Starkes SAP-Fundament


Wir haben gelernt, dass SAP nicht nur innovativ, sondern auch sprunghaft sein kann. Customer Evolution ist ein wichtiger Begriff in der SAP-Community geworden, aber ohne Fundament und Backoffice verkommt er zur leeren Worthülse.
Ältere Semester aus der SAP-Community erinnern sich noch an R/3 und das damals allgegenwärtige Customer Competence Center (CCC). Mit dieser Idee legte SAP bei den Bestandskunden die Basis für einen erfolgreichen und effizienten ERP-Betrieb. Es gab ein Zertifizierungsprogramm und einen jährlichen Kongress mit bis zu 500 Teilnehmern. Nebenbei brachte eine erfolgreiche Zertifizierung uns Bestandskunden echte Vorteile und Incentives.
Mit den folgenden Releasewechseln nach ERP/ECC 6.0, Business Suite 7, Hana, S/4 und nun wieder SAP Business Suite entstand in den vergangenen Jahren viel Unruhe bei uns und bei meinen Stammtischschwestern und -brüdern. Unsere Gegenstrategie zu dem sprunghaften Verhalten einer SAP: Ausbau der eigenen SAP-Basis-Mannschaft, Stärkung des CCC und hohe Investitionen in Schulung und Weiterbildung.
Mittlerweile wurde das CCC in CCoE (Customer Center of Expertise) umbenannt und noch immer ist SAP auf der Suche nach einer finalen Positionierung dieser Systemeinheit im Cloud- und Hyperscaler-Zeitalter. Auch den alljährlichen Kongress für CCC-Leiter und verwandte Berufsgruppen hat SAP aufgegeben. Ein strategischer Fehler! Das CCoE wird mehr denn je gebraucht: Das SAP-Marketing verspricht mit Rise und Grow ein All-inclusive–Angebot für S/4-Anwender, aber die Realität ist eine andere. Die Transferprogramme Rise und Grow funktionieren in Richtung S/4 Hana und „Suite First“, aber nicht ohne tatkräftige Unterstützung von uns Bestandskunden mit unserem eigenen CCoE.
Auf dem DSAG-Jahreskongress 2024 in Leipzig war zu erfahren, dass der operative Rise-S/4-Betrieb großteils über ein Ticketsystem gesteuert wird: Der Anwender fordert den SAP-Support zur Ausführung ausgewählter Funktionen auf! Die Herausforderung: Auch wenn der Betrieb der S/4 Cloud bei SAP verankert ist, so muss dennoch der Bestandskunde wissen, wohin er mit dem S/4-System gelangen will.
Ein SAP-Bestandskunde berichtete in Leipzig vergangenes Jahr, dass die eigene CCoE-Mannschaft sogar ausgebaut werden musste, weil die Steuerung des S/4-Systems über das SAP-Ticketsystem nun wesentlich mehr Aufwand bedeutet. Hinzu kommt der geforderte Bildungsanspruch: Über das Ticket-system lässt sich der SAP-Support hervorragend steuern, aber nur wenn das CCoE selbst weiß, wohin die Reise mit Rise und Grow und der neuen Business Suite gehen soll. All-inclusive ist somit eine Herausforderung! Natürlich hat SAP im Rahmen seines Customer-Evolution-Programms diese neuen Anforderungen erkannt und aus Walldorf heraus soll in den kommenden Monaten die CCoE-Initiative ausgebaut und gestärkt werden. Hinzukommen sollen weitere AI-Werkzeuge.
Neues Ziel bei SAP ist eine System-Conversion mit Unterstützung eines Joule-Agenten. Bisher gab es immer schon SAP-Empfehlungen für Green-, Brownfield oder System-Conversion. Ein Readiness-Check war bisher hilfreich und das Dashboard „SAP for Me“ wurde in den vergangenen Monaten nachhaltig ausgebaut. Aber alle diese Anleitungen und Werkzeuge waren sehr standardisiert und konform. Nun soll die künstliche Intelligenz bei der System-Conversion mehr Individualität bringen. Mit dem SAP-KI-Agenten Joule will man uns Bestandskunden ein Hilfssystem mit intelligenten Antworten zur Seite stellen.
Gute Werkzeuge und SAP-KI-Services sind nur eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche ERP-Roadmap. Ob ein zukünftiges SAP-ERP nun S/4, Suite First oder Composable ERP heißt, scheint aufgrund eines nicht immer starken SAP-Fundaments zweitrangig. Meine Stammtischschwestern und -brüder sind sich einig: SAP muss noch viel mehr in Customer Evolution, in ein starkes SAP-Fundament und eine offene, agile ERP-Roadmap investieren. Dem CCoE und einem Composable ERP gehört die Zukunft. Wir kooperieren mit den Hyperscalern ebenso wie mit SAP-Mitbewerbern in den Bereichen KI, Plattformen und Applikationen. SAP wird auch zukünftig mit unserem CCoE das konzernweite ERP-Fundament bleiben.