Rechtliche Grauzone
Was auch immer die Gründe dafür sind, aber SAP hat das Thema der „indirekten“ Nutzung „erst“ seit drei Jahren auf ihrer Sales-Agenda. Eine Frage bleibt immer noch unbeantwortet: Hat SAP überhaupt das Recht, „zusätzliche“ Gebühren für die „indirekte“ Nutzung zu erheben?
Jürgen Beckers, Inhaber der auf Software- und IT-Recht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Rechtsanwälte BDH in Darmstadt, formuliert es noch direkter: Ist die Lizenzpolitik von SAP zum Thema indirekte Nutzung in Deutschland rechtswidrig?
Jürgen Beckers kommentiert dazu:
„Während die EU-Software-Richtlinie 2009/24/EG das Prinzip der freien Verbindung und Interaktion (Interoperabilität) von Geräten und Computerprogrammen schützt, sollen Kunden von SAP für den bloßen Datenaustausch zwischen der SAP-ERP-Software und einer Drittanwendung zusätzliche Lizenzgebühren zahlen.
Eine solche Lizenzpolitik ist nicht nur ein großes Ärgernis für SAP-Bestandskunden. Sie schränkt auch den freien Wettbewerb im SAP-Ökosystem ein, da Drittanwendungen, die mit der SAP-ERP-Software kommunizieren, auf diese Weise enorm verteuert werden.“
Mit dem Ansinnen der „indirekten“ Nutzung verstört SAP viele treue Wegbegleiter. Von den Teilnehmern einer Umfrage zum Thema „indirekte“ Nutzung sind 43 Prozent schon länger als 20 Jahre SAP-Bestandskunden, somit haben sie viel Erfahrung beim Umgang mit SAP und der Lizenzpolitik.
Nur 66 Prozent sind sich aber der finanziellen Auswirkungen der neuen PKL bewusst, was wiederum die Auffassung vieler deutscher Rechtsanwälte bestätigt, dass diese Regelungen intransparent und damit nach § 305c BGB überraschend und somit unwirksam sind.
„Indirekte“ Nutzung kann jeden treffen und die Grauzone ist schwer abzugrenzen: Zahlungsavise sind als begleitendes Medium eines Zahlungsträgers unverzichtbar. Bei Vedes – Europas führendem Handelsunternehmen für Spiel, Freizeit und Familie – haben Avise zum Teil bis zu 4000 Einzelpositionen und mehrere Hundert Debitoren.
Mithilfe der Softwaretools Yambs.Avise von Software4Professionals hat Vedes die Verarbeitung von Zahlungsavisen automatisiert und dadurch 80 Prozent Arbeitszeit eingespart. Mit der Softwarelösung können elektronische Avise automatisch in SAP gebucht werden.
Die Lösung unterstützt weitverbreitete elektronische Avise-Formate wie zum Beispiel Remadv (Edifact), aber auch individuelle Formate. Daten können auch direkt als IDoc importiert und automatisch gebucht werden. Zusätzlich entschied sich Vedes für die Software Yambs.smart.PDF, die eine automatisierte Verarbeitung von PDF-Avisen ermöglicht.
Mit einem speziellen Konverter liest das Programm PDF-Dokumente, die systemisch erzeugt wurden, fehlerfrei aus und übergibt sie anschließend direkt an SAP. Eine manuelle Erfassung oder der Einsatz einer OCR-Software ist somit nicht mehr erforderlich.
Auf Nachfrage wollte man gegenüber dem E-3 Magazin keine weiteren Details der Schnittstelle von Software4Professionals zu „SAP-ERP“ bekannt geben. Man wisse nicht, in welcher technischen und rechtlichen Grauzone man sich hier bewege. Somit entschied die E-3 Redaktion, den eingereichten Text auch nicht zu veröffentlichen.
Viele der Geschäftsprozesse werden aktuell über mehrere Anwendungen hinweg orchestriert. Somit ist das Beispiel von Vedes kein Einzelfall. Dadurch steigt aber auch die Zahl der Applikationen und der eingesetzten unterschiedlichen Technologien.
Damit wird die organisatorische und lizenzrechtliche Integration zum Schlüsselfaktor, sowohl auf technischer als auch auf semantischer Ebene. Steffen Pietsch, Technologievorstand der DSAG e. V., fordert daher von SAP eine API-first-Strategie (Application Programming Interface).
Damit werden sämtliche Funktionen und Daten einer Anwendung über öffentliche, standardisierte und dokumentierte Schnittstellen zugänglich gemacht. Was noch fehlt, ist ein adäquates Lizenzmodell, das eindeutig Auskunft über Kosten und den rechtlichen Rahmen gibt, der sich aber an der Interoperabilität orientieren sollte.