Digitale Transformation mit S/4 Hana
Wir durchleben derzeit einen tiefgreifenden Wandel, die digitale Transformation in einer globalen Welt. Die Transformation macht vor keinem Wirtschaftszweig halt. Angetrieben durch ein Bündel neuer Technologien, stellen Unternehmen ihre gesamten Geschäftsprozesse und -modelle auf den Prüfstand, um diesen Wandel proaktiv zu gestalten, allerdings meist ohne konkrete und greifbare Ziele vor Augen zu haben. Nur eines ist den Unternehmen gewiss: Wachstum und Bestand am Markt haben allerhöchste Priorität. Die technischen Möglichkeiten lassen jede Gestaltungsfreiheit zu, neue Geschäftsmodelle zu erfinden. Dabei spielt S/4 Hana eine zentrale Rolle, und zwar als universelle ERP-Plattform für den Transformationsprozess. SAP legt eine rasante Rotationsgeschwindigkeit vor, mit der sie diese Plattform richtungsweisend treibt und ausbaut.
S/4-Reifegrad
Digitization, Mobilization, Datafication, Automation, Augmentation, Platformization, Virtualization – digitale Transformation ist ein Prozess. Das Zukunftsbewusstsein und die Wege der Erkenntnis dorthin schaffen wir uns selbst: eine Kernaussage von Futurist Gerd Leonhard auf der diesjährigen DSAG-Jahreskonferenz zur aktuellen Entwicklung. Sicher ist, wir können uns dem Sog ins digitale Zeitalter nicht mehr entziehen. Trotz der immer noch nicht ausgeräumten Zweifel an der Produktreife von S/4 Hana – schauen wir uns nur einmal die mehr als 200 Seiten umfassende produktbegleitende Aufzählung der Ausschlüsse und Besonderheiten an („Simplification List“ genannt) – sind dennoch gemäß der PAC-Studie (S/4-Hana-Relevanz für deutsche Unternehmen 2015) 62 Prozent der SAP-User überzeugt, dass S/4 Hana von strategischer Bedeutung und ein Umstieg unvermeidlich ist. SAP gibt dieser Einschätzung auch entsprechenden Nachdruck, indem vorsorglich zum Jahr 2025 die Wartung für die Vorgänger-Releases aufgekündigt wurde. Weiterentwicklungen jenseits gesetzlicher Anforderungen sind somit nicht mehr zu erwarten. Genau diese Haltung ist mittlerweile auch auf dem Markt zu spüren.
Fakt ist interessanterweise auch: S/4 Hana wird nicht mehr ohne das Internet of Things (IoT) gedacht. Die Zeiten der Einführung eines monolithisch gedachten ERP-Systems gehören endgültig der Vergangenheit an. Vielmehr geht es darum, die differenzierten Entwicklungswege in die S/4-Hana-Plattform zu verbinden mit den Entwicklungswegen in die digitale Welt. Bei vielen Unternehmen steht das Selbstvertrauen noch auf wackeligen Füßen, um selbstbewusst eine mehrjährige Roadmap in die digitale Welt zu definieren. Somit werden „Komplexitätsversteher“ händeringend am Markt gesucht. Die SAP-(S/4)-Hana-Dienstleister, die diese verknüpfte Entwicklung frühzeitig erkannt haben und ihre Kunden auch visionär auf einem nachhaltigen Weg in die digitale Zukunft begleiten können, haben eine gute Startposition in die „schöne neue Welt“. Folgerichtig setzen sie bei den kundeneigenen E2E-Prozessen an und – angereichert mit dem Wissen um die jeweiligen Nutzenpotenziale aus dem neuen technologischen Schlaraffenland – bieten pragmatische, unternehmensgerechte Zukunftsvisionen an. Genau das ist es, was der Markt jetzt braucht.
Tendenziell führen die ersten S/4-Hana-Erfahrungen zu der Hypothese: Die klare Zielbestimmung und Positionierung in der IoT-Welt ist ein wesentlicher Garant für eine ganzheitliche S/4-Hana-Roadmap und die erfolgreiche SAP-S/4-Hana-Einführung. Der Erfolg definiert sich durch die zielgerichtete Nutzung der vielfältigen Möglichkeiten und die Beherrschung derselben. Die technischen Möglichkeiten lassen es zu, Prozesse über Systemgrenzen hinweg komplett durchgängig zu denken oder gar komplett zu transformieren. Das Internet of Things (IoT) und S/4 Hana stehen in direkter Wechselwirkung zueinander, neue Prozessmodelle in der IoT-Welt können also die Prozess- und Reportingwelten in der klassischen ERP-Welt massiv verändern. Die Verarbeitung von Daten aus dem Internet z. B. per SAP HCP und HCI, das in S/4 Hana eingebettete Business Warehouse, sowie einfache Zugänge zur hier beispielhaft benannten Predictive Analytics Library ermöglichen einfache Massendatenverarbeitung, Vorhersagen und Simulationen, die ihrerseits im ERP-System prozessändernd wirken. Je mehr man die Nutzenpotenziale dieser Art ausschöpfen möchte, desto größer ist der Harmonisierungsanteil des Projektes. Und je deutlicher Klarheit und Einigkeit darüber besteht, wohin sich das Unternehmen entwickeln möchte, desto eindeutiger lässt sich definieren, wie die neuen S/4-Hana-Möglichkeiten gestaltet werden sollen.
Welche Auswirkung hat nun die Erkenntnis der sich gegenseitig bedingenden Abhängigkeit von S/4 Hana und der IoT-Welt auf eine S/4-Hana-Roadmap? Wie sehen die einzelnen Projektphasen bei einer S/4-Hana-Einführung aus und in welchem Verhältnis stehen technische Migration und Prozessharmonisierung zueinander? Je größer und weitreichender der Harmonisierungswille der Unternehmen ist und je komplexer die Projektanforderungen sind, desto umfassender ist der Projektanspruch und spricht für risiko-geclusterte Folgeprojekte in der Roadmap. Ein Trend bei DAX-gelisteten Unternehmen ist die Trennung des technischen Upgrades vom organisatorischen Wandel sowie die Prozess- und Werteflussharmonisierung. Das Design des künftigen Prozesshauses geht meist einher mit der Analyse, welche verknüpften Technologien künftig in der IoT-Landschaft genutzt werden. Wie positioniert sich nun S/4 Hana in der On-premise- oder Cloud-Welt? Die S/4-Hana-Landschaft bietet eine variationsreiche, mehrgleisige Prozesslandschaft an sowohl im digitalen On-premise-Kern als auch im Rahmen der Cloud-Lösungslandschaft (die Kombinatorik derselben inbegriffen) – beide Wege sind vorstellbar. Genau diese Variationsbreite in den technischen Komponenten und Prozessen auf der Suche der Unternehmen nach dem goldenen Weg ist aktuell einer der eklatantesten Aufwandstreiber in S/4-Hana-Projekten. Die Erkenntnis um die Komplexität ist derzeit ein nicht zu unterschätzendes Hindernis, ein S/4-Hana-Projekt überhaupt zu starten. Gemäß zitierter PAC-Studie halten 78 Prozent der Befragten den Aufwand für schwer einschätzbar.
S/4-Roadmap – Handlungsalternativen
Wenn bis zur Freigabe der S/4 Hana Enterprise Management Version November 2015 der Markt noch abwartend auf das neue Produkt S4 reagierte, so ist mittlerweile viel Bewegung erkennbar. Gerd Leonhard konstatierte schlicht auf der DSAG-Jahreskonferenz 2016: Transformation – erst ganz langsam und dann sehr schnell. In Anbetracht der Unsicherheit der Unternehmen über die S/4-Hana-Produktreife, die Komplexität der S/4-Hana-Technologie und abhängig vom erwarteten Nutzen zeichnen sich bei den Unternehmen je Unternehmensgröße zwei präferierte Vorgehensmodelle ab: DAX-gelistete Unternehmen säumen ihre Roadmap mit zielgerichtet ausgelegten Proof of Concepts (PoC), um sich schrittweise der eigenen Zukunftsperspektive anzunähern. Derzeit entstehen viele große Programme, die die eigene Applikations- und Prozesslandschaft auf den Prüfstand stellen. Häufig stehen dezidierte Fragestellungen im Vordergrund: Wie lässt sich die komplexe Applikationslandschaft mit minimiertem Risiko vereinfachen? Welche Prozessanpassungen werden für künftige Businessmodelle benötigt und steigern die Unternehmenseffektivität? Welche Datenbasis wird mit welcher Datengranularität benötigt, um zentral auswerten und proaktiv steuern zu können? Zentrales Element bildet dabei die SAP-Central-Finance-Komponente, die eine einfachere Systemlandschaft vorbereitet, ohne bestehende Systeme aus der Alt-Landschaft zu beinträchtigen. Über eine einzige Instanz werden umfangreiche Finanzinformationen auf Einzelbeleg- und Positionsebene in Echtzeit auswertbar gemacht und einem universellen Berichtsdaten-Modell zur Verfügung gestellt. Parallel kann organisatorisch standardisiert werden, eine gemeinsame Business- und IT-Sicht zum künftigen S/4-Hana-Projekt entwickelt werden, die Projektziele definiert und über Proof of Concept und Business Case überprüft werden inklusive eines belastbaren Target-Operating-Modells mit der Aussicht, mittelfristig die Quellsysteme durch S/4 Hana abzulösen.
Mittelständische Unternehmen hingegen, meist angetrieben durch klare Wachstumsziele, wagen immer häufiger den direkten Schritt in die Umsetzung – zu groß ist der Druck, den Wachstumsanforderungen globalisierter Märkte zeitnah zu entsprechen. Klar definierte Organisationsmodelle und Kernprozesse sowie eine flexibel erweiterbare Applikationslandschaft bilden die Randbedingungen für die Projekte. Dazu passt der Ansatz von SAP, vom klassischen Implementierungsmodell Design – Build – Operate abzurücken, bei dem bisher ein großer Bedeutungsgehalt in die Definition des Konzeptes gelegt wurde. Motiviert nehmen mittelständische Unternehmen das neue agile Vorgehensmodell SAP Activate an, um Zeit und Kosten zu sparen. Idee des Modells ist, ausgehend von ausgereiften Best Practices eine Fit-Gap-Analyse zu machen, auf deren Basis dann in kleinen, kurzfristigen und iterativen Schritten die Lösungsansätze in überschaubaren Projektteams erarbeitet und zu einem Gesamtmodell zusammengefügt werden. Größte Herausforderung dabei stellt der Reifegrad der Best Practices dar. Gut für Kunden, deren Kern- und Schlüsselprozesse Teil der Best Practices sind. Die ersten S/4-Hana-Erfahrungen nähren die Hypothese: Einführungsqualität, -kosten und -zeit bei einem S/4-Hana-Projekt sind abhängig vom Fit/Gap der Best Practices und den kundeneigenen Prozessanforderungen. Prozesslücken in den Best Practices können dazu führen, dass Taskforces das agile und iterative Vorgehensmodell in Teilen aushebeln, um ein mögliches Lösungsmodell zu definieren. Zeitintensive kundeneigene Lösungsansätze müssen definiert werden. Die vorhandenen SAP-Lösungselemente in unterschiedlichen Komponenten und Fremdlösungen müssen miteinander abgeglichen werden, Konzepte definiert und Prototypen erstellt werden, die dann ihrerseits Eingang finden müssen in das Gesamtkonzept. Eng definierte Zeitpläne stoßen dann an ihre Grenzen. Das kostet neben Zeit und Geld auch Vertrauen in das neue SAP-Konzept. Mit Lösungskomponenten, die durch die Simplification List ausgeschlossen werden aus den SAP-Standards, sieht der Weg zu einem alternativen Lösungskonzept kaum anders aus. Fakt ist, SAP Activate ist so lange ein modernes und funktionierendes Lösungsmodell, solange Standards verwendet werden können und kein Anspruch an die Flexibilität der Lösungsangebote gestellt wird.
Fazit
Der Weg in die digitale Welt läuft über S/4 Hana als strategischer Backbone für neue Geschäftsprozesse. Die Wege in die Realisierung kranken noch an der Lückenhaftigkeit des Produktes. Aber sicher nicht mehr lange.