SAP gefährdet die digitale Transformation
CIOs klagen, dass die digitale Transformation zu oft nur als technische Aufgabe gesehen wird, dann heißt es aus der Geschäftsleitung:
„Unsere Techniker und Ingenieure werden das schon zum Laufen bringen!“
Die meisten CIOs und CCoE-Leiter wissen es besser: Die digitale Transformation geht ans Eingemachte. Hier verändern sich Geschäftsprozesse und Modelle. Somit ist der gesamte C-Level eines Unternehmens gefordert. Es auf die Schultern der CIOs abzuladen ist kurzfristig, unfair und sicher nicht nachhaltig.
Aber SAP versucht genau dieses Bild zu vermitteln, dass die digitale Transformation mit ein paar Software-Tipps und -Tricks aus Walldorf schon zu stemmen ist.
Genug Fiori-Apps, etwas Cloud Computing aus der HEC und HCP, „real Realtime“ mit Hana – wie Ex-Technikvorstand Vishal Sikka der Community glauben machen wollte – und natürlich S/4 Finance und Logistics.
Wer noch mehr Ratschläge hören will, bekommt von SAP-Chef Bill McDermott ein „run simple“ vorgesetzt, mit dem Simple Finance und Simple Logistics dann sicher zum Laufen kommen.
SAP versucht mit technischen Innovationen ein betriebswirtschaftliches und organisatorisches Problem zu lösen. „Echtzeit“ ist keine Antwort für Business Process Management und Reengineering.
Die SAP-Community braucht NetWeaver, SolMan und Hana als IT-Plattform für Big Data, Algorithmen und Machine/Deep Learning. Für die digitale Transformation braucht das C-Level-Management neue Geschäftsprozesse und Modelle.
Der Name führt in die Irre – was oft vergessen wird: Die digitale Transformation ist kein Weg ins Digitale. Die Aufgabe lautet demnach nicht, existierende Prozesse zu digitalisieren, denn viele Funktionen und Prozesse werden bereits durch Server, PCs, Tablets und Smartphones gesteuert – also durch digitale Geräte und deren Algorithmen.
Die Aufgabe lautet: die digitalen Inseln zu vernetzen und die traditionelle Aufbau- und Ablauforganisation – Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle – der existierenden digitalen Infrastruktur anzupassen.
Vereinfacht dargestellt
In vielen Fällen hat der CIO gemeinsam mit SAP bereits seine Hausaufgaben gemacht. Die Business Suite 7 ist customized, NetWeaver Master Data Management und die dazugehörige Compliance implementiert, SolMan 7.2 und Hana sind startklar, vielleicht kommt