Schlüsselfaktor Kommunikation
Es gibt keine reinen IT-Projekte. Vorhaben (Systemeinführungen, Optimierungen, Entwicklungen) sind immer in den Kontext Betriebswirtschaft (Prozesse, Funktionen, Verfahren) und Mensch (Entscheider, Anwender) eingebunden.
IT, Betriebswirtschaft und Mensch bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Sie sind gleichbedeutende Aspekte der Arbeit. Bei Pikon nennt man das den 3-Punkt-Ansatz.
3-Punkt-Ansatz
Kommunikation und Motivation sind eng miteinander verbunden. Doch wie entsteht eigentlich Motivation? Die Psychologie liefert dafür verschiedene Modelle. Mir gefällt der folgende Ansatz „Sinn – Autonomie – Anerkennung“ am besten:
Demnach können sich Menschen für ein Vorhaben nur dann erwärmen, wenn sie den Sinn verstanden haben. Sie brauchen eigene Gestaltungsspielräume. Wenn dann die Aussicht auf Anerkennung dazukommt, sind wichtige Voraussetzungen dafür erfüllt, dass Menschen in einem Projekt auch schwierige Probleme lösen.
Die Kommunikation ist das Vehikel dazu. An dieser Stelle zwei Anregungen für Videos: Simon Sinek beschreibt in seinem Beitrag „How great Leaders inspire“ gleichermaßen verständlich wie anschaulich, warum wir den Sinn eines Vorhabens verstehen müssen, um einer Sache folgen zu können.
Sinek bietet drei völlig unterschiedliche Beispiele: die Gebrüder Wright, Martin Luther-King und Steve Jobs. Ein anderes Video („The surprising truth about what motivates us“) stammt von Dan H. Pink. Er zeigt ebenfalls auf sehr anschauliche Art und Weise, warum die oben genannten Faktoren unser Verhalten deutlich mehr beeinflussen als zum Beispiel materielle Faktoren.
Sieben Schritte
Doch wie kommen wir von diesen abstrakten Vorüberlegungen zu einem konkreten Konzept für eine gelungene Kommunikation? Folgende Schritte können in jedem Projekt eingesetzt werden:
- Vorbereitung: 360-Grad-Analyse, Sinn vermitteln, Wirkungen erklären,Atmosphäre schaffen
- Umsetzung: Zuspitzung und Emotionalisierung, Botschaften + Kanäle, Monitoring
360-Grad-Analyse
Die Vorbereitung beginnt mit der Frage: Wer hat im Unternehmen welche Sicht auf ein Projekt? Unterschiedliche Menschen in verschiedenen Funktionsbereichen betrachten das Gleiche mit völlig unterschiedlichen Augen. Auch zwischen den Hierarchieebenen gibt es sehr unterschiedliche Sichten. Wichtig bei der Vorbereitung von kommunikativen Maßnahmen ist vor allem eine gründliche Betrachtung dieser einzelnen Perspektiven. Zur Visualisierung dient die „Wand der Wahrheit“. Auf jeweils einem Flipchart werden die wesentlichen Einstellungen und Meinungen zu einem Vorhaben dokumentiert. Diese können zuvor in Kurzinterviews nach dem Motto „Was nun, Frau/Herr X?“ ermittelt werden.
Sinn vermitteln
Im Mittelpunkt steht die Frage: Warum machen wir dieses Projekt? Es ist wichtig, bei der Antwort nicht zu kurz zu springen. Der Sinn eines Projekts ist nicht, Kosten zu sparen oder Durchlaufzeiten zu optimieren. Das sind notwendige Ergebnisse. Der Sinn aber leitet sich aus der generellen Mission des Unternehmens ab. Es geht um die Überzeugung, warum dieses Projekt notwendig ist. Dies kann kurz und prägnant in einem Mission Statement formuliert werden.
Wirkungen erklären
Aus notwendigen Veränderungen ergeben sich für Betroffene und Beteiligte viele Fragen:
- Nutzt das Projekt unserem Unternehmen?
- Nutzt es seinen Mitarbeitern?
- Was verbessert sich?
- Was verschlechtert sich?
- Was bedeutet es für mich persönlich und meine Arbeit?
Meistens können diese Fragen nicht alle oder nicht alle zu 100 Prozent beantwortet werden. Daraus wiederum entstehen Widerstände, die persönlich und vielschichtig sind. Im Gespräch unter Kollegen verstärken sich diese Aspekte dann häufig noch gegenseitig.
Das hängt unter anderem daran, dass Menschen sich offenkundig die Gefahren und Risiken, die mit einer Veränderung einhergehen, leichter vorstellen können als Potenziale und Chancen.
Deshalb ist es wichtig, möglichst viele Widerstandslinien im Unternehmen zu antizipieren. Ein gutes Mittel ist es, die Wirkungen des Projekts möglichst genau zu beschreiben. Proaktives Mitliefern von Ursache-Wirkung-Beziehungen sorgt für Transparenz und Nachvollziehbarkeit und hilft beim Abbau von Widerständen und Ängsten.
Beispiel: Wenn wir in Zukunft mit einem SAP-System arbeiten, werden die Verkäufe zwischen rechtlich selbstständigen Einheiten unseres Unternehmens wesentlich vereinfacht, weil weniger Belege manuell anzulegen sind.
Die frei werdenden Kapazitäten wollen wir in der Pflege der Kundenbeziehungen einsetzen. Ängsten und Widerständen kann man auch gut dadurch begegnen, dass man explizit sagt, was ein Projekt nicht erreichen will (z. B. Stellenabbau, Standortschließungen).
