Achtung! Stolperfallen!
Matthias Uebel und Markus Czeslik von MGM Consulting Partners sprechen darüber, worauf in den einzelnen Hana- und S/4-Vorprojekt-, Design- und Umsetzungsphasen zu achten ist.
E-3: Es gibt ein Transformation-Framework für das S/4-Customizing. Was hat es damit auf sich?
Markus Czeslik, MGM: Unser Framework basiert auf unseren und den Erfahrungen unserer Ansprechpartner aus Business und IT in den betroffenen Unternehmen verschiedener Branchen entlang des gesamten S/4-Transformationsprozesses. Die acht Phasen des Frameworks orientieren sich an der SAP-Activate-Methodik und ergänzen die reine System-Implementierungssicht durch alle changerelevanten Aspekte einschließlich ihrer strategischen Umrahmung.
Matthias Uebel, MGM: Die erste Phase beginnt mit einer gemeinsamen Orientierung des Managements. Da geht es um die Business-Sicht der digitalen Transformation und die Frage: Was ist unser gemeinsamer digitaler Leitstern? Gemeinsam mit dem Management werden strategische Ziele definiert, priorisiert und die Frage erörtert, wie die Potenziale von S/4 auf die Digitalstrategie einzahlen. S/4 ist ja nicht das Ziel, sondern immer nur Mittel zum Zweck, etwa das Business voranzubringen oder die Organisation weiterzuentwickeln.
Czeslik: Das ist ganz wichtig, gerade diese Chancen in den Vordergrund zu stellen und nicht die Umstellung als technische Notwendigkeit zu betrachten. Da hilft es auch, die Binnenperspektive zu verlassen.
E-3: Wo liegen in dieser ersten Phase die Stolperfallen?
Czeslik: Man kann, schon bevor das Programm überhaupt angefangen hat, einiges falsch machen. Und als ersten Punkt würde ich da vor allem sehen, dass man nicht die richtigen Leute im Boot hat. Meist werden die üblichen Leistungsträger und oft auch Jasager eingebunden, bei denen aber noch andere Programme nebenherlaufen.
Uebel: Ich sehe eine Stolperfalle in der Zusammenarbeit zwischen dem Business und der IT. Da braucht es eine gründliche Vorarbeit. Das ist häufig so, dass IT als Dienstleister betrachtet wird, nach dem Motto, die IT soll die Welt retten. Eine S/4-Transformation ist aber kein reines IT-Projekt. Sondern es geht eher darum, mit dem Business zu einer gemeinsamen digitalen Agenda zu gelangen. Also schon im Vorfeld einer solchen Transformation das Business mitzunehmen und dem Business, aus Sicht der IT, auf Augenhöhe zu begegnen.
E-3: Kommen wir zu den nächsten Phasen. Was ist der Inhalt der nächsten drei Phasen?
Uebel: Hier geht es um das Aufstellen des Projektteams, eine vernünftige Programmplanung, das Prototyping, eine technische Transitionsplanung und vor allem die Fit-Gap-Analyse, also die Diskussion und Bewertung der Abweichung vom Standard. Das ist auch der Schlüssel zum technischen Projekterfolg, wo definiert wird, wie die Business-Anforderungen an das S/4-System aussehen beziehungsweise wie hoch der Deckungsgrad mit den SAP-Standardprozessen ist.
Czeslik: In dieser frühen Phase hilft auch die Frage: Was passiert, wenn nichts passiert, also wenn wir nichts machen? Bewegung entsteht nur, wenn es einen gewissen Leidensdruck gibt. Auch aus Führungssicht ist hier einiges zu tun. Führungskräfte müssen Widerstände aufnehmen, Motivationslöcher, die es unweigerlich geben wird, mit Informationen füllen. Demotivierend wirken Führungskräfte, die ihre Wissensträger nicht einbeziehen, Rückmeldungen ignorieren oder kritische Fragen einfach überhören. Oder wenn sich strategische Botschaften innerhalb des Managements widersprechen.
