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Acht Herausforderungen bei der SAP-Lizenzverwaltung

SAP überlässt es den Kunden schon immer, SAP-Userlizenzen gemäß Vereinbarung (Vertrag) manuell zu vergeben. Schwammige Beschreibungen, was ein SAP-User mit einem Lizenztyp machen darf und was nicht, machen die Vergabe nicht leichter.
Guido Schneider, Aspera
31. März 2016
Lizenzen
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In den vergangenen Jahren sind die Transparenz und damit der Überblick über die genutzte und benötigte SAP-Lizenz durch neue Produkte sowie „neue“ Lizenzmetriken (Hana-Lizenzierung, SAP-Engines, indirekte Nutzung oder Cloud) völlig verloren gegangen.

Viele SAP-Kunden hat das nicht gestört: Sie hatten ja den „besten SAP-Vertrag“ und die „besten Konditionen“. Warum sollten sie also bei der Lizenznutzung näher hinsehen?

Heute zeigt sich, dass sie dies besser getan hätten. Denn nun stehen sie in puncto SAP-Lizenzmanagement vor zahlreichen Herausforderungen. Und diese lassen sich mit den SAP Audit-Tools oder manuellen, Excel-basierten Lösungen nicht ansatzweise lösen.

Der SAP-Lizenzbedarf (Nutzungsrechte) richtet sich 1:1 nach der Nutzung der SAP-Systeme, die sich – wie man dies von der SAP-Benutzer- und SAP-Rollen-Verwaltung schon lange weiß – ständig ändert.

1. SAP-Lizenzkäufe basieren auf Schätzungen der zukünftigen Nutzung.

Bei der Neueinführung von SAP-Produkten wird in der Regel nie der vorhandene kundeneigene Lizenzbestand berücksichtigt. Dies liegt daran, dass der SAP-Vertrieb SAP-Kunden sein Angebot auf Angaben hin unterbreitet, die diese im Vorfeld selbst gemacht haben.

Dabei können Kunden vor Projektbeginn (Produkt­einführung) meist gar nicht genau wissen, wie viele Mitarbeiter eine Lizenz benötigen bzw. wer genau diese Mitarbeiter in Zukunft sein werden. Die Folge ist, dass die Anzahl der benötigten Nutzungsrechte geschätzt werden muss.

Und dies führt zwangsweise dazu, dass SAP-Kunden neue SAP-Lizenzen für Mitarbeiter kaufen, die bereits das benötigte Nutzungsrecht besitzen. So ist eine Überlizenzierung meist unumgänglich.

2. Interpretation unterschiedlicher Lizenztypen:

Seit Längerem bietet SAP in ihren Preislisten neue SAP-User-Lizenztypen an. Die Preise für diese Lizenztypen sind gegenüber der teuren „SAP Professional User“-Lizenz extrem attraktiv. Die Beschreibungen sind dies leider nicht.

Denn wie früher auch schon, lassen die Beschreibungen Raum für Interpretationen. Zum Beispiel wird eine genaue Liste, welche Transaktionen ein User mit der entsprechenden Lizenz ausführen darf, nicht mitgeliefert. Wie soll man aber ohne diese Liste entscheiden, welchen Lizenztyp man im Unternehmen benötigt?

Das Erwachen kommt dann meist erst bei der späteren SAP-Systemvermessung, wenn SAP „behauptet“, dass der Lizenztyp für die Nutzung nicht ausreicht. Dann hat man in der Regel die falschen Lizenztypen gekauft und zahlt zusätzlich die teure Wartung, obwohl man diese gar nicht nutzen kann.

3. Vergabe der Named-User-Lizenztypen:

Laut AGB von SAP müssen SAP-Kunden die Lizenzen gemäß Nutzung vergeben. Bevor ein User allerdings SAP verwenden kann, benötigt er die entsprechenden SAP-Berechtigungen. Diese beiden Begriffe werden oft miteinander verwechselt.

Somit kann die Vergabe der Named-User-Lizenzen auf Basis der vergebenen SAP-Rollen ein teurer Spaß werden. Denn jeder, der sich mit dem SAP-Berechtigungswesen auskennt, weiß, dass jeder SAP-User mehr Berechtigungen hat, als er eigentlich braucht.

Dies lässt sich auch nicht effektiv verhindern, weil die Rechte in den SAP-Rollen durch die Anforderungen aus dem Business mit der Zeit ständig zunehmen. Die manuelle Vergabe des Lizenztyps in der SU01 macht die Vergabe durch die sich ständig ändernden Nutzungen aber auch nicht leichter.

