Pubertäres Hana
Das ist der zweite Teil einer Würdigung der SAP-Datenbank Hana. Im ersten Teil (hier) ging es vorwiegend um die Sichtweise der SAP-Bestandskunden auf die Zwangsmaßnahme Hana, die bei vielen Kunden nun zu einer Doppelbelastung des Lizenzbudgets führt. Zukünftig werden viele ERP-Anwender sowohl für AnyDB (Oracle, Microsoft oder IBM) als auch für Hana entsprechende Lizenzen und Maintenance zahlen müssen.
Realitätsverweigerung und Reparaturdienstverhalten
Vor vielen Jahren hatte ich eine disruptive Diskussion mit Christian Klein über Hana und die Qualität dieser Datenbank. Wie in jedem zivilisierten und fairen Diskurs hatten beide Kontrahenten recht: Christian Klein behauptete, dass er nur Gutes und Schönes über Hana von seinen Bestandskunden erzählt bekomme. Ich hielt dagegen, dass die SAP-Basis-Mannschaft keinen Überblick mehr über die zahlreichen Hana-Fixes und Hana-Updates habe, die wöchentlich von SAP ausgespielt wurden.
Warum hatten wir beide recht? Christian Klein sprach naturgemäß mit den Executives seiner Bestandskunden, die waren weit weg von der Basis-IT und hörten kaum das Klagen der SAP-Mannschaft aus dem Rechenzentrum. Aufgrund meines Informatikstudiums habe ich gute Kontakte zu SAP-Technikern und Basismitarbeitern aus dem Customer Competence Center. Die Stimmen aus den Rechenzentren unterscheiden sich deutlich von der Einschätzung des Topmanagements.
Hana leidet noch immer unter Data Inconsistency mit den Versionen SPS-6 Revision 60, 61 und 62 – davor warnt auch SAP mit den einschlägigen SAP Notes. Zugegeben, es ist sehr technisch und auf diesem Niveau unterhält sich weder Professor Hasso Plattner noch SAP-Chef Christian Klein – aber es ist relevant!
Hana, zu jung für diese Welt
Es ist keine triviale Aufgabe für ein komplexes ERP-System wie R/3, ECC 6.0 oder S/4, eine agile, stabile und funktionierende Datenbank zu entwickeln. Einige Mitglieder der SAP-Community werden sich vielleicht noch an das Microsoft-Desaster mit der Datenbank SQL-Server Version 7 erinnern. Tag und Nacht wurde damals in Walldorf (SAP) und Seattle (Microsoft) gearbeitet, weil die Datenbank massive Fehler aufwies und SAP-Bestandskunden in ihrem Geschäft gefährdete.
Mittlerweile hat der Microsoft-SQL-Server einen Reifegrad erfahren, sodass diese Datenbank auch in High-Availability-Szenarien (Hochverfügbarkeit) eingesetzt werden kann. Dieser Reifegrad entstand aber nicht über Nacht und Hana ist dementsprechend viel zu jung, um an die Qualität von Oracle, IBM und Microsoft heranzureichen. Eines Tages wird es so weit sein, aber es braucht Zeit und bis dahin ist Reparaturdienstverhalten angesagt.
Der SAP-Hana-Ingenieur verließ das Schiff
Die vielleicht merkwürdigste Anekdote in der kurzen Hana-Historie seit 2011 ist der überraschende Abgang von SAP-Technikvorstand Vishal Sikka im Jahr 2014. Sikka war nach SAP-Technikvorstand Shai Agassi der zweite „Ziehsohn von Hasso Plattner“ im SAP-Vorstand. Sikka und Agassi wollten SAP-CEO werden.
Die wahren Gründe für das Ausscheiden von Vishal Sikka liegen aber bis heute im Dunkeln. Viele Insider vermuten, dass es an der finalen Positionierung von Hana gelegen ist. Das Ziel formulierte Professor Hasso Plattner in einem Interview mit WiWo-Redakteur Michael Kroker folgend: „Mein letztes Projekt, das ich technologisch bei SAP vorangetrieben habe, war die Hochleistungsdatenbank Hana. Ich hatte die Hoffnung, dass SAP es schafft, Hana ganz an die Spitze dieses Segments zu bringen, weil sie zu der Zeit die mit Abstand beste Datenbank war. Das müsste der Markt eigentlich irgendwie honorieren; allerdings hat SAP das nicht ganz geschafft.“
Offensichtlich wollte Vishal Sikka eine Public-Domain-Version von Hana auf den Markt bringen, um damit die Datenbank auch in Non-SAP-Bereichen positionieren zu können. Ob nun Hasso Plattner oder das SAP-Management dagegen war, ist nicht bekannt. Tatsache ist jedoch: Hätte SAP die eigene Datenbank ähnlich wie das darunterliegende Betriebssystem Linux vermarktet, dann hätte SAP auf viele Millionen Euro an Lizenzeinnahmen verzichten müssen.
Hana ist ein kommerzieller Erfolg
Auch wenn Hana bis jetzt nur wenige Informatiker begeistern konnte, viele CFOs der SAP-Bestandskunden aufgrund der doppelten DB-Lizenzgebühren zur Verzweiflung treibt, so ist es dennoch für SAP selbst ein durchschlagender kommerzieller und strategischer Erfolg. Nun muss sich SAP die ERP-Community nicht mehr mit Oracle, IBM und Microsoft teilen. Der ganze ERP-Stack ist in der Hand von SAP. Das finale Vendor-Lock-in hat mit Hana und S/4 seinen krönenden Abschluss gefeiert.