SAP kann alles


Eine KI-Frage und 300 SAP-Antworten
SAP CTO Philipp Herzig lobte sich und SAP auf den DSAG-Technologietagen 2025 in Wiesbaden für seine Anstrengungen und Lösungen im Bereich der künstlichen Intelligenz. In Summe hat SAP in den vergangenen Monaten nahezu 300 KI-Apps bereitgestellt. Philipp Herzig interpretierte diesen Umstand als die neue SAP-Innovationskraft.
Die SAP-Community fragt sich jedoch, wie bei der Fülle an Antworten, Apps, Engines und IT-Werkzeugen der Anwender noch den Überblick behalten soll. Am Rande der DSAG-Veranstaltung in Wiesbaden meinten dann auch einige SAP-Bestandskunden, dass zukünftig eine KI gebraucht wird, um die richtige KI auszuwählen. Ob SAP an einer Meta-KI arbeitet, war jedoch nicht in Erfahrung zu bringen.
SAP ERP ist nicht Selbstzweck
Noch nie zuvor hatte SAP ähnlich viele Apps, Engines und IT-Werkzeuge in seinem Angebot. DSAG-Technologievorstand Sebastian Westphal thematisierte somit in Wiesbaden, mit was und welchen Apps spezifische ERP-Herausforderungen gelöst werden sollen. Ein ERP-System ist kein sich selbst genügendes Konstrukt. Für SAP scheint es vollkommen unlogisch zu sein, dass die Bestandskunden ihr ERP-System nicht zum Selbstzweck betreiben, sondern andere Aufgaben wie Produktion, Handel und Verwaltung verfolgen.
Mit der angekündigten SAP BDC, Business Data Cloud, beim Business-Unleashed-Event im Februar in New York, USA, setzt SAP auf die Elemente Prozesse, Daten und KI mit dem Ziel, effiziente Prozessketten bereitzustellen. Zudem werden auch in der Cloud immer mehr und mannigfaltigere End-to-End-Geschäftsprozesse angeboten, indem auf Basis der BTP die unterschiedlichsten und heterogensten IT-Stacks und Cloud-Services vereint werden. „Auch wenn SAP unbestritten an der Harmonisierung und Integration seines Lösungsportfolios arbeitet, ist eine konsistente Architektur der Schlüssel zum Erfolg für die avisierte Business Suite. Dafür ist es notwendig, dass SAP die Produktlandschaft kontinuierlich weiter harmonisiert und konsequent einheitliche Standards umsetzt, z. B. bei den Datenmodellen und den Identity- und Security-Services. Denn eine Suite braucht per Definition die nahtlose Integration der darin enthaltenen SAP-Lösungen, einheitliche Betriebsmodelle und auf dem Weg dorthin klare Migrations- und Umsetzungsstrategien“, so DSAG-Technologievorstand Sebastian Westphal.
SAP-Exit-Strategie: Raus aus dem ERP-Spiel?
Die Technologietage 2025 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG e. V.) standen unter dem Motto: Strategy Royale: Call, Raise or Fold? Eine gute Strategie und wohlüberlegte Entscheidungen bilden die Grundlage für Investitionen in IT-Lösungen und SAP-Software.
Dem Pokerspiel entlehnt steht Call für mögliche Lösungsansätze für Unternehmen, die ihre eingesetzten SAP-Systeme nutzen wollen und nur so weit investieren, wie es notwendig ist.
Raise bezeichnet die durchdachten, nachhaltigen und strategischen Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die neue SAP-Zielstrategie und die Implementierung neuer (Cloud-)Technologien.
Und Fold steht für die Option, nach intensiver Prüfung zu passen und nach einer Alternative zu suchen. Aufgrund des aktuellen SAP-Investitionsreports zeichnet sich in der SAP-Community ein hybrider IT-Trend ab, der On-prem-, Edge- und Cloud-Computing umfassen wird. Damit verbunden ist aber auch eine Exitstrategie, die die SAP-Bestandskunden aus der SAP Cloud (Privat und Public) führen wird.