Ein Mitarbeiter, der beispielsweise im vergangenen Monat eine „SAP Worker User“-Lizenz brauchte, kann in diesem Monat schon eine „SAP Projekt User“-Lizenz benötigen, weil er die Abteilung und damit seinen Arbeitsbereich gewechselt hat. Diese Veränderungen bekommt die Abteilung der SAP-Basis aber in der Regel nicht mit.

Die Folge: Nutzungsrechte werden falsch vergeben und der Lizenzbestand stimmt nicht mit der tatsächlichen Nutzung überein.

4. Ständige Veränderung des Lizenzbedarfs:

Wie oben beschrieben, ändern sich die Nutzungen der SAP-Systeme ständig. Mitarbeiter scheiden aus, neue Mitarbeiter werden eingestellt oder es ändern sich ihre Tätigkeiten. Der Lizenzbestand, den man heute hat, kann im nächsten Jahr schon der falsche sein. Aber wie soll man diese Veränderungen überwachen? Welche der nicht mehr benötigten Lizenzen können stillgelegt werden?

Das Führen von manuellen Excel-Listen kann diese Fragen nicht beantworten. Dasselbe gilt für die SAP-Engines. Der Bestand bzw. Bedarf steigt – aus Sicht von SAP – ständig. Neue SAP-Produkte ersetzen alte, die nicht mehr weiterentwickelt werden. Die Lizenzen können ggfs. gewandelt werden. Aber wie behält man den Überblick? Was wurde installiert? Was wird noch genutzt und was nicht?

Vor dem Hintergrund, dass immer noch viele SAP-Engines von SAP nicht oder falsch vermessen werden, hilft das SAP-Audit an dieser Stelle nicht.

5. Kaufmännische Herausforderungen:

durch ständige Veränderungen der Preis- und Konditionenliste (PKL): Jedes Quartal erscheint bei SAP eine neue PKL. Die DSAG bemüht sich, die Veränderungen zu dokumentieren.

Aber wer kann alle drei Monate die lange Liste der Änderungen lesen? Von welcher Änderung ist man ggfs. betroffen? Sind die Änderungen relevant? Nun, im Grunde muss einen nur die PKL interessieren, zu der man SAP-Lizenzen nachkauft.

Wenn man allerdings proaktiv seinen Lizenzbestand optimieren möchte, sollte man wissen, wann sich welche Lizenzmetrik geändert hat.

Gibt es das Produkt, das ich vor einem Jahr gekauft habe, noch zu den gleichen Konditionen in der aktuellen Preisliste? Oder muss ich kurz- oder mittelfristig zu einer anderen Metrik wechseln? Ist die neue Metrik für mich günstiger oder teurer?

6. Unspezifische Verträge und PKL:

Selbst wenn man seinen SAP-Vertrag (SAP-Verträge) und die dazugehörige PKL kennt – die Beschreibungen lassen keine eindeutige Interpretation zu. Man weiß im Grunde nie, ob der SAP-Vertrieb (SAP Compliance Abteilung) bei der nächsten Vertragsverhandlung nicht unerwartet mit neuen Forderungen an einen herantritt.

Dies stellt, wie der aktuelle Fall der „indirekten Nutzung“ zeigt, alle SAP-Kunden vor ein unkalkulierbares finanzielles Risiko. Darüber hinaus kommt es auf den Zeitpunkt an, an dem SAP NetWeaver eingeführt wurde.

Frau Renate Thomas-Marcinkowski von der Continental Automotive GmbH hat mich bei unserem letzten Experten-Roundtable in Köln darauf hingewiesen, dass je nach NetWeaver-Lizenzwahl 2007 das Thema „indirekte Nutzung“ komplett abgedeckt sei.

Eine Tatsache, die bestimmt die wenigsten SAP-Vertriebsmitarbeiter oder SAP-Kunden kennen. Dasselbe gilt für das SAP-Produkt „Open Hub“. Die externen Systeme, die über Open Hub angeschlossen sind, sind ebenfalls nicht zusätzlich mit Lizenzen der sogenannten „indirekten Nutzung“ zu versorgen.

Neben der SAP-Vertragsanalyse und der SAP-Systemnutzungsanalyse muss hier erstmalig auch eine SAP-Systemarchitekturanalyse gemacht werden, um den tatsächlichen Bedarf an SAP-Lizenzen zu ermitteln.

