Indirekte Nutzung: Was Kompliziertes noch komplizierter macht
Das Thema „indirekte Nutzung“ ist aus zwei Perspektiven zu betrachten: Auf der einen Seite geht es darum, dass Anwender SAP-Software direkt oder indirekt nutzen. Dafür benötigt man je nach Nutzung ein entsprechendes Nutzungsrecht in Form einer „Named-User-Lizenz“.
Auf der anderen Seite gibt es Applikationen, die SAP-Technologie nutzen. Dafür sollen SAP-Kunden ein entsprechendes Nutzungsrecht für die „SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications“ bei SAP erwerben.
Anwenderperspektive
Bei der Nutzung durch den Anwender ist der Fall vergleichsweise einfach. Hierbei geht es aus Sicht der SAP um Missbrauchsverhinderung. Sie verlangt, dass jeder, der SAP-Software nutzt, dafür ein entsprechendes Nutzungsrecht besitzt – unabhängig davon, wie auf die SAP-Software zugegriffen wird.
Das ist zunächst nachvollziehbar und verständlich. Als Beispiel wird häufig Salesforce.com angeführt.
Wenn SAP-Kunden sich gegen die CRM-Lösung von SAP entscheiden und stattdessen Salesforce.com an ihre SAP-Systeme anschließen, werden unter Umständen trotzdem SAP-Funktionen (zum Beispiel aus dem SD-Modul) genutzt. Dafür verlangt SAP ein Nutzungsrecht.
Es liegt nun beim SAP-Kunden festzustellen, ob der Anwender bereits eine ausreichende Named-User-Lizenz hat. Hat ein Mitarbeiter etwa bisher nur eine sogenannte Employee-Lizenz, dann reicht diese nicht aus, um auf das SD-Modul über Salesforce.com zuzugreifen.
In diesem Fall müsste eine „SAP Professional User“-Lizenz nachgekauft werden und die vorhandene Employee-Lizenz könnte von einem anderen Mitarbeiter genutzt werden.
Komplizierter wird es bei der „SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications“-Lizenz. Das Thema ist nicht neu, sondern wird seit 2015 bei SAP-Systemvermessungen durch den SAP-Vertrieb verstärkt platziert.
NetWeaver Foundation for Third Party Applications
Seit der Einführung von NetWeaver hat sich die Beschreibung immer wieder geändert. Hier beginnt die Schwierigkeit: Welche der unterschiedlichen Beschreibungen gelten? Ausschlaggebend ist, wann der Kunde die NetWeaver-Lizenz erworben hat, respektive zu welchem Zeitpunkt er zuletzt SAP-Lizenzen nachgekauft hat.
Hat ein SAP-Kunde vor drei Jahren zum letzten Mal SAP-Lizenzen nachgekauft, so gilt die PKL von vor drei Jahren, aber nicht die von 2015 oder 2016.
Bis einschließlich der PKL 2016/1 haben SAP-Kunden mit dem Erwerb der NetWeaver-Lizenz lediglich das Recht erworben, SAP-Software auf einer SAP-Technologie (NetWeaver-Runtime-Umgebung) laufen zu lassen.
Eigene Applikationen und Applikationen von Drittanbietern erforderten nach Auffassung der SAP ein gesondertes Nutzungsrecht, nämlich das der „SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications“-Lizenz.
Aus juristischer Sicht ist es mehr als fragwürdig, ob neben dem Erwerb der sogenannten Developer-Lizenz tatsächlich noch eine weitere Genehmigung für den Betrieb der Eigenentwicklung einzuholen ist.
Auch für zugekaufte Lösungen muss im Einzelfall geklärt werden, ob das Urheberrecht der SAP verletzt wird.
Seit der PKL 2016/2 und ebenso in der PKL 2016/3, die sich in diesem Zusammenhang nicht mehr verändert hat, geht es gar nicht mehr darum, ob SAP-Technologie genutzt wird oder nicht. Vielmehr geht es um die Nutzung einer SAP-Schnittstelle und um den Zugriff auf Informationen aus SAP-Anwendungstabellen.
Wenn beide Kriterien erfüllt sind und dabei Applikationen von Drittanbietern zum Einsatz kommen, verlangt SAP die besagte „SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications“-Lizenz.
Um herauszufinden, ob man – und mit welcher Applikation – lizenzpflichtig ist, empfiehlt es sich, folgende Analysen durchzuführen:
1. SAP-Vertragsanalyse
Was habe ich wann gekauft und welche PKL (bezüglich der NetWeaver-Nutzung) habe ich damit anerkannt?
Bei mehreren aktiven SAP-Verträgen gelten mitunter unterschiedliche Definitionen – da stellt sich natürlich die Frage, welche wirklich gilt.
2. SAP-Architektur-Analyse und Nutzungsanalyse
Welche Third-Party-Applikation greift über eine Schnittstelle auf welche SAP-Anwendungsdaten zu? Oder wird nur auf eigene Daten in den SAP-Tabellen zugegriffen? Wie viele Benutzer nutzen diese Applikation?
Ob die Applikation auf NetWeaver-Technologie läuft, ist nach der neuesten Definition unerheblich. Diese stellt eine Verschärfung der Definition dar, weil vor der PKL 2016/2 die Applikation auf Basis der NetWeaver-Technologie laufen musste.
Das muss sie nach aktuell gültiger Definition nicht mehr. Um beim Beispiel
Salesforce.com zu bleiben: Bis zur PKL 2016/1 musste „nur“ für Anwender ein Nutzungsrecht erworben werden, ab der PKL 2016/2 muss zusätzlich auch für Salesforce.com die „SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications“-Lizenz gekauft werden.
3. Juristische Prüfung
Nach diesen beiden Analysen, die das maximale finanzielle Risiko ermitteln, sollte eine juristische Prüfung erfolgen. Pro Applikation ist zu bewerten, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt oder nicht.
Nur weil SAP unterschiedliche Definitionen der NetWeaver-Technologie in ihre PKL schreibt, leitet sich daraus noch kein juristisch zu rechtfertigender Anspruch ab.
Das Thema „indirekte Nutzung“ ist bewusst vielschichtig, Eindeutigkeit sucht man vergebens.
Während Vertragsanalyse und juristische Bewertung rein manuelle Tätigkeiten sind, lassen sich System- und Nutzungsanalyse toolgestützt (etwa mit SmartTrack License Control for SAP) durchführen.
Die Systemanalyse der SAP kann angesichts der beschriebenen Problematiken den Tatbestand der indirekten Nutzung nicht ermitteln. Pro Applikation ist jeder SAP-Kunde selbst gefordert zu ermitteln, ob eine „SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications“-Lizenz erforderlich ist oder nicht.
Es bleibt spannend, wie sich die „indirekte Nutzung“ in Zukunft weiter entwickeln wird – vor allem aber, ob SAP die 2015 begonnenen massiven Nachforderungen an ihre Kunden fortsetzen wird.