Schrödingers Katze
Der Physiker und Wissenschaftstheoretiker Erwin Schrödinger ist einer der Begründer der Quantenmechanik und erhielt 1933 den Nobelpreis für Physik. Für eine Erklärung der Divergenz klassischer Physik von der Quantenphysik nutzte er ein Gedankenexperiment. Quanten entziehen sich unserem gewohnten Erfahrungshorizont.
Schrödingers Katze sitzt in einer Kiste und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sterben wird, liegt bei genau 50 Prozent. Eine ebenfalls in der Kiste befindliche physikalische Apparatur beobachtet ein radioaktives Atom und dessen Wahrscheinlichkeit, innerhalb einer Stunde zu zerfallen, liegt bei jenen 50 Prozent. Der Zerfall würde eine Kettenreaktion auslösen, an deren Ende die Katze sterben muss – also kaufe niemals eine Katze im Sack, siehe Illustration.
Das Gedankenexperiment beruht auf der Wahrscheinlichkeit eines zu erwartenden Ereignisses. Bevor wir nicht die Schachtel öffnen und nachschauen, also messen, ist unsere Katze theoretisch zu 50 Prozent lebendig und ebenso tot – aufgrund der Wahrscheinlichkeit des Zerfalls des radioaktiven Atoms. So weit die Quantenphysik. Rein praktisch ist die arme Katze natürlich zu 100 Prozent das eine oder das andere.
Hana ist tot. Ich meine damit nicht das Produktende der Datenbank, denn die Hana-Plattform wird noch für den S/4-Releasewechsel gebraucht. Niemand bekommt leuchtende Augen, eine aufgeregte Stimme und steigenden Puls, wenn von der Datenbank Hana die Rede ist.
Hana lebt, wenn auch aus ganz anderen Gründen: ohne Hana kein S/4-Releasewechsel! Eine aktuelle Umfrage aus der Schweiz zeigt, dass etwa 40 Prozent der Bestandskunden bereits auf Hana gewechselt sind – wahrscheinlich in Vorbereitung auf S/4 und somit mehr zwangsweise als freiwillig. Die Begeisterung für diese Innovation von Professor Hasso Plattner ist bescheiden, was in meiner Feststellung mündet: Alle lieben Hana (zwangsläufig), aber heiraten will sie niemand!
Der Quantenphysiker würde nun sagen, Hana befindet sich in einer Superposition – in einem Überlagerungszustand zwischen lebendig und tot. Solange die Kiste mit der Katze aus Schrödingers Gedankenexperiment nicht geöffnet ist, ist die Katze zu 50 Prozent tot und zu 50 Prozent lebendig. Wir haben noch nicht nachgemessen, ob Hana eine Überlebenschance hat. Wir haben die Kiste noch nicht geöffnet! Natürlich kann die arme Katze nur einen von beiden Zuständen einnehmen und nicht wie ein Quantenobjekt gleichzeitig mehrere Zustände besitzen, siehe auch Doppelspaltexperiment.
Im wirklichen Leben gibt es keine Superposition wie in der Quantenphysik. Schrödingers Katze ist keine Tierquälerei, sondern bleibt ein Gedankenexperiment. Mit der fehlenden Hana-Roadmap quält aber SAP ihre Bestandskunden, die müssen in einer Art von Superposition leben.
Bestandskunden müssen während des Releasewechsels gleichzeitig Lizenzgebühren für AnyDB, also IBM DB2, Oracle oder MS-SQL-Server, und Hana zahlen. Das zu transformierende ERP-System hat zwei Zustände: AnyDB und Hana. Es ist nicht die Qual der Wahl, sondern eine technische Notwendigkeit, dass ein einzelner Releasewechsel eventuell während eines Wochenendes vollzogen werden kann, dass aber ein ganzheitlicher Releasewechsel für eine ERP-Landschaft aus vielen ECC-Systemen auch mehrere Jahre dauern kann. In dieser Zeitspanne müssen beide Datenbanksysteme – die alte AnyDB und das neue Hana – parallel zur Verfügung stehen.
Offiziell gibt es zu dieser DB-Superposition von SAP-Technikvorstand Jürgen Müller keine Antwort. Es fehlt an einer Hana-Roadmap für die S/4-Transformation. Inoffiziell verzichtet SAP auf die Lizenzgebühr während der Übergangszeit. Dazu muss der SAP-Bestandskunde aber mit Lizenzwissen gut gerüstet und unter maximaler Vertraulichkeit verhandeln – es lohnt sich, um nicht die Katze im Sack zu kaufen.