SAP-Cloud Computing als Sprachbarriere
Ohne die Geschichte zu spoilern, letztendlich ging es um Sichtweisen, Definitionen und Sprache. Es ist bekannt, dass die Schweizerische Post eines der größten und auch erfolgreichsten SAP-BRIM-Systeme betreibt. Der verantwortliche SAP-Partner ist stolz auf das Projekt und ringt bei SAP um Anerkennung – weil es ein On-prem-System ist. Damit passt diese Success Story überhaupt nicht in das Weltbild von SAP-Chef Christian Klein. Selbst mit anfänglicher Unterstützung von seinem Vorstandskollegen Thomas Saueressig blieb der BRIM-Installation bei der Schweizerischen Post ein nachhaltiger PR-Erfolg verwehrt. Leider verspricht Thomas Saueressig immer viel, es geschieht dann aber meist kaum etwas – auch hier scheinen die Sprachbarrieren hoch und breit zu sein.
Das Thema Cloud Computing leidet unter Sprachbarrieren. Viele IT-Anbieter reklamieren das Thema für das eigene Angebot, aber nur wenige Softwarehersteller können wirklich auf Cloud native verweisen – so auch SAP, oder?
SAP BRIM und Microsoft-Azure-Cloud
Im konkreten Fall von SAP BRIM und der involvierten Microsoft-Azure-Cloud ist es ein sprachliches Definitionsproblem, das mit dem Buzzword „Lift und Shift“ verortet werden kann. Was ist Cloud Computing? Wenn eine Applikation für die Cloud-Architektur konzipiert wurde – also cloudnative ist – oder wenn eine beliebige Applikation mit IT-Werkzeugen in der Cloud positioniert wird. Der Unterschied ist wesentlich und zeigt sich sprachlich sehr deutlich an dem Beispiel SAP BRIM.
Nach meiner Behauptung, dass BRIM ein erfolgreiches On-prem-Produkt ist und somit SAP sich selbst widerspricht, wenn von Cloud only die Rede ist, konterte ein Microsoft-Mitarbeiter mit dem Beispiel, dass er im Rahmen eines Projektes SAP BRIM sehr wohl aus der Cloud bereitgestellt hat.
Wie so oft im Leben: Beides ist wahr. BRIM ist naturgemäß nicht cloudnative, aber die IT-Architektur, um BRIM erfolgreich zu betreiben, lässt sich natürlich auch in einer Cloud wie Microsoft Azure nachbilden. Damit steht nicht nur SAP BRIM, sondern auch jedem R/3- und ERP/ECC-System der Weg in die Cloud offen. Die Experten sprechen dann von Lift und Shift, was deutlich zeigt, dass es ein sprachliches Definitionsproblem ist. Es fehlt somit eine allgemein anerkannte Definition für das Cloud Computing.
Für einen Hyperscaler ist naturgemäß alles, was sich in seinem Hoheitsgebiet bewegt, unter dem Punkt Cloud Computing zu sehen. SAP-Chef Christian Klein verfolgt mit seinem Ansatz Cloud only wiederum eine ganz andere Cloud-Computing-Strategie: SAP geht es um die Beherrschung und Kontrolle des ERP-Betriebsmodells.
Ein On-prem-SAP-Betrieb basiert überwiegend auf gekauften Lizenzen, die in einer jährlichen Wartung stehen können – ähnlich einem Cloud-Subskriptionsmodell –, aber nicht müssen. Es gibt auch das Angebot von Drittwartungen. Letztendlich hat ein SAP-On-prem-Bestandskunde größere Freiheitsgrade als ein Anwender in der SAP-Public-Cloud. Für einen kalkulierbaren Betrieb und maximale Wertschöpfung ist somit für SAP das Cloud only in Form der Public Cloud die beste Geschäftsform.