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Rise: The Point of no Return

SAP geht es schlecht. Es ist eine mentale Krise, weil die Verantwortlichen den Pfad der Tugend verlassen haben. Warum in der Wolke experimentieren, wenn ein betriebswirtschaftliches Alleinstellungsmerkmal existiert?
Peter M. Färbinger, E3 Magazin
28. Oktober 2022
Editorial
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Fehler dürfen gemacht werden. Aber zwei Mal in die gleiche Sackgasse zu laufen ist verantwortungslos und dumm. Vor vielen Jahren versuchte SAP mit der Tochter SAP SI aus Dresden ein Outsourcing- und Hosting-Geschäft hochzuziehen. Der Versuch misslang und in der deutschen Telekom fand man einen Abnehmer für das an die Wand gefahrene Unternehmen. SAP verlor damals nicht nur Umsatz, sondern auch hochqualifizierte Mitarbeiter. Geschäft und Hosting-Know-how gingen an die Telekom. Bei SAP galt es, sich wieder auf Software zu konzentrieren.

Viele Jahre später versucht es SAP dennoch wieder: Diesmal läuft das Infrastrukturvorhaben unter der Bezeichnung „Cloud Computing“ und ist nicht weniger ambitioniert. SAP will im Kreis der globalen IT-Konzerne wie IBM, Microsoft, Oracle, Salesforce und Workday beweisen, dass man das Infrastruktur- und Service-Geschäft ebenso gut beherrscht.

Die Auswirkungen sind katastrophal und SAP hat längst den Punkt „of no Return“ überschritten. Jetzt kann der Ausflug ins Cloud Computing nicht mehr abgebrochen werden. SAP muss in die Cloud abheben oder der ERP-Weltmarktführer kollabiert.

SAP selbst hat sich ganz ohne Not und Zwang dem Purpose „Cloud Computing“ verschrieben, obwohl im Rahmen der digitalen Transformation viele betriebswirtschaftliche und organisatorische Felder brachliegen.

Technik fasziniert: Computerfarmen mit Grafikprozessoren, die nach Bitcoins schürfen; Drohnen, die Plantagen überfliegen und mit automatisierter Bildauswertung Ernteausfälle verhindern; Tausende Sensoren in CNC-Maschinen.

Die digitale Transformation hat in den vergangenen Jahren viele Innovationen wie Blockchain, maschinelles Lernen, Industrie 4.0 und vorausschauende Wartung hervorgebracht. Der finale Erfolg steht noch aus, weil viele betriebswirtschaftliche und organisatorische Rahmenbedingungen noch ungelöst sind. Rise with SAP hätte das betriebswirtschaftliche Framework für die digitale Transformation werden können. Rise hätte Kristallisationspunkt einer neuen digitalen Betriebswirtschafts- und Organisationslehre werden können. So wie einst Hans-Georg Plaut mit der Grenzplankostenrechnung ausgewählte Teile der Betriebswirtschaft inspirierte und dessen Ideen in die Entwicklung des SAP’schen ERP einflossen, hätte Rise zu einer ähnlichen Erneuerung einer erfolgreichen Wissenschaft beitragen können. Stattdessen wurde der Purpose von Rise ein Werkzeug für das Cloud Computing.

Wenn Transformation, Nachhaltigkeit und Purpose mehr sein sollen als Stichworte und Feigenblatt fürs Marketing, brauchen Unternehmen einen echten Systemwandel. Diesen Systemwandel denkt SAP im Cloud Computing gefunden zu haben. Das Vertrauen der Anleger in die Aktien und das Börsengeschehen zeigen ein anderes Bild.

Auf der SAP-Website gibt es erhellende Zahlen: In den vergangenen drei Jahren stieg der Börsenkurs bei Microsoft um etwa 88 und bei Oracle um etwa 44 Prozent, Salesforce blieb nahezu gleich und er sank bei IBM um etwa fünf, bei Workday um etwa zehn sowie bei SAP um 21 Prozent (Quelle: sap.com, 4. September 2022).

Somit hat SAP-Chef Christian Klein mit seinem Purpose und Rise viel Börsenkapital vernichtet. Die Auswahl der genannten Unternehmen orientierte sich an den von SAP selbst definierten Peers. Zum Vergleich: Während in diesem Zeitraum von 30. September 2019 bis 4. September 2022 der SAP-Aktienkurs um die erwähnten 21 Prozent fiel, stieg der Dax um fast zehn Prozent.

Das Bauchgefühl und der Hausverstand würden angesichts dieser Zahlen wahrscheinlich eine gravierende Kurskorrektur einfordern. Aber SAP hat den „Point of no Return“ überschritten. Die technische Cloud-Transformation mit Rise muss jetzt gelingen. Zu lange wurde die betriebswirtschaftliche und organisatorische Kernkompetenz vernachlässigt, aber noch immer existiert in dem ERP-Konzern ein gewaltiges Potenzial, das offensichtlich viele SAP-Executives vor lauter Wolken nicht sehen. Diese Ausgabe des E-3 Magazins ist mit der Coverstory BRIM, Billing and Revenue Innovation Management, ein Beweis für das SAP’sche Alleinstellungsmerkmal jenseits von Cloud Computing.

Ein SAP-Partner hat vor einiger Zeit begonnen, Billing and Revenue Innovation Management bei der Schweizerischen Post einzuführen (zu customizen). Unter anderem ist die Schweizerischen Post nicht irgendeine Postgesellschaft, sondern auch Clearingstelle für etwa 175 weitere, weltweite Postgesellschaften. In einigen Jahren soll auch für diesen Geschäftsbereich der Schweizerischen Post das SAP-Produkt BRIM eingesetzt werden. BRIM ist aktuell noch ein On-prem-Produkt. Dazu gibt es zahlreiche Erfolgsgeschichten, aber kaum eine offizielle Würdigung durch SAP, denn der SAP’sche Purpose heißt Cloud Computing.

Mit seiner betriebswirtschaftlichen Kernkompetenz könnte SAP den meisten IT-Konzernen wie Apple, Google, AWS, Oracle und Microsoft enteilen. SAP-Chef Christian Klein müsste den Mut finden, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und weniger auf die technischen Angebote der vermeintlichen Mitbewerber zu schauen. Rise, Purpose und „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ müssen kein Widerspruch sein.

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Peter M. Färbinger, E3 Magazin

Peter M. Färbinger, Herausgeber und Chefredakteur E3-Magazin DE, US und ES (e3mag.com), B4Bmedia.net AG, Freilassing (DE), E-Mail: pmf@b4bmedia.net und Tel. +49(0)8654/77130-21


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Reguläres Ticket:

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Veranstaltungsort

Eventraum, Hotel Hilton Heidelberg,
Kurfürstenanlage 1,
69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

28. und 29. Februar 2024

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