Wir sind ERP
Seit der Fkom 2020 in Las Vegas, USA, heißt es bei SAP: „Wir sind ERP.“ Eine E-Mail eines befreundeten Analysten erreichte mich Mitte Januar, in der er mich auf die jüngste SAP-Botschaft von Vorstand Adaire Fox-Martin hinwies.
Sie soll auf der SAP-Fkom in Las Vegas verkündet haben, dass SAP vor allem eine ERP-Company sei – aber kein Wort von Cloud, von der In-memory-Computing-Datenbank Hana und von C/4 und Qualtrics.
Letzteres erscheint mir logisch, die CRM-Story des Ex-CEO Bill McDermott ist schon lange tot – genau genommen: Die C/4-Idee von der Sapphire 2018 konnte nie zum Leben erweckt werden, lediglich der Schweizer SAP-Zukauf Hybris wurde als „C/4“ neugeboren.
Und Qualtrics? SAP hält den Ball momentan sehr flach: Qualtrics plündert und raubt die SAP-Stammkundendatenbank und macht mit diesen neuen Geschäftskontakten gute Umsätze.
Das Ziel und die Aufgabe waren aber andere! Aus mehreren Zukäufen und Eigenentwicklungen hätte das mächtigste CRM-System der Welt entstehen sollen. Selbst Professor Plattner zeigte sich auf der Sapphire 2018 in Orlando ganz angetan von Bills Idee.
Wie so vieles bei SAP aus den vergangenen Jahren war es ein Schlag ins Wasser. Bill McDermott ist weg und die Wogen haben sich gelegt: C/4 ist tot und Qualtrics agiert als Exoplanet im SAP-Universum.
Die „Kampfansage“ von Adaire Fox-Martin „Wir sind ERP“ ist demnach das Eingeständnis „Back to the Roots“: Nicht nur C/4 ist spektakulär gescheitert, sondern auch die Cloud-Strategie mit HEC und HCP und jetzt auch Hana 3, die neue Code-Version mit unendlicher Cloud-Skalierung und „Software Multitenancy“.
Zurück zum Ursprung mag in Teilbereichen vernünftig sein. In einem weit zurückliegenden SAP-R/3-Universum waren die Datenkompatibilität und Modulintegration wirklich vorbildhaft.
Der Wunsch von uns Bestandskunden, auch die vielen Cloud-Zukäufe zu harmonisieren, zu synchronisieren und zu integrieren, entstand nicht aus Jux und Tollerei.
Ältere Semester der SAP-Community haben die Ganzheitlichkeit und Kompatibilität der R/3-Module schätzen gelernt und vermissen heute diesen Anwendungskomfort.
Wir sind ERP und nicht Hana 3, oder? Ein Sonderfall im aktuellen Baustellenbereich der SAP ist Hana, die geniale In-memory-Computing-Datenbank, die nie für das Cloud Computing konzipiert war.
Hana sollte „real Realtime“ in das SAP’sche ERP-Universum bringen, wie es einst Ex-SAP-Technikvorstand Vishal Sikka skizziert hat. Die „Echtzeitfähigkeit“ ist Hana mit vielen fantastischen Informatik-Tricks perfekt gelungen, aber es war von Beginn an ein On-prem-Projekt. Wenn Hana in der Cloud nicht skaliert, dann ist es ein systemisches Versagen des Hana-Codes.
SAP hat das Architekturdefizit von Hana erkannt: Cloud Computing kann nur dann rentabel sein, wenn die Applikation unendlich skaliert. Für jeden neuen SAP-Bestandskunden wieder eine eigene Hana-Instanz im Cloud-Rechenzentrum zu errichten ist teuer, unlogisch und kontraproduktiv – zu Beginn der SAP’schen Cloud-Ära beschritt man diesen Weg, aber er ist nicht finanzierbar.
Der Erfolg von IBM Power und Hana beruht ausschließlich auf On-prem-Installationen. Bereits vor zwei Jahren gab es am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam einen Hana-Workshop gesponsert von IBM.
Das Ziel war, Möglichkeiten und Wege aufzuzeigen, wie Outsourcer und Cloud-Anbieter in ihren Rechenzentren skalierbare Hana-Instanzen auf IBM Power realisieren könnten. Das prominent besetzte Meeting endete ohne Ergebnis.
SAP hat das Hana-Dilemma erkannt und Hana 3 in Auftrag gegeben, seit über einem Jahr versucht man sich an einem neuen Hana-Code, der alle Bedingungen eines erfolgreichen Cloud Computing erfüllen soll.
Dieses Jahr sollen die Neuprogrammierung und Runderneuerung der Hana-Cloud-Edition abgeschlossen sein, aber die bisherigen Ergebnisse sind enttäuschend:
Bei der Portierung „klassischer“ Hana-Applikationen auf die „neue“ HCP entstehen immer wieder gefährliche Anomalien. Keine guten Voraussetzungen für 2025, aber wir sind Kaiser!