7. SAP-Systemvermessung:

Dass man seinen tatsächlichen Lizenzbedarf mit den Audit-Tools der SAP nicht ermitteln kann, sollte inzwischen jedem SAP-Kunden klar sein. Denn die SAP-Audits haben aus Sicht der SAP nur den einen Zweck: mehr Umsatz mit den Bestandskunden zu generieren.

Dass diese Audit-Tools fehlerhaft sind und unter Umständen zu viel berechnen, weil die Benutzerzusammenfassung nicht optimal funktioniert oder die Lizenzkonsolidierung die kundenspezifischen Lizenztypen nicht richtig berücksichtigt, ist kein Geheimnis. Die von vielen Unternehmen durchgeführte manuelle „Systembereinigung“ ist sehr zeitaufwändig und fehleranfällig.

Das Thema Engine-Vermessung habe ich schon weiter oben erwähnt. „Indirekte Nutzung“ lässt sich gar nicht vermessen. Java-Systeme? Hana? BusinessObjects? Die SAP entwickelt ihre Audit-Tools selbstverständlich ständig weiter. Besonders vorsichtig sollte man mit der LAW 2.0 sein.

Nachdem SAP ein ganzes Jahr gebraucht hat, bis diese überhaupt funktionierte, arbeitet sie in vielen Bereichen immer noch fehlerhaft. Ich kann nur jedem davon abraten, sie aktuell einzusetzen. Aber was wird SAP in Zukunft alles vermessen können? Wird sie feststellen können, dass ein SAP-User mit einer „SAP Worker User“-Lizenz eine Transaktion ausgeführt hat, die nicht zum Funktionsumfang gehört?

Wenn ich bei SAP dafür verantwortlich wäre, ich würde das bei der SAP-­Systemvermessung in Zukunft überprüfen.

8. Gesetzliche Compliance-Verpflichtung:

Das Thema „Compliance“ ist im Zusammenhang mit SAP-Lizenzen ein schwieriges Thema. Im Grunde kann man gegenüber SAP nie compliant sein. Dafür sind die SAP-Verträge, die PKL und die Beschreibungen viel zu schwammig.

Auf der anderen Seite haften CEOs persönlich dafür, wenn sie Urheberrechtsverletzungen begehen. Diese liegen unter anderem vor, wenn man SAP-Systeme benutzt, ohne dazu das entsprechende Nutzungsrecht erworben zu haben. Oder anders ausgedrückt: wenn man unterlizenziert ist.

Aus diesem Grund halte ich die schwammigen Beschreibungen von der SAP für einen Trick, den sie auch in Zukunft beibehalten wird. Aus Angst vor Unterlizenzierung kaufen SAP-Kunden lieber mehr Lizenzen, als sie eigentlich brauchen.

So fühlen sie sich auf der sicheren Seite. Und solange der SAP-Vertrieb zufrieden ist, ist es auch der CEO. Für die zu viel gekauften unnützen Lizenzen bekommt man dann aber von SAP einen großzügigen Rabatt. D

er SAP-Kunde hat also wieder den „besten Vertrag“ bekommen. Wäre es nicht aber besser, man würde nur das kaufen, was man wirklich benötigt? Auch so kann man Compliance herstellen.

Fazit

SAP-Lizenzierung ist ein immer komplexer werdendes Thema, bei dem SAP die Kunden nicht unterstützt. Anstatt ihren Kunden dabei zu helfen, werden sie durch zweifelhafte Nachforderungen und unzureichende Audit-Tools zusätzlich verunsichert.

Die Folge sind – nicht zuletzt aus der Angst heraus, unterlizenziert zu sein – unnötige Lizenznachkäufe in Millionenhöhe. Manuelles „Systembereinigen“ vor der SAP-Systemvermessung oder das Nachhalten der Nutzung auf Excel-Basis lösen die Herausforderungen nicht.

SAP-Kunden, die sich dieser Herausforderungen bewusst geworden sind, suchen Unterstützung von externen SAP-Lizenzexperten, die über die entsprechende Erfahrung sowie über die Tools verfügen, um die Transparenz im SAP-Lizenz-Dschungel wiederherzustellen.

Nur wer den ständigen Überblick über die Nutzung seiner SAP-Systeme hat, weiß, was er wann nachkaufen muss bzw. von welchen Nutzungsrechten er sich wieder trennen kann.

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Guido Schneider, Aspera

Guido Schneider war bis Juni 2020 SAP-Lizenzexperte bei Aspera.


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