Wer sich mit Wirkungen beschäftigt, sollte auch Nebenwirkungen nicht vergessen. Das erfordert viel Empathie und das Bewusstsein, dass die Auseinandersetzung damit das Projekt nicht behindert, sondern letztlich befördert.
Wenn ich weiß, welche Nebenwirkungen die Mitarbeiter beschäftigen, kann ich entsprechende Abhilfe schaffen. Dabei ist Kreativität und neues Denken gefordert. Eva Reinhards, eine Kommunikationsberaterin aus Saarbrücken, hat in einem Projekt zum Beispiel ein Sorgentelefon für die Projektmitarbeiter eingerichtet.
Dorthin konnten sich die Mitarbeiter mit allem wenden, was sie bedrückte. Zum Beispiel auch dann, wenn aufgrund projektbezogener Überstunden mal die Kinder nicht von der Kita abgeholt werden konnten.
Atmosphäre schaffen
Die größte Schwachstelle in der Projektkommunikation ist die Fokussierung auf Zahlen, Daten und Fakten. Diese sind wichtig – aber eben nicht ausreichend. Anders formuliert: Ein guter sachlicher Kern ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine gewinnende Kommunikation.
Gerade die eingangs genannten Videos der Vordenker Simon Sinek und Dan H. Pink zeigen auf, dass Menschen sich nicht über reine Sachbotschaften oder materielle Anreize gewinnen lassen. Motivation wird vielmehr über emotionale Faktoren erreicht.
Deshalb darf und muss eine gute Projektkommunikation eben auch emotional sein. Doch wie erreicht man das? Ein wirkungsvolles Mittel ist, wenn es charismatische Führungskräfte gibt, die sich einer emotionalen Ansprache bedienen können.
Denken wir beispielsweise an viele Top-Trainer im Fußball wie Jürgen Klopp oder Jürgen Klinsmann. Selbstverständlich kann man das nicht erzwingen. Viele Führungskräfte gehören zur rationalen Fraktion und sollten sich nicht dazu überwinden, jetzt den Motivationskünstler zu geben.
Sie sollten aber andererseits diesen Zusammenhang auch nicht leugnen und sich dann eben andere Personen suchen, die in diese Rolle schlüpfen. Die können aus den eigenen Reihen kommen. Es hat sich aber auch bewährt, in einem Kick-off-Meeting mal einen externen Redner einzuladen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen – es geht nicht darum, dass ein Externer den Projektplan vorstellt. Der Externe sollte einfach „seinen“ Vortrag halten – zum Beispiel zum Thema Motivation. Sportler oder Künstler kommen hier infrage.
Durch solche Auftritte entsteht eine ganz andere Atmosphäre. Wenn in diesem Rahmen dann ein Dialog mit den Betroffenen in Gang gesetzt wird, wenn in Gruppenarbeiten, Workshops oder „Hearings“ darüber gesprochen wird, was im Projekt passieren soll, welche Erwartungen seitens der Unternehmens- oder Projektleitung da sind und welche Unterstützung im Projekt gewährt wird, dann startet ein Projekt ganz anders als gewöhnlich. Mitarbeiter empfinden das auch immer wieder als Wertschätzung und berichten gerne davon.
Botschaften + Kanäle
Veranstaltungen und Events sind ein wichtiger Faktor einer emotionalen Kommunikation. Es geht aber auch darum, die Botschaften zuzuspitzen und klar und deutlich zu vermitteln. Ein weiterer Punkt besteht darin, die Inhalte abgestimmt auf verschiedenen Medien und Kanälen zu kommunizieren.
Welche Kanäle möglich und sinnvoll sind, hängt von der Größe und der Bedeutung des Projekts für ein Unternehmen ab. In großen Projekten können zusätzlich zu den klassische Kanälen (Projekt-Newsletter, Informations-Meetings, Artikel in der Firmen-Zeitung, Posterkonzepte) vor allem auch Video-Botschaften eingesetzt werden.
Aber Originalität und Innovationskraft haben meist nicht viel mit Größe zu tun. Es gibt auch die kleinen, sehr innovativen Konzepte, die eine Projektkommunikation spannend machen können.
So können zum Beispiel Workshops auch in Form sogenannter Bar-Camp-Konzepte abgehalten werden. Dort treffen sich die Teilnehmer und entscheiden gemeinsam per Zuruf über die Agenda.
Solche Konzepte orientieren sich sehr stark am Informationsbedürfnis der Teilnehmer. Einer der wichtigsten Punkte ist, dass die Projektkommunikation von einer Person übernommen wird, die ansonsten keine Aufgabe im Projekt hat.
Diese Arbeit kann von Projektleitern nicht noch „nebenbei“ erledigt werden. Es ist wichtig, dass der Kommunikator den richtigen Abstand zum Projekt hat. Nur so kann er wichtige Zusammenhänge erkennen und nötigenfalls gegensteuern.
Viele werden jetzt vielleicht fragen, was das alles kostet. Die ehrliche Antwort ist, dass eine gut gemachte Kommunikation nicht zum Nulltarif zu haben ist. Die Gegenfrage lautet: Was kostet es, auf eine wirkungsvolle Kommunikation zu verzichten?
Monitoring
Kommunikation lebt von der ständigen Verbesserung. Monitoring kann in einem vergleichbaren Format wie die 360-Grad-Analyse am Anfang erfolgen. Jetzt lautet die Frage: „Wie haben Sie das Projekt erlebt und wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?“