SAP-Themenauswahl und -Strategie
Die Börse verlangt nach SAP-Visionen
Die SAP-Aktie entwickelt sich gut. SAP-Chef Christian Klein und Finanzvorstand Dominik Asam haben gute Nachrichten für die Finanzanalysten, was den Aktienkurs immer wieder von Neuem fördert. Beide verstehen es gut, mit den richtigen Buzzwords zu hantieren, und sie wissen genau, was die Finanzanalysten hören wollen: Cloud und KI.
Es war nicht immer so: In einer Stunde großer Ehrlichkeit und Transparenz hat Christian Klein auch vor kommenden und teuren Herausforderungen gewarnt – woraufhin der SAP-Aktienkurs auf bis zu 80 Euro absackte. Die Lehren aus der klaren Ansage wurden bei SAP schnell gezogen. Aktuell vermeiden es die Vorstände, von anderen Themen als Cloud Computing und künstlicher Intelligenz zu reden.
Environmental, Social und Governance
Auf der Sapphire in Orlando war KI das alles beherrschende Thema. Auf dem europäischen Festland in Barcelona gab sich SAP realitätsnäher: Neben KI gab es auch andere wichtige Themen wie etwa Nachhaltigkeit, Green IT und ESG (Environmental, Social und Governance).
Aufgrund der aktuellen EU-Gesetzeslage ist ESG eine hohe Herausforderung für Unternehmen und damit auch für alle SAP-Bestandskunden. SAP pflegt das Thema mit Umsicht, wenn auch nicht mit gleichem Engagement wie KI – was aus Sicht vieler Anwender ein Fehler ist.
ESG ist eine wichtige und nachhaltige Notwendigkeit, aber offensichtlich kein Thema für einen starken Aktienkurs. Diese Divergenz zwischen Notwendigkeit und Vision findet sich im SAP-Universum öfters. SAP-Chef Christian Klein hat auf den Widerspruch noch keine Antwort gefunden und damit bleiben die Themen Cloud Computing und KI dominierend.
Wie relevant ist SAP?
Eine bemerkenswerte Umfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) hat gezeigt, dass immer mehr SAP-Bestandskunden die Relevanz von SAP nur noch als durchschnittlich bezeichnen. Der Grund dafür kann in der Themenauswahl liegen: Cloud und KI sind für die Börse die absolut führenden Themen, während langjährige SAP-Bestandskunden ganz andere Probleme haben.
Eine internationale Studie der SAP-Partner NTT Data Business Solutions und Natuvion zeigt, dass Unternehmen Vorlauf und Komplexität digitaler Transformationsvorhaben unterschätzen. Die Studie hat im Wesentlichen drei Schwerpunkte ergeben: Erstens, Unternehmen starten ihre IT-Transformation, um sich organisatorisch neu aufzustellen; zweitens, jedes dritte Unternehmen beklagt fehlendes Transformations-Know-how in der eigenen Belegschaft; und drittens, Bestandskunden sehen die frühzeitige Zusammenarbeit mit externen Beratern als wesentlich für ihren Transformationserfolg.
Relevant wäre demnach SAP, wenn sich der ERP-Weltmarktführer wieder mehr den betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Herausforderungen seiner Bestandskunden widmen würde. Eine robuste Aufbau- und Ablauforganisation ist immer noch die beste Antwort auf Krisen und Marktherausforderungen.