Am 32. Dezember ist es zu spät
Zuwarten, Abwarten und Aufschieben sind meist schlechte Ratgeber. Nur ganz wenige Probleme lösen sich mit der Zeit in Luft auf. Beim Lizenzthema „indirekte Nutzung“ hat der Anwenderverein DSAG lange Zeit auf Ab- und Zuwarten gesetzt, in der Hoffnung, dass letztendlich SAP Verständnis für den Verein und seine Tausenden Mitglieder haben wird.
Dem war nicht so: SAP hat […] einen wichtigen Schritt getan, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen, das in letzter Zeit etwas verloren gegangen schien, meinte DSAG-Vorstand Andreas Oczko in einer Presseaussendung.
Im April gab es dann endlich von SAP ein neues Lizenzmodell, das als Alternative zur existierenden Anwendung der „indirekten Nutzung“ verstanden werden soll.
Der Verein DSAG war voll des Lobes für diese Alternative und für sich selbst, weil man als einzige externe Organisation der SAP helfen durfte, dieses Lizenzmodell zu entwickeln.
In der Zwischenzeit überlegten sich die Vereine Voice und IA4SP, wie man den SAP-Bestandskunden wirklich helfen kann: Letztendlich geht es um die juristische Positionsbestimmung und Transparenz für den Anwender, der das Thema „Lizenz“ immer ganzheitlich – betriebswirtschaftlich, organisatorisch, technisch und juristisch – sehen wird.
Neben den allgemeinen Problemen des „Lizenzbetriebs“ basierend auf USMM, LAW und SolMan war in der Vergangenheit die „indirekte Nutzung“ das Thema mit den meisten Wortmeldungen, weil es dem Prinzip nach sehr schwer zu verstehen ist.
In der EU-Softwarerichtlinie 2009/24 ist zu lesen:
„Die Funktion von Computerprogrammen besteht darin, mit den anderen Komponenten eines Computersystems und den Benutzern in Verbindung zu treten und zu operieren. […] Diese funktionale Verbindung und Interaktion ist allgemein als Interoperabilität bekannt; diese Interoperabilität kann definiert werden als die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen.“
Was SAP als „indirekte Nutzung“ beschreibt, ist in der juristischen Literatur unter „Interoperabilität“ bekannt.
Am 32. Dezember ist es zu spät: Somit gilt es jetzt festzustellen, ob der ERP-Monopolist seine überragende Marktstellung missbraucht und das Recht beugt, indem er „Interoperabilität“ zu „indirekter Nutzung“ uminterpretiert.
Es galt und gilt, aktiv die SAP-Kartellrechtsfrage in Berlin klären zu lassen, wie das zuvor in ähnlicher Situation schon ein Anwenderverein bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft Preisüberwacher initiiert hat.
Parallel dazu ist naturgemäß umfassende Aufklärung in technischer und organisatorischer Hinsicht für die SAP-Bestandskunden notwendig, dazu hat eine Arbeitsgruppe aus SAP-Partnern, Anwendervereinen und Juristen ein eintägiges Seminar konzipiert, das am 18. September dieses Jahres in der Print Media Academy stattfinden wird. Restplätze können noch unter e-3.de/lkh gebucht werden.
Das Lizenztreffen der SAP-Bestandskunden in Heidelberg hat zwei Aufgaben: Information und Planung weiterer Schritte zur ganzheitlichen und gemeinsamen Lösung der Aufgabe „Interoperabilität/indirekte Nutzung“.
Unsicherheit und Unwissen schaden der SAP genauso wie den Bestandskunden und Partnern: Auf dem Weg zur digitalen Transformation mit den Themen Blockchain und IoT brauchen alle Beteiligten Rechtssicherheit.
Unvorstellbar ist eine globale Supply Chain mit Blockchain und dem Damoklesschwert „indirekte Nutzung“. Jetzt gilt es, die Lizenzaufgaben zu lösen, die Weichen Richtung SAP Leonardo (KI, IoT, Big Data, Blockchain etc.) zu stellen, denn am 32. Dezember ist es zu spät.