Bimodales Walldorf
Die Analysten von Gartner haben es erfunden: die bimodale IT. Zwei Zustände gleichzeitig in einem System:
Modus eins ist der traditionelle Weg – langsam, sicher, evolutionär. Eine IT mit einem starken CIO, der auf Sicherheit, Budget und Stabilität schaut.
Modus zwei ist das kreative Chaos. Hier darf jeder mitreden und der CIO muss es orchestrieren. Was heute gut ist, darf morgen von der Festplatte gelöscht werden.
Entwicklung und Anwendung passieren gleichzeitig. Nicht mehr die Großen fressen die Kleinen (Modus eins), sondern die Schnellen überholen die Langsamen (Modus zwei).
In der IT-Szene ist das neue Gartner-Paradigma schwer angesagt: Planung wird durch Irrtum ersetzt. Diese bimodale IT ist einem antiautoritären Erziehungsstil nicht unähnlich: Der CIO weiß genau, was notwendig ist (Elternrolle), aber die Anwender (Kinderrolle) dürfen machen, was sie wollen.
Die SAP-Bestandskunden wissen genau, was gut und richtig ist. Aus einer langen R/2- und R/3-Leidenserfahrung sind viele mit ERP 6.0 in einem sicheren Hafen angekommen.
Die Odyssee schien zu Ende zu sein, die Bestandskunden sollten keine Dulder mehr sein, wie es der arme Odysseus während seiner Irrfahrt war. Kurze Zeit schien es so, dass Walldorf ein glücklicher Ort sein könnte. Dann aber erwachte der schizophrene Geist der SAP!
Während sich viele SAP-Bestandskunden am R/3-Enterprise-Nachfolger ERP 6.0 erfreuten, erfand man in Walldorf neue Gemeinheiten.
Einen Zufriedenheitsmodus wollte SAP nicht gelten lassen und erhöhte die jährliche Pflegegebühr auf 22 Prozent, empfahl nach ESA zuerst SOA dann ESR, baute eine neue Datenbank und machte diese zur Plattform, schließlich präsentierte man den Nachfolger der Business Suite 7 mit der leicht verwirrenden Bezeichnung S/4 – eine absolut erratische Reihe: R/2, R/3, ERP 6.0, S/7 und nun S/4.
Der Sorgfaltspflicht (Modus eins) der SAP-Bestandskunden stehen die disruptiven Innovationen (Modus zwei) der Walldorfer gegenüber. Eine bimodale IT gibt es in der SAP-Community seit über zehn Jahren!
Man hat sich an den Zustand gewöhnt, dass die Unternehmens-IT zwar ein stabiler und verlässlicher Faktor sein muss, SAP hingegen jede Dummheit und Revolution ausleben darf.
Der Mathematiker definiert eine bimodale Verteilung als Wahrscheinlichkeits- oder Häufigkeitsverteilung mit zwei Modi. Die Wahrscheinlichkeit, in Walldorf auf schizophrenes Verhalten zu stoßen ist sehr hoch:
Oracle oder Hana, on premise oder Cloud Computing, Java oder Abap, S/7 oder S/4, Hana auf Intel Xeon oder IBM Power etc. etc.
Jüngster Streich aus Walldorf: S/4 ist kein rechtlicher Nachfolger irgendeiner existierenden SAP’schen ERP-Software. Es gibt demnach keinen sicheren Weg von A nach B. Was im Modus eins funktioniert, muss noch lange nicht für Modus zwei gelten.