SAP-Zeitenwende


SAP-Chef Christian Klein hat auf handelsblatt.com gegenüber meinem Kollegen Christof Kerkmann eine der wichtigsten und größten Innovationen angekündigt: Das SAP-Produkt Business Data Cloud (BDC) soll die lang erhoffte Wende im Datenchaos bringen. Nach den gescheiterten Versuchen mit Data Hub und danach mit Datasphere soll nun BDC die Datenstrukturen orchestrieren.
Was aber SAP CEO Christian Klein Anfang dieses Jahres sehr vollmundig ankündigte, entpuppte sich schon wenige Wochen später als eine weitere Kooperation mit einem IT-Spezialanbieter, weil es die eigene Mannschaft wieder einmal nicht fertigbrachte, eine funktionierende Lösung zu bauen. SAP hat Databricks auserwählt, die Lücken im eigenen Angebot zu schließen.
Für Databricks ist die Kooperation wahrscheinlich ein nettes Zubrot. Große Bedeutung scheinen die Verantwortlichen bei Databricks dem Vorhaben aber nicht entgegenzubringen. Anlässlich der obligatorischen Pressekonferenz von SAP zur Vorstellung von Business Data Cloud ließ sich kein Databricks-Repräsentant blicken. Dafür gab es bereits eine Woche später eine verblüffend ähnliche Kooperation zwischen Databricks und Confluent. Damit wurde nachträglich das SAP-Projekt ausgebremst. Spätestens dann wurde offensichtlich: Christian Klein machte viel Lärm um nichts.
Ein Datenprojekt, das von SAP an die Wand gefahren wird, ist naturgemäß noch keine Zeitenwende. Aber alle Ereignisse des ersten Quartals 2025 zusammengenommen zeigen deutlich eine Strukturschwäche im SAP-Haus: eine Business Data Cloud, die den Namen nicht verdient; ein SAP-Aktienkurs, der bei den kleinsten Irritationen am Markt überproportional abstürzt; ein DSAG-SAP-Investitionsreport, bei dem auf Basis tausender Kunden nur 243 den Fragebogen retournieren; eine KI-Entwicklung, die außer hunderten Gadgets keinen großen Wurf hervorbringt; eine sehr erfolgreiche SAP Business Technology Platform, weil diese die Fortsetzung von On-prem und Abap-Modifikationen ermöglicht.
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe DSAG e. V. vertritt etwa 4000 Unternehmen aus dem Gebiet Deutschland, Österreich und der Schweiz. Um eine repräsentative Markt- und Meinungsforschung zu gewährleisten, verschickten dieses Jahr DSAG und SAP gemeinsam den Fragebogen zum Investitionsreport 2025. Somit müsste es wesentlich mehr als 4000 Empfänger geben. Der Rücklauf war ernüchternd: Nur 243 Unternehmen fühlten sich motiviert, auf die Fragen von DSAG und SAP zu antworten. Die Akzeptanz von SAP in der Community war schon einmal höher. Nicht alle Bestandskunden haben SAP-Aktien und sind somit CEO Christian Klein und CFO Dominik Asam dankbar für deren Arbeit. Ein hoher Aktienkurs ist demnach nur die halbe Wahrheit.
Neben dem schlechten Abschneiden bei der SAP-Community-Befragung durch DSAG und SAP könnte auch der Erfolg der BTP, SAP Business Technology Platform, zu einer Zeitenwende führen. BTP ermöglicht es den SAP-Bestandskunden, erfolgreiche Strukturen und Architekturen wie ERP/ECC 6.0 inklusive Abap-Modifikationen beizubehalten und dennoch an KI-Innovation zu partizipieren. Immer mehr Anwender berichten von einem orchestrierten Miteinander von BTP und ECC.
SAP BTP ist ein Universalwerkzeug, ist eine (heterogene) Plattform, auf der von KI bis embedded Abap (Steampunk) viel möglich wird. Viele Innovationen, die SAP durch S/4 verspricht, lassen sich über und durch BTP auch für ECC-Installationen nutzen. Die Business Technology Platform eröffnet zahlreiche Freiräume für Partner und Bestandskunden. Der Erfolg des Steampunk und BTP Summits Anfang März in Heidelberg ist ebenso ein Beweis dafür wie der eine Woche später stattgefundene BTP-Partner-Summit von SAP ebenfalls in Heidelberg mit etwa 1000 Teilnehmern. Dieser „Plattformerfolg“ ist eine Zeitenwende, weil dadurch der Zwang zu S/4 relativiert wird. Ein Composable ERP auf Basis von Hana, BTP, BDC und der neuen Business Suite kann zu einer positiven und nachhaltigen Zeitenwende der SAP-Community führen.
Nach einem erschreckenden Absturz des SAP-Börsenkurses hat dieser begonnen, sich wieder zu erholen – auch wenn er noch weit von den 300 Euro entfernt ist, wo ihn die Analysten der Deutschen Bank sehen. Mit dem versteckten Relaunch von S/4 unter dem alten und neuen Namen „Business Suite“, der Kooperation mit Databricks und dem Erfolg der SAP Business Technology Platform könnte Christian Klein dieses Jahr eine nachhaltige Zeitenwende gelingen. Der DSAG-SAP-Investitionsreport widerspricht diesem schönen Gedanken, aber die SAP-Community wünscht es sich selbst und SAP von ganzem Herzen!