch amtierenden SAP-Technikvorstand nicht alleine überantwortet werden. SAP BTP könnte die Plattform noch vieler ERP-Releases werden, wenn der Fokus von der Technik auf die Use Cases wandert und sich damit End-to-End-Prozesse wieder realisieren lassen.