Genial daneben!
Es gibt bei SAP ein ungeschriebenes Datengesetz: Keine doppelte Datenhaltung! Im ersten Ansatz klingt das sehr vernünftig, im praktischen IT-Leben weniger. Für Hasso Plattner ist es ein IT-Dogma.
Betrachtet man die erfolgreiche Geschichte von SAP, ist es offenkundig: Der zentrale Datenbankserver im dreistufigen Client/Server-Modell ist die wesentliche Architekturkomponente.
Mit Hana ist nun SAP sogar noch einen Schritt weitergegangen: Hana ist nicht nur eine SQL-Datenbank, sondern als Plattform die Infrastruktur für ERP, CRM, Logistik, SCM etc. Hana geht über die reine Funktion einer Datenbank hinaus – was aber die Forderung nach einer zentralen Datenhaltung nicht einfacher macht.
Plattners Dogma von der zentralen Datenhaltung ist im ersten Ansatz auch unabhängig von der Technik, ob die Datenbank festplattenbasiert oder in-memory ist, und auch unabhängig von der Infrastruktur, ob on-premises oder als Cloud Computing.
Aber auch bei SAP musste man erkennen, dass jede Regel nur so gut sein kann, wie das reale Leben es erlaubt. In einer heterogenen IT-Landschaft lässt sich das Dogma nur sehr schwer aufrechterhalten.
Kompromisse werden notwendig. Letztendlich mutierte die „zentrale Datenhaltung“ zu einem esoterischen Konzept, das in der Praxis nicht standhält.
Weil auch bei SAP die Herausforderungen unterschiedlicher Datensilos verstanden wurden, entwickelte man das Konzept des SAP’schen Data Hubs – auch hier wieder auf dem Papier und in der Theorie ein genialer Wurf: Nachdem sich die Singularität der Datenhaltung nicht aufrechterhalten lässt, versucht SAP es mit einem „verlinkten“ System aus Referenzen.
Weiterhin werden die Daten selbst nicht bewegt, sondern bleiben einzigartig in ihren Silos. Braucht eine Applikation die Daten von einer anderen App, gibt es kein „Copy and Paste“, sondern eine Referenz und die fragende App „fühlt“ sich nun im Besitz der Daten! Genial daneben!
Damit dieses Referenzsystem funktioniert, muss die angefragte App die gesamte „Datenaufbereitung“ für die fragende App abwickeln – denn die Daten selbst sollen ja nicht bewegt werden.
Die fragende App wird damit kein Problem haben, aber die angefragte App könnte Stresssymptome zeigen: Bekommt die angefragte App viele Datenwünsche übermittelt, erhöht sich der Workload dramatisch und der Server der App arbeitet nur noch im Auftrag zahlreicher anfragender Applikationen.
Ob das der Weisheit letzter Schluss ist? Interessanterweise gibt es bei SAP selbst bessere Konzepte aus dem Open-Source-Bereich, die aber oft nur am Rande erwähnt werden.
Wir haben unsere Basisleute schon sehr früh angehalten, sich mit den Datenkonzepten aus dem Open-Source-Bereich zu beschäftigen. Der Erfolg gibt uns recht und auch die Existenz eines SAP Hana Spark Connectors. Somit fahren meine Basisleute nicht nur regelmäßig zur SAP TechEd, sondern auch zu den einschlägigen Open-Source-Veranstaltungen wie Cloud Foundry Summit etc.
TechEd: Meine Basisleute haben mir berichtet, dass es einen neuen API-Layer gibt, der SAP Graph heißt, auf SAP Graph beruht, aber nicht SAP Graph ist! Genial daneben!
In meinem sehr lang zurückliegenden Informatikstudium hatte ich eine Vorlesung zum Thema Graphentheorie – sehr interessant, damals aber auch noch sehr theoretisch. Mein Erstaunen war demnach umso größer, als ich vor einigen Jahren eine Graph-Engine in Hana entdeckte.
Neben den relationalen Tabellen beherrscht Hana auch die Funktion einer Graph-Datenbank. Nun baut SAP offensichtlich auf dieser Graph-Engine ein semantisches Datenmodell, das als API den Zugriff – ähnlich wie SAP Data Hub – auf SAP-Daten konsolidieren soll.
Dieser API-Layer wird SAP Graph genannt, um ganz sicher alle SAP-Hana-Fans und Basisleute sowie App-Entwickler zu irritieren – genial daneben!
Weil ich diesmal als Motto „Genial daneben!“ gewählt habe, auch noch ein Zitat von Ex-CEO Bill McDermott:
„Ich habe noch mindestens dreißig Jahre, in denen ich arbeiten kann. Ich bin sehr gerne Vorstandschef. Wenn ich achtzig bin und genug habe, kann ich mir immer noch überlegen, ob ich mich in Politik und Gesellschaft einbringe.“
Sagte er am 10. April dieses Jahres in einem Interview der FAZ.