SAP-HR am Scheideweg
Workday, das bessere SAP HR
Es ist ein Treppenwitz, dass die HR-Lösung von Workday besser ist als jede andere HR-On-prem- oder Cloud-Lösung von SAP, denn Workday konnte vor einigen Jahren ohne Altlasten auf der grünen Wiese beginnen. Workday ist als junges Unternehmen Cloud-only und Cloud-native.
SAP hingegen befindet sich im klassischen Innovator‘s Dilemma (siehe Harvard-Professor Clayton M. Christensen, 1952 bis 2020). Sehr früh war SAP sehr erfolgreich mit der SAP-R/3-HR-Lösung. Vor 25 Jahren war SAP HR der Standard in vielen Personalabteilungen. Die jährlichen HR-Summits von SAP versammelten hunderte Personalverantwortliche und galten als Pflichtveranstaltung in der Szene. Aber SAP verpasste das Web-Zeitalter, erkannte zu spät die Kraft des Cloud Computing und war nicht gewillt, eigene Forschungsarbeit in KI zu investieren.
SAP-Tradition versus Workday-Standards
SAP R/3 HR und ECC 6.0 HR haben eine lange und glorreiche Historie im ERP-Markt. Die österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) verwalten nicht nur das aktive Personal mit SAP HR, sondern auch zehntausende von Personen im Ruhestand. Solche HR-Speziallösungen sind einzigartig, sie machen aber auch eine Transformation in eine neue IT-Welt schwierig. Mit dem Zukauf der Cloud-Lösung SuccessFactors unter dem damaligen SAP-CEO Bill McDermott versuchte der ERP-Weltmarktführer, den HR-Markt für sich zu retten. Das Verharrungsvermögen der SAP-Bestandskunden auf HR-On-prem ist hoch und SuccessFactors war lange Zeit ein Fremdkörper im SAP-Universum. Erst unter der Anleitung von SAP-Chef Christian Klein konnte SuccessFactors mit ECC 6.0 und S/4 orchestriert werden.
Workday setzte von Beginn an auf Cloud Computing und erkannte zeitgerecht das Potenzial von Machine Learning und KI. Workday entwickelte eigene Large Language Modelle und motivierte die eigenen Bestandskunden, anonymisiert und transparent die Daten für Lernzwecke zur Verfügung zu stellen. Aktuell weiß jeder Workday-Anwender, welche Datenfelder für KI-Zwecke zum Einsatz kommen. Ähnliche Transparenz gibt es bei SAP nicht: Im Gegenteil, weil SAP KI-Wissen und Large Language Modelle zukauft, ist immer auch ein Performance- und Transparenzdefizit zu beobachten.
Aus der ERP-Tradition heraus entwickelte sich bei SAP eine HR-Verwaltungs- und Organisationslösung, während bei Workday von Beginn an ein Servicegedanke im Vordergrund stand: Die HR-Abteilung wird durch die Workday-Lösung in die Lage versetzt, der Geschäftsleitung aktuelle Planungszahlen und Auswertungen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig den Arbeitnehmern eine adäquate Auskunftsplattform zu bieten. Es ist ein duales Servicekonzept in Richtung Unternehmensführung und Mitarbeiter.
Was macht SAP-CEO Christian Klein?
SAP-Bestandskunden können sich aktuell selbst ein Weihnachtsgeschenk machen, denn SAP „verschenkt“ SuccessFactors. Diese SAP-Strategie ist nicht neu, bereits im Abwehrkampf gegen die Process-Mining-Lösung von Celonis war SAP sehr großzügig bei der nahezu kostenfreien Weitergabe der Signavio-Lösung.
Die Strategie der kostenfreien Nutzung von SAP-Software über einen definierten Zeitraum ist bekannt und gleichzeitig gefährlich. Naturgemäß ist ein CIO in finanziell schwierigen Zeiten gewogen, ein „unmoralisches“ SAP-Angebot anzunehmen. Er selbst kann die Innovation im eigenen Unternehmen voranbringen, ohne dem CFO auf der Tasche zu liegen. Am Ende wird aber jeder SAP-Bestandskunde die Zeche an SAP zahlen müssen, nur dann kann der CIO schon den nächsten Karriereschritt zu einem anderen Unternehmen gemacht haben.
Auch wenn SAP-Chef Christian Klein aktuell seine HR-Lösung SuccessFactors für einen Apfel und ein Ei hergibt, bleibt die Herausforderung der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens: Seit wenigen Tagen ist Ex-SAP-Vorstandsmitglied Rob Enslin in der Geschäftsleitung von Workday – ein deutliches Zeichen an die SAP-Community!
Von SAP zu Workday: Was macht Rob Enslin?
Workday ernannte Rob Enslin zum President und Chief Commercial Officer. Der langjährige SAP-Veteran, ehemalige UiPath-CEO und Google-Cloud-Präsident leitet ab sofort die globale Geschäftsstrategie von Workday. Ein kurzes Gespräch zwischen Rob Enslin und mir fand Anfang Dezember in Amsterdam auf der Workday-Veranstaltung Rising statt.
Rob Enslin verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der IT-Branche und war zuletzt als CEO von UiPath tätig. Bevor er zu UiPath kam, war Enslin President of Cloud Sales bei Google Cloud, wo er die Vertriebsaktivitäten des Unternehmens ausbaute und ein starkes Umsatzwachstum erzielte. Enslins umfangreiche Karriere umfasst auch 27 Jahre bei SAP. Er begann 1992 bei SAP in der Serviceorganisation in Südafrika. Zuletzt leitete er über 20.000 Vertriebs- und Servicemitarbeiter und hat maßgeblich dazu beigetragen, alle SAP-Vertriebsteams zu einer Einheit zusammenzuführen. Gemeinsam mit Bernd Leukert (Ex-SAP-Technikvorstand) wurde Rob Enslin damals in den Vorstand der SAP berufen.
Mehr Information zu Workday gibt es aktuell in einem empfehlenswerten, deutschsprachigen WiWo-Interview von meinem Kollegen Matthias Hohensee: Wie SAP-Konkurrent Workday in Deutschland angreifen will, hinter der Bezahlschranke). SAP-Chef Carl Eschenbach im WiWo-Interview: „Wir verkaufen an drei Hauptabnehmer – an das Büro des Personalchefs, das des Finanzchefs und an den Chief Information Officer. […] Wir sind ein Plattformunternehmen, andere Anbieter können also Anwendungen auf der Basis unserer Angebote entwickeln.“
Was Workday in der DACH-Region und im Mittelstand plant, gibt es im E3-Round-Table als YouTube-Videostream hier.