SAP Joule Compliance


Und nun soll SAP Joule auch nach meinem Willen leben
In der Ballade von Johann Wolfgang von Goethe heißt es: „Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben.“ Nach den Vorstellungen von SAP soll sich der ERP-Anwender dem KI-Agenten Joule bemächtigen, damit dieser die Aufgaben übernimmt. Die Technik dazu ist weit fortgeschritten. Es fehlt jedoch ein Ordnungs- und Kontrollrahmen. Es fehlt ein KI-Framework, das die KI-Agenten kontrolliert und orchestriert.
Aktuell versuchen es verschiedene Anbieter mit KI-Plattformen für intelligente Agenten. Es gibt Vorschläge, künftige KI-Agenten ähnlich wie Mitarbeiter zu steuern und zu verwalten: ein KI-Agent Capital Management, KI-ACM im Gegensatz zu HCM. Für Haftungs- und Compliance-Fragen scheint aber dieser Ansatz zu kurz zu greifen.
ERP-Compliance ist kein Kindergarten
Ein großes Problem der Informatik ist der maschinelle und mathematische Korrektheitsbeweis von Algorithmen. Ein Finanzprozess kann mit Millionen von Daten millionenfach getestet werden, ob der ERP-Algorithmus korrekt ist, kann mit letztendlicher Sicherheit dennoch nicht gesagt werden. Hier sei nur am Rande auf Sir Karl Popper und seinen Falsifikationismus verwiesen: Falsifikationen sind Aussagen über empirische Sachverhalte, wie etwa einen ERP-Algorithmus, und damit wie auch Theorien nicht endgültig entscheidbar. Nach Sir Karl Popper erlauben endlich viele Beobachtungen (iterative Tests in einem ERP-System) keinen logisch gültigen Schluss auf Allaussagen, die den Kern von wissenschaftlichen Theorien bilden. Sein Gegenentwurf ist der Falsifikationismus: Theorien können sich durch empirische Prüfung bewähren oder falsifiziert, aber niemals verifiziert werden.
Für das regelbasierte und richtige Verhalten eines Buchhaltungssystems kann somit nicht die Logik und Mathematik herangezogen werden. Es braucht den Menschen, der einem System den allgemeinen Regeln entsprechend ein Testat ausstellt und damit die Compliance bescheinigt.
Wo steht in diesem Compliance-Kosmos der KI-Agent? Ist er ein passiver Teil, der sich einer Compliance-Prüfung unterziehen muss, oder wird es Compliance-KI-Agenten geben, die aktiv die Arbeit von künstlichen Kollegen begleiten? Wahrscheinlich ist es ähnlich dem autonomen Fahren: Wer trägt die Letztverantwortung?
Wettbewerb der KI-Agenten
Mit der Regelung und Orchestrierung der Compliance eines KI-Systems wie SAP Joule ist der Diskurs noch nicht beendet. Vermutlich wird es in Composable-Enterprise-Systemen zahlreiche KI-Agenten von unterschiedlichen Anbietern geben.
Seit vielen Jahren wird über ein mögliches Composable Enterprise diskutiert. Dieser ERP-Diskurs gestaltet sich ähnlich wie die jahrzehntelange Diskussion über künstliche Intelligenz. Erst mit der breiten Verfügbarkeit leistungsfähiger Hardware gelang der Schritt von der Theorie in die Praxis. Modelle von neuronalen Netzen wurden durch den massenhaften Einsatz von Grafikkarten zum Leben erweckt. Durch Rückbezüglichkeiten wurden die KI-Systeme immer besser und sind aktuell als Large Language Modelle (LLMs) bekannt.
Das Composable Enterprise könnte durch massenhaften Einsatz von KI-Agenten einen Weg in den operativen ERP-Alltag finden. Ein ERP-System ist aber nicht nur eine Ansammlung von Algorithmen und Daten, sondern auch ein auf Konsistenz und Nachvollziehbarkeit evaluiertes Gebilde. Sich widerstreitende KI-Agenten von unterschiedlichen Anbietern in einem Composable ERP wären dann ein Mega-GAU.
Ganz praktisch wird sich dann die Frage stellen: Darf der Salesfore-KI-Agent auch ein wenig ERP machen oder muss er den CRM-Bereich dem SAP-Joule-KI-Agenten überlassen? Was ist das führende System? Diese Frage wird schon seit vielen Jahrzehnten gestellt und es gibt immer noch keine Antwort. Wahrscheinlich werden auch KI-Agenten dafür keine Lösung finden. Eine KI-Agenten-Compliance wird notwendig werden!