SAP-Lizenzen – Neues Spiel, neues Glück
Man merkt es allen Verantwortlichen an, dass das neue Lizenzmodell mit heißer Nadel gestrickt wurde: Es gibt ein rudimentäres Konzept, aber dazu keine PKL (SAP Preis- und Konditionenliste) und keine technische Evaluierung – vielleicht funktioniert die neue Idee administrativ und organisatorisch in keiner Weise.
Probleme und Unmut bei den SAP-Bestandskunden über ein Lizenzmodell, das in seinen Grundzügen aus dem Mainframe-Zeitalter stammt, gab es schon lange.
Für die Anwender war es immer schon offensichtlich, dass Hana und S/4 mit dem Auftrag zur digitalen Transformation ein adäquates Lizenzmodell brauchen.
Somit ist auch erklärbar, warum selten über die relative Vergütung diskutiert wird, sondern fast immer nur über die Spielregeln (Metriken) selbst. Den SAP-Bestandskunden geht es um Metriken, indirekte Nutzung und Lizenzvermessung.
Hierbei geht es auch um die Frage, ob für die Anbindung von Software-Funktionalität (Coding), die entweder vom Kunden selbst (Eigenentwicklung) oder von einem Drittanbieter erstellt wurde, an die vom Kunden lizenzierte SAP-Software der Erwerb von NetWeaver Foundation for Third Party Applications (NWF TPA) notwendig ist.
Sehr spät hat auch der Anwenderverein DSAG diese Sorgen seiner Mitglieder ernst genommen und den Druck auf SAP erhöht. Zuvor versuchte DSAG-Vorstand Andreas Oczko lange Zeit einen „Kuschelkurs“ mit SAP zu fahren, aber beim DSAG-Jahrekongress vergangenes Jahr in Bremen half kein gutes Zureden mehr: DSAG begann SAP in die Pflicht zu nehmen!
Wie unglücklich die Lösung zustande kam, war auf den DSAG-Technologietagen dieses Jahr in Stuttgart zu beobachten. Statt einer Diskussion mit der Community und den Partnern wurde – wie immer – hinter verschlossen Türen zwischen DSAG und SAP verhandelt.
Schon damals zeichnete sich ab, dass DSAG und SAP kein Interesse haben, weitere Meinungen zu berücksichtigen. Der Partnerverein IA4SP, der das Gegengewicht zur DSAG darstellen könnte, kam nicht zum Zug, obwohl ein neues Modell die SAP-Partner ebenso betrifft wie die Bestandskunden.
Nach langem Zögern hat SAP nun Änderungen in Vertrieb, Audit und Compliance angekündigt sowie das neues Lizenzmodell vorgestellt. Innerhalb der SAP war es ein schwieriger Prozess, weil jede Änderung des Modells unmittelbar auf die Quoten und Vergütungen des Vertriebs durchschlägt. Nicht alle sind mit den jetzt gefundenen Ergebnissen zufrieden.
DSAG hat den initialen Prozess zu den nun vorliegenden Ergebnissen auf dem Jahreskongress 2017 in Bremen angestoßen und war und ist Gesprächspartner zum Thema indirekte Nutzung. Ob die Vereinbarung in der Praxis hält, was sich DSAG und SAP erhoffen, ist noch nicht entschieden.
Auch der Anwenderverein merkt in einer Presseaussendung an, dass sich das neue Lizenzmodell erst noch in der Realität bewähren muss. Dennoch ist man beim Verein überzeugt, dass das Modell ein guter Auftakt in Bezug auf die Lizenzierung und die indirekte Nutzung sei und somit eine für alle ansprechende Lösung schafft.
Für Neukunden grundsätzlich interessant, muss das neue Lizenzmodell in der Praxis zeigen, ob es auch für die Bestandskunden wirtschaftlich sinnvoll umsetzbar sein wird. Wobei zu beachten ist, dass mit dem neuen Ansatz nur die Lizenzen für die indirekte Nutzung adressiert werden und nicht das gesamte Lizenzmodell.
Der neue Ansatz unterscheidet zwischen direktem, menschlichem (Human Access) und indirektem, digitalem Anwenderzugriff (Digital Access) und soll klare Regeln bei den Themen Lizenzierung, Nutzung und Compliance schaffen (siehe Grafik).
Das neue Lizenzmodell soll nach Meinung der SAP den Bestandskunden mehr Kostentransparenz beim indirekten, digitalen Zugriff auf SAP-Anwendungen ermöglichen.
Bisher orientierte sich das Lizenzmodell für ERP/ECC an der Zahl der Nutzer (User). Inzwischen finden aber immer mehr digitale Zugriffe auf SAP-Systeme statt. Eine Herausforderung für Kunden, die deshalb verstärkt ein alternatives Lizenzmodell wünschen.
Noch hat SAP zu dem neuen Modell keine Preisliste (PKL) veröffentlicht, sodass alle Aussagen ein Versprechen auf die Zukunft sind. Auch ist für die meisten Experten unklar, wie das auf neun Dokumentenklassen beruhende Lizenzmodell technisch realisiert werden kann.
Von einer Totgeburt will zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand reden, weil auch der Anwenderverein DSAG in Übereinstimmung mit SAP das neue Modell hoch lobt.
Anders als bisherige nutzerbasierte Lizenzmodelle für den indirekten Zugriff auf ERP-Anwendungen orientiert sich das neue SAP-Lizenzmodell an der Wertschöpfung, die durch das Anlegen und Auslösen bestimmter Transaktionen und Dokumente im SAP-ERP-System erzielt wird.
„SAP hat mit diesem innovativen Modell einen wichtigen Schritt getan, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen, das in letzter Zeit etwas verloren gegangen schien“
lobt DSAG-Vorstand Andreas Oczko das neue Modell in höchsten Tönen. Führende Experten halten diese Haltung für falsch, solange es keine SAP PKL 2018/2 mit den dazugehörigen Preisen gibt.
SAP hat das neue Vertriebs-, Audit- und Preismodell ohne PKL mit April 2018 ausgerollt und wird in den kommenden Monaten weiteres Schulungsmaterial und Tools zur Verfügung stellen.
So sollen Kunden die neuen Lizenzbestimmungen leichter verstehen und das für sie passende Modell auswählen. Es soll Konversionsangebote geben, mit deren Hilfe Bestandskunden vom bestehenden auf das neue Preismodell wechseln können.
Zukünftig will SAP somit zwischen einem Human Access – der nach User-Anzahl berechnet wird – und einem Digital Access, also einem Zugriff über Dritte, Internet of Things (IoT), Bots und/oder andere digitale Zugänge, unterscheiden, die auf Basis der vom System selbst verarbeiteten Transaktionen oder Dokumente lizenziert werden können.
Das neue SAP-Lizenzmodell greift sowohl für den digitalen Kern – S/4 und Hana Cloud – als auch ERP/ECC 6.0. Bestandskunden können wahlweise beim bisherigen Modell bleiben oder auf das neue dokumentenbasierte Preismodell wechseln – je nachdem, welches Modell besser zu ihren SAP- und Drittanwendungen passt.
„Ein erster Schritt ist getan, um den Weg zur digitalen Transformation weiter zu gehen. Ziel muss es jedoch sein, ein echtes, atmendes Modell auf der Basis eines Pay-per-Use-Ansatzes zu entwickeln“
konkretisiert DSAG-Vorstand Andreas Oczko.