Der alte und neue Name „SAP Business Suite“ reaktiviert ein erfolgreiches Produktlabel aus der On-prem-Ära, das in seiner Ganzheitlichkeit nach Meinung von SAP nun auch auf die Cloud-Lösungen übertragen werden soll. Die Business Technology Platform (SAP BTP) bildet dabei unverändert das zentrale technische Fundament dieser neuen Business Suite und wird eine entscheidende Rolle spielen, u. a. bei der Integration der verschiedenen SAP-Lösungen. Die Business Data Cloud (SAP BDC) schließlich soll eine systemübergreifende Harmonisierung und Nutzung der SAP-Daten ermöglichen – auch und gerade für die Nutzung von KI-basierten Anwendungsfällen.
„Und bei einer Suite muss natürlich auch der kommerzielle Vorteil klar ersichtlich werden, wenn mit SAP alles aus einer Hand kommt. Sowohl technisch als auch wirtschaftlich – also transparente Kostenstrukturen und Vertragsmodelle“, sagt Sebastian Westphal, DSAG. „Und da nicht zu erwarten ist, dass eine Business Suite alle heutigen Anwendungsfälle abdecken kann, braucht es im Rahmen der SAP-Clean-Core-Strategie eine langfristige Unterstützung von Partnerlösungen. Gerade die vielfach eingesetzten Add-ons sollten auf Basis von stabilen, langfristig gültigen Zertifizierungsbedingungen einsetzbar bleiben – was vor dem Hintergrund der S/4-Hana-Wartungszusage von SAP bis 2040 im gemeinsamen Interesse der Partner, Anwenderunternehmen und SAP selbst liegt.“
SAP Business Data Cloud: Werden die ERP-Karten neu gemischt?
SAP BDC, Business Data Cloud, kann aus DSAG-Sicht zum größten Strategiewechsel von SAP seit S/4 werden. Das von SAP in Aussicht gestellte Zielbild soll die heute fragmentierten Datenstrukturen harmonisieren. „Das ist eine enorme Herausforderung: Denn nicht nur will SAP stärker als bisher die betriebliche Verantwortung für die Integration und Bereitstellung einheitlicher Datenmodelle übernehmen – vielmehr geht es bei der BDC um nichts Geringeres als die Transformation von Bestandslandschaften in eine zukunftsfähige, Cloud-zentrierte Architektur, für On-prem- und Public-Cloud-Kunden gleichermaßen. Die DSAG-Experten befürworten die neue Strategie, wenn die BDC allen SAP-Bestandskunden zur Verfügung steht, auch für On-prem-Systeme und unabhängig von kommerziellen Konstrukten wie Rise with SAP und Grow with SAP“, fordert DSAG-Technologievorstand Sebastian Westphal.
Das SAP-Produkt Business Data Cloud (BDC) soll die lang erhoffte Wende im Datenchaos bringen. Nach den gescheiterten Versuchen mit Data Hub und danach mit Datasphere soll nun BDC die Datenstrukturen orchestrieren. Was aber SAP CEO Christian Klein Anfang dieses Jahres sehr vollmundig ankündigte, entpuppte sich schon wenige Wochen später als eine weitere Kooperation mit einem IT-Spezialanbieter, weil es die eigene Mannschaft wieder einmal nicht fertigbrachte, eine funktionierende Lösung zu bauen. SAP hat Databricks auserwählt, die Lücken im eigenen Angebot zu schließen.
Ein Datenprojekt, das von SAP an die Wand gefahren wird, ist naturgemäß noch keine Zeitenwende. Aber alle Ereignisse des ersten Quartals 2025 zusammengenommen zeigen deutlich eine Strukturschwäche im SAP-Haus: eine Business Data Cloud, die den Namen nicht verdient; ein SAP-Aktienkurs, der bei der kleinsten Irritation am Markt überproportional abstürzt; ein DSAG-SAP-Investitionsreport, bei dem auf Basis tausender Kunden nur 243 den Fragebogen retournieren; eine KI-Entwicklung, die außer hunderten Gadgets keinen großen Wurf hervorbringt; eine sehr erfolgreiche SAP Business Technology Platform, weil diese die Fortsetzung von On-prem und Abap-Modifikationen ermöglicht.