Mind the Gap
Der bekannte Spruch „Mind the Gap“ aus der Londoner Underground ist ein passendes Synonym für das aktuelle IT-Desaster und auch Motto des Tangro-Kundentags am 17. November in Heidelberg, wo ich eine Keynote halten werde.
Professor Hasso Plattner hat es immer schon gewusst: Innovation und Kontinuität vertragen sich nicht! Von Beginn der Hana-Entwicklung an versprachen er und SAP dennoch eine nicht disruptive Entwicklung.
Der „Releasewechsel“ von irgendeiner SQL-Datenbank zu Hana soll konfliktfrei ohne Eskalationen erfolgen. Dort, wo es in den Londoner Underground Stations heißt „Mind the Gap“, sagt der Informatiker im Rechenzentrum: „Never change a running system.“
Wer mit ERP/ECC 6.0 oder der Business Suite auf eine Hana-Plattform wechselt, dem ist naturgemäß zuzurufen: Mind the Gap!
Die Early Adopters von SoH (Suite on Hana) brauchten Hunderte Mannstunden, um die Applikation an die Datenbank anzupassen und umgekehrt. Mittlerweile ist der Umstieg für BW-Anwender (SAP Business Warehouse) auf Hana eine beherrschbare Routine und „Mind the Gap“ ist nicht viel mehr als eine höfliche, aber vernachlässigbare Ansage.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich für ERP- und Business-Suite-Anwender: Kaum ein SAP-Bestandskunde erwägt den Schritt in die neue Hana-Welt. Alle Experten fordern die digitale Transformation, aber rufen ebenso warnend: Mind the Gap!
Was SAP gerne sieht:
Vvon on-premise nach on-demand (Cloud Computing), von traditionellen SQL-Datenbanken nach Hana (In-memory Computing), vom SAP-GUI nach Fiori, von R/3 MES/MII nach Industrie 4.0, von ESA nach IoT.
(Letzteres braucht ein wenig Erklärung: ESA war die SOA-Variante von SAP und bedeutete Enterprise Service Architecture, später verwarf man den Begriff und einigte sich mit der IT-Community auf serviceorientierte Architektur, SOA, daraus entstand unter anderem das Internet der Dinge und Services – auf Englisch: IoT, Internet of Things.)
Diese von „A nach B“-Beispiele sind gefährlich und ebenso interessant! Alle diese Transformationsprozesse sind komplex und damit nicht in einem Schritt zu exekutieren. Diese Projekte brauchen Zeit und Planung – Zwischenschritte sind notwendig, auf die Lücken gilt es zu achten.
Und schon verliert man sich im Unendlichen. Aus der Schulzeit wissen wir, dass zwischen jedem Zahlenpaar noch eine weitere Zahl Platz findet. Dieser unendliche Regress macht das Erkennen von Lücken sowie Anfangs- und Endpunkt unseres mutigen Schrittes schwierig.
Mind the Gap wird zur Reise ins Unendliche (siehe auch die Paradoxa von Zenon von Elea, ein antiker griechischer Philosoph, der zu den Vorsokratikern gezählt wird). Mehr zu Zenon und Georg Cantor, den Begründer der Mengenlehre und „Erfinder“ der Unendlichkeit, in meiner Keynote bei Tangro.
Wir erleben einen digitalen Transformationsprozess, der weitgehend auf technischen Innovationen beruht. Industrie 4.0 und IoT werden Realität. Hinzu kommen die betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Aspekte: Vielleicht brauchen wir wieder einen DV/Org-Leiter und keinen CIO?
Im aktuellen Transformationsprozess gilt „Mind the Gap“ für Anbieter wie Anwender. Harvard-Professor Clayton M. Christensen stellte somit in seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ die offensichtliche Frage: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren?
Eine Antwort sind die zwei Seiten der Medaille „digitale Transformation“, die eine heißt „Mind the Gap“ und die andere „Never change a running system“.
Professor Christensen präzisiert und ich habe seine Aussage mit Anmerkungen in Klammern ergänzt:
„Wenn ein Unternehmen (SAP) versucht, eine disruptive Technologie (Hana und S/4) so weit zu entwickeln, dass sie den Anforderungen der Kunden (SAP-Bestandskunden) in etablierten Märkten (SAP-Community) entspricht – was die meisten führenden Unternehmen tun –, ist ihr Scheitern so gut wie sicher.“