SAP-Vorstand ohne Vertrauen
Wer rettet wen?
Kommendes Jahr gibt Aufsichtsratsvorsitzender Professor Hasso Plattner seinen Vorsitz an Punit Renjen ab, der bis Ende vergangenen Jahres der globale CEO von Deloitte war. Renjen kennt das SAP-Geschäft aus eigener Erfahrung und für ihn sollte SAP eine bewältigbare Aufgabe bleiben. Die Aktionäre wählten Punit Renjen bei der vergangenen Hauptversammlung mit 99 Prozent der abgegebenen Stimmen, wahrscheinlich weil sie sich Ähnliches erhoffen, was Renjen bei Deloitte gelungen ist: Innerhalb von sieben Jahren hat er den Deloitte-Umsatz von 35 auf 60 Milliarden US-Dollar gesteigert.
Christian Klein wird somit SAP bis zur endgültigen Wahl trotz aller Widrigkeiten auf Kurs halten und stabilisieren müssen. Klein muss im Operativen gemeinsam mit CFO Dominik Asam eine sichere und ruhige Amtsübergabe einleiten. Einmal im Amt und ausgestattet mit neuen Aufsichtsräten, kann Aufsichtsratsvorsitzender Punit Renjen sich bei Christian Klein und Dominik Asam mit Rat und Tat revanchieren. Punit Renjen und Christian Klein sind somit ein ungleiches Paar, das sich aber in den kommenden 18 Monaten gegenseitig helfen und retten wird müssen.
Bauernopfer sind programmiert
Nur 58 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland sind von der Zukunft SAPs „begeistert“, so berichtete es das Handelsblatt auf seiner Website. Nur 48 Prozent sagen: „Ich habe volles Vertrauen in den Vorstand.“ Diese interne Stimmungslage kann nicht ignoriert werden, weil auch außerhalb von SAP in der Community und bei der Deutschsprachigen Anwendergruppe e. V. (DSAG) die Stimmung sehr schlecht ist. Die zukünftigen Innovationen von den SAP-Vorständen Jürgen Müller und Thomas Saueressig sollen nur für Bestandskunden zugänglich sein, die SAP S/4 Hana Cloud, Public Edition oder Private Edition über Grow-with-SAP- oder Rise-with-SAP-Verträge nutzen. Jens Hungershausen, Vorstandsvorsitzender des deutschsprachigen Anwendervereins DSAG, brachte es auf den Punkt: „Aus DSAG-Sicht ist das eine 180-Grad-Wende zu den bisherigen Äußerungen. SAP hatte zuvor behauptet, Verbesserungen nicht auf cloudbasierte Angebote beschränken zu wollen. Die Aussage ist ein schwerer Schlag. Sie kommt einem Paradigmenwechsel gleich.“
Jürgen Müller und Thomas Saueressig werden aller Wahrscheinlichkeit nach diese 180-Grad-Wende und die interne Unzufriedenheit mit dem Vorstand nicht unbeschadet überleben. Und es gibt noch weitere Baustellen, wie das Handelsblatt berichtete: So forscht das Unternehmen seit Jahren an künstlicher Intelligenz. Trotzdem – so monieren mehrere Entwickler – habe SAP wenig vorzuweisen, wenn es um die neue Generation der Technologie gehe, die Inhalte wie Texte, Bilder und Programmcode erzeugen kann. Die bislang angekündigten Innovationen seien bis jetzt reichlich unkonkret.
Während weltweit ein technisches Wettrennen und eine nie da gewesene Aufbruchstimmung herrschen, verharren Christian Klein und seine Vorstandskollegen in einer KI-Schockstarre. Beim Thema KI und Machine Learning begnügen sich die Vorstände Christian Klein, Thomas Saueressig und Jürgen Müller mit vagen Versprechungen und seichten Kooperationen. Das Handelsblatt schreibt dazu: Ausgerechnet in den Ressorts für Technologie und Produktentwicklung von Jürgen Müller und Thomas Saueressig, die Innovationen entwickeln sollen, bewerten viele Mitarbeiter den Vorstand wie auch die Zukunftsaussichten kritisch.
Rat, Aufsicht und Handeln
Will Punit Renjen kommendes Jahr seine SAP voranbringen und jenseits von Hana und S/4 zum Erfolg führen, wird er in Christian Klein und Dominik Asam einen Verbündeten brauchen. Renjens Aufgabe ist bereits deutlich umrissen: Alle Friends of Hasso Plattner gilt es zu verabschieden, um Platz zu machen für Kompetenz. Details dazu im aktuellen Editorial der Manager-Magazin-Beilage September 2023 des E3-Magazins oder ab 25. August auf e3mag.com als Download-PDF.
SAP hat viele Baustellen, nicht alle wird CEO Christian Klein auf operativer Ebene lösen können. Wenn SAP auch in Zukunft noch eine Chance haben will, dann muss Punit Renjen ein aktivistischer Aufsichtsratsvorsitzender werden und ganz im Sinne des Wortes handeln: Stringente Aufsicht ausüben und gute Ratschläge geben – was wahrscheinlich nur die wenigsten Aufsichtsräte und Vorstände überleben dürften. Bauernopfer wird es aufgrund der internen Stimmungslage bei SAP geben.
Und unbedingt nachlesen, die Reportage auf der Website des Handelsblatts: Softwarehersteller SAP – Mitarbeiter geben Vorstand schlechte Noten