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Kaufsoftware

Kaufsoftware ist ein hässliches Wort – „on premise“ und „Lizenzen“ klingen wesentlich intellektueller. Letztendlich wird uns aber nur „Kaufsoftware“ vor dem Untergang retten. Und manche Mitmenschen decken sich auch wieder mit Gold ein.
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2. Juni 2016
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Mit meinem erwachsenen, nicht mehr bei uns wohnenden Sohn hatte ich ein spannendes Streitgespräch über den Wert von Gold. Rein physikalisch und chemisch macht Gold nicht viel her und kann durch andere Edelmetalle ersetzt werden. Aber Gold wird von einigen Zentralbanken wieder vermehrt gekauft und steigt demnach im Preis.

Auch ich habe mit meiner Frau diskutiert, Goldbarren zu kaufen. Die Diskussion um den Wert des Goldes ist in unserer Familie noch nicht entschieden. Ein ähnliches Gespräch hatte ich bei einem Group-CIO-Meeting in London, dort ging es aber nicht um Gold, sondern um SAP-Lizenzen.

Auf dem Meeting wurde folgendes Szenario zum Besten gegeben: Stellen Sie sich vor, Sie sind CIO einer fast perfekten SAP-Business-Suite-7-Installation. Fast alle Anwender inklusive der Geschäftsleitung sind zufrieden.

Und eines Tages sollen Sie das ERP-System wechseln – aus welchen Gründen auch immer: feindliche Übernahmen, zu hohe Servicekosten, neues IT-Konzept, alternative Software etc. Neues Spiel, neues Glück – denken Sie sich.

Also wird das alte SAP-System eingefroren. Die Wartung wird gekündigt, viele Lizenzen stillgelegt. Die Entwicklungs- und Test-Server werden abgeschaltet. Das System wird auf das Minimum reduziert, aber vollständig am Leben erhalten, damit man weiterhin Zugriff auf die Daten hat – was aufgrund gesetzlicher und organisatorischer Vorgabe unumgänglich ist.

Zu diesem Zeitpunkt besitzen Sie ein funktionsfähiges SAP-System, mit dem Sie weiterhin Daten extrahieren können – und so auch eine perfekte Altdatenübernahme vorbereiten werden.

Fast eine Geschichte mit Happy End. Aber was nun, wenn Sie sich in der Vergangenheit dazu überreden ließen, mit allen Suite-7-Lizenzen in die Hana Enterprise Cloud (HEC) zu übersiedeln?

Egal ob mit S/4-Releasewechsel um 9000 Euro oder nicht. Ihre Daten sind jetzt in der Cloud, diese können Sie eventuell als ASCII-Datei herunterladen, auch eine Hana-Datenbankkopie wäre möglich – nur Sie besitzen keine einzige On-Premise-Lizenz mehr, mit der Sie nach Kündigung der HEC weiterhin einen Zugriff auf Ihre Altdaten gewährleisten können.

Wir kennen keinen Weg, der aus der HEC zurück auf die Erde (on premise) führt und ein funktionierendes SAP-System garantiert. Wer operativ erfahren will, wie wichtig eingefrorene, funktionsfähige SAP-Systeme sind (auch mit stillgelegten Lizenzen und aufgekündigtem Support), kann bei der gescheiterten Drogeriemarktkette Schlecker vorbeischauen.

HEC ist für R/3- und ECC-6.0-Bestandskunden ein Desaster! Das haben die meisten Anwender in Europa verstanden, dennoch ändert SAP nicht die Strategie oder bietet Lösungsvorschläge an.

Damit drängt SAP viele Kunden zum nächsten logischen Schritt: mit den eigenen Lizenzen in eine Amazon-, IBM- oder Microsoft-Cloud.

Der AWS-Summit in Berlin war ein großer Erfolg. Drei meiner Mitarbeiter waren vor Ort, um die Lage für ein Private-Cloud-Computing mit Private-SAP-Lizenzen zu sondieren.

HEC und auch HCP (Hana Cloud Platform) sind der Verlust jeder Autonomie. Und nicht nur viele SAP-Kunden erkennen dieses Damoklesschwert, das hier aus der Wolke schaut. Auch Salesforce-, SuccessFactors, Hybris und viele andere mehr bieten Applikationen aus der Wolke an, die nach Kündigung der Cloud-Subskription nicht mehr zur Verfügung stehen – damit sind dann aber auch die Daten wertlos.

Meine Antwort:

Mit den eigenen SAP-Lizenzen (Kaufsoftware) in die AWS und eine hybride ERP-Architektur aufbauen. Interessant war in diesem Zusammenhang eine Aussage der Kanzlei und des Analysten von Osborne Clarke auf unserem Londoner CIO-Meeting:

„Kaufsoftware ist so zukunftsträchtig wie eine VHS-Kassette.“

Ich protestierte lautstark und gab zu bedenken, was in einer Post-Cloud-Periode zu geschehen hat. Ich erinnere mich an eines meiner wichtigsten Lehrbücher aus einem sehr lang zurückliegenden Informatik-Studium: Algorithmen und Datenstrukturen von Professor Niklaus Wirth.

Heute sage ich, dass Applikationen und Daten gekapselt sind und damit das Triumvirat Lizenzen, Algorithmen und Daten unauflösbar zusammengehört.

Wenn also SAP kein nachhaltiges Konzept für eine Post-Cloud-Ära anbietet, ist der Schritt in die Wolke aus betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und juristischen Gründen nicht zu verantworten.

Einhergehend mit Cloud Computing muss auch eine offene und transparente Diskussion über Lizenzen und Support beginnen. Es muss Exit-Strategien geben, die organisatorisch und juristisch wasserfest sind.

Eine banale Forderung, die jeder Projektleiter befolgt, die aber offensichtlich bei meinen Walldorfer Freunden noch nicht angekommen ist. Ein kurzer Telefonanruf bei meinem Kollegen im DSAG-Vorstand hat gezeigt, dass auch dort kein Diskurs über das Thema Post-Cloud-Ära existiert.

Höchste Zeit, bis zum Jahreskongress in Nürnberg eine Themengruppe zu installieren, denn es wird eine Zeit nach dem Cloud Computing geben. Versprochen!

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Unser geheimnisvoller, anonymer Kolumnist.


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