Uebel: Um auch die intrinsische Motivation bei den Mitarbeitern für die S/4-Einführung zu steigern, gehört dazu, dass wir, aus Sicht des Change-Managements, für einen hohen Grad der Beteiligung an diesem Projekt sorgen müssen und für einen intensiven Austausch zwischen den Key Usern, den Usern und Führungskräften. Das muss man ein Stück weit anstoßen. Ansonsten kommt da sehr viel von den Mitarbeitern selbst, die neugierig sind, Fragen stellen.
E-3: In dieser Phase wird viel Zeit für die Analysen verwendet, aber wo liegt dabei der Schwerpunkt?
Uebel: Der Schwerpunkt liegt hier parallel zu den Fit-Gap-Analysen auf den sogenannten Change Impact Assessments. Und da geht es um die Frage: Was bedeutet eigentlich diese Systemanpassung für verschiedene Ebenen der Organisation? Was ändert sich an den Prozessen? Und damit ist auch gemeint: Welche Varianten von Prozessen gibt es? Und wie groß ist die Flexibilität in ihrer Ausführung? Welche Rollen und Verantwortlichkeiten sind definiert? Wer übt sie aus? Was verändert sich dort? Welche Arbeitsweisen sind zukünftig sinnvoll? Wie arbeiten künftig die Geschäftseinheiten zusammen, auch im Hinblick auf eine End-to-End-Digitalisierung?
Czeslik: Bei dieser Betrachtung dürfen wir die Vorteile nicht vergessen, die man sich gerade im Zusammenhang mit Business-Case-Berechnungen anschauen sollte. Also detailliert auf die Benefits eingehen und möglichst genau hinschauen, was beispielsweise effizientere Prozesse an Aufwänden einsparen. Und das dann kommunizieren, ohne zu große Erwartungen zu wecken.
E-3: Und was sollte man möglichst vermeiden?
Uebel: Natürlich niemals die Mitarbeiter und Führungskräfte vergessen. Es zahlt sich aus, sich über ein ganz breites Beteiligungskonzept Gedanken zu machen. Und der zweite Punkt: Unterschätzen Sie nicht die Wirkung eines professionellen Change-Managements. Es reicht nicht, stur einem Best Practice zu folgen, sondern es geht immer darum, die Maßnahmen einem Review zu unterziehen. Change-Management richtet sich nicht nach einem festen Drehbuch, sondern muss oftmals situativ angepasst werden.
E-3: Kommen wir zu den letzten Phasen. Zusammenfassend, worum geht es hier?
Uebel: Im Wesentlichen darum, die technische Konfiguration zu realisieren, möglicherweise auch agile Projektmanagement-Praktiken einzusetzen. Da geht es um die Durchführung von technischen Integrationstests, um Datenmigration, die Vorbereitung des Cut-over, auch die Vorbereitung der Infrastruktur. Da ist eine Menge zu tun auf IT-Seite. Aber auch Trainingskonzepte entsprechend umzusetzen und dann systematisch die Lernfortschritte nachzuvollziehen.
Czeslik: Die Trainings sollten sehr früh vorbereitet werden, schon einige Monate vor Go-live ist zunächst gemeinsam mit den Führungskräften der tatsächliche Trainingsbedarf zu analysieren. Wo sind noch Lücken? Wo lassen sich Teams in Schulungen zusammenfassen? Wo wollen wir neue Wege beschreiten? Wir empfehlen, keine Standardtrainings anzubieten, sondern die Schulungen mit Übungen direkt in den Alltag einzubetten, User-nah am Arbeitsplatz und angepasst auf sein spezifisches Profil.
E-3: Und wenn Go-live erfolgreich bewältigt wurde, was dann?
Czeslik: Dann bitte nicht vergessen, das Projekt auch als Erfolgsstory zu kommunizieren – und diesen Höhepunkt zu feiern. Solche Projekte dauern meist viele Jahre. Da ist es wichtig, dass man mal einen Moment innehält und die Leistung des Teams wirklich wertschätzt.
E-3: Danke für das Gespräch.