Experience Management erfordert Paradigmenwechsel
Spätestens seit dem vor zwei Jahren getätigten acht Milliarden Dollar teuren Kauf des US-amerikanischen Enterprise-Feedback-Management-Spezialisten Qualtrics ist auch bei SAP das Thema Customer Experience Management strategisch positioniert. So sind denn auch alle in irgendeiner Weise mit Kunden, Vertrieb und Marketing zusammenhängenden Themen in einem übergeordneten CX-Bereich (Customer Experience) gebündelt. Der Kauf von Qualtrics ergibt schon allein deshalb Sinn, weil das Unternehmen in seinem Bereich weltweit marktführend ist. Die Krux besteht nun aber darin, die herkömmlichen Analysen von operativen (O-)Daten mit Experience-(X-)Daten zu verknüpfen. Es braucht nämlich bei der Beurteilung des Erfolgs oder Misserfolgs eines Unternehmens ein Umdenken.
Key-Performance-Indikatoren (KPI) zu Umsatz, Profitabilität, Wachstum etc. sind zwar für Firmen relevant, nicht aber für deren Kunden. Mit KPI misst man zwar die Leistung des Kunden für das Unternehmen, nicht aber die Leistung des Unternehmens für seine Kunden. KPIs müssen deshalb von Customer Performance Indicators (CPI) begleitet werden. Bei diesen Kennzahlen geht es darum, welche Faktoren Kunden bei ihrem Kaufentscheid beeinflussen. Die üblichen Weiterempfehlungswerte (NPS, Net Promoter Score) reichen dabei nicht aus. Ob jemand ein Unternehmen weiterempfehlen würde oder nicht, ist zwar interessant, sagt aber noch nichts über die Motive aus. Vielmehr müssen Erfahrungen an einzelnen Berührungspunkten, im Beispiel des Einzelhandels sind dies Filialen, Kundendienst, Internetshops etc., betrachtet werden. Schnelle Angebotserstellung, Flexibilität hinsichtlich Bezahlmöglichkeiten, Durchlauf- und Bearbeitungszeiten und vieles mehr sind heute ausschlaggebend für die Kaufentscheidung.
Um auf die Interaktion zwischen Kunden, Unternehmen, Produkten, Services und nicht zuletzt der Mitarbeitenden reagieren zu können, bedarf es deshalb einer umfassenden Analyse der Customer Experience. Denn es geht nicht nur um einzelne Touchpoints in einer Customer Journey, sondern darum, Erfahrungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Wie müssen die einzelnen Berührungspunkte für bestimmte Personengruppen gestaltet werden, damit diese positive Auswirkungen haben? Welche Personenmerkmale sind für die einzelne und überdauernde Kundenzufriedenheit relevant? Wie wirken sich Einzelerfahrungen auf die Gesamterfahrung eines Kunden mit dem Unternehmen auf sein Verhalten aus? Die Werkzeuge von Qualtrics können dabei helfen, Kundenmeinungen und -Feedback einzuholen. Erst aber mit einem umfassenden Wissen der Customer Experience können die gesammelten Daten auch sinnvoll verwertet werden. Dazu muss die Software in die bestehenden Prozesse integriert und an den entscheidenden Stellen integriert werden. Ebenso wichtig sind auch Daten zu den Erfahrungen der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen. Denn zufriedene Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, sind entscheidend für die Kundenzufriedenheit – und umgekehrt.
Es genügt also nicht, sich auf einzelne Produkt- und Service-Bewertungen zu beschränken. Wenn man das Kundenverhalten beeinflussen möchte, bedarf es über die Analyse der Customer Experience und die gezielte Integration von Tools hinaus auch externer, etwa forschungsbasierter Daten und eines wirtschaftspsychologischen Backgrounds. Das Verhalten von Menschen ist komplex, es braucht deshalb für dessen Analyse Daten über die Zusammenhänge von Erleben und Verhalten. Ein erfolgreiches Experience Management ist eine Herausforderung. Denn mitsamt diesen neu zugänglichen Daten müssen auch bestehende Betriebs- oder Erfahrungsdaten verknüpft werden. Es braucht ein Umdenken und einen kulturellen Wandel in den Unternehmen selbst. Die Coronapandemie hat gerade dem Einzelhandel exemplarisch vor Augen geführt, wie schnell sich Kundenverhalten ändern und die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen kann.