Die geheime SAP-Strategie
SAP steht gewaltig unter Druck. Die gewachsene Harmonie und das Vertrauen zwischen Bestandskunden, Partnern und der Community sind verblasst.
Mobile, Cloud und In-memory Computing erregen Aufmerksamkeit, bringen aber mehr Unruhe als Umsatz.
Die SAP-Bilanz lässt sich nur noch durch Non-IFRS-Kennzahlen retten, wie Journalistin Sabine Gusbeth von „Euro – Das Magazin für Wirtschaft und Geld“, Ausgabe 3/2016, auf Seite 33 schreibt:
„Der Softwarekonzern SAP meldete Ende Januar vorläufige Zahlen für 2015: Betriebsergebnis im Gesamtjahr (Non-IFRS) steigt um 13 Prozent. Das Betriebsergebnis (IFRS) dagegen war um zwei Prozent gefallen, der Gewinn nach Steuern sogar um sieben Prozent.
Herausgerechnet werden bestimmte Kosten für Akquisitionen, Restrukturierungen und Rechtsstreitigkeiten. Immerhin: Auf seiner Internetseite weist der Softwarekonzern darauf hin, dass die selbst definierten Non-IFRS-Kennzahlen nur begrenzt aussagefähig sind sowie die eliminierten Beträge für SAP wesentlich sein könnten.“
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, mag hier so manchem Leser durch den Kopf gehen. Selbst konstruierte Non-IFRS-Zahlen sind kontraproduktiv, weil sie den Bestandskunden und Partnern die Orientierung rauben.
Hilfe kommt vom Anwenderverein DSAG:
Die Investitionsumfrage 2016 zeichnet ein realistisches Bild von den Plänen und Wünschen der deutschsprachigen SAP-Community.
Zusammenfassen lässt sich das Ergebnis mit einer fast einstimmigen Ablehnung von S/4, großer Skepsis bei Hana und vollkommenem Unverständnis für HEC und HCP (Hana Enterprise Cloud und Hana Cloud Platform).
Die zwei wichtigen strategischen Richtungen der SAP – Cloud und In-memory Computing – werden laut DSAG-Investitionsumfrage gnadenlos abgestraft.
Eine weitere „Orientierungshilfe“ für die SAP-Community kommt von den Analysten von Gartner, die erhoben, dass die veröffentlichten Cloud-Zahlen aller großen IT-Anbieter kaum einer tieferen Prüfung standhalten.
Wie gefährdet ist somit der Bestand und das Geschäftsmodell von SAP? Überraschende Antwort: In keiner Weise!
SAP dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sehr erfolgreiche Zukunft vor sich haben.
Die selbst konstruierten Non-IFRS-Zahlen und das Eigenlob auf der diesjährigen Bilanzpressekonferenz in Walldorf sowie auf dem Capital Markets Day in New York City Anfang Februar dienen der Ablenkung und Verschleierung.
Der Plan zu noch mehr Umsatz, Gewinn und Reichtum ist ein anderer!
Die Antwort findet sich im IT-Stack, dessen oberste Ebene SAP als globaler ERP-Marktführer bereits mit R/2 eroberte und seither mit R/3, ERP/ECC 6.0 und der Business Suite 7 massiv ausgebaut hat.
Hier droht keine Gefahr. SAP ist ERP-Monopolist. Dieses erfolgreiche Geschäftsmodell verspricht aber auch kein spektakuläres Wachstum mehr: Aber unter dem ERP gibt es noch Schichten, die es zu erobern oder zu eliminieren gilt – damit letztendlich für die oberste Ebene mehr Budget bleibt.
Aus dem Stack darunter muss die Luft raus, denn die IT-Budgets werden nicht mehr dramatisch wachsen.
Was ist Hana?
Eine disruptive Innovation oder ein Giftpfeil für Oracle, DB2 und SQL-Server? Naturgemäß ist Hana eine ausgezeichnete In-memory-Computing-Datenbank, aber noch wichtiger ist die strategische Komponente: Mit attraktiven Lizenzmodellen drängt man die anderen Datenbank-Anbieter aus dem Markt und erobert ein weiteres Stück von IT-Stack.
Warum werden so viele Server-Lieferanten für Hana zertifiziert?
Je höher die Mitbewerberdichte ist, desto niedriger sind die Hana-Server-Preise. Hier spart der SAP-Bestandskunde. Es bleibt – theoretisch – mehr Budget für S/4.
Und die SAP-Liebe zu Open Source wie Linux, Open Stack, Cloud Foundry und Ceph?
Wird ehrlich betrieben, hat aber einen anderen Hintergedanken: SAP will jede neue Abhängigkeit seiner Bestandskunden von anderen namhaften IT-Anbietern verhindern.
Cloud – ja, aber entweder die eigene mit Open Stack und Cloud Foundry, aber nicht AWS, Microsoft oder Google. Ceph und Commodity-Hardware ist noch keine Gefahr für NetApp und EMC.
In den kommenden Jahren wird sich dieses Bild ändern. Dann ist der ganze Big-Data-Stack ein Open-Source-Projekt und Hana bedient sich dessen mittels Hadoop.
Vorläufig letzte und bald schon erfolgreichste Speerspitze der SAP ist der legendäre SolMan, um damit den gesamten IT-Stack zu dominieren.
Bisher ein Schweizer-IT-Messer, um die SAP-Infrastruktur zu verwalten, ist die Version 7.2 ein Machtanspruch, um vom Support über Business Process Management und Compliance bis hin zum Testen alle Funktionen einer Management-Suite anzubieten.
Warum wurde der Vertrag für HP OpenView gekündigt? Warum wurde Aris zum Unwort in Walldorf?
Alles zielt darauf ab, unnötige Mitbewerber aus dem IT-Stack zu vertreiben und mit dem Triumvirat NetWeaver, Hana-Plattform und SolMan die perfekte ERP-Architektur anzubieten.
Wenn SAP mit niemandem mehr den IT-Stack teilen muss, geht der Plan auf, dass der IFRS-Umsatz und -Gewinn wieder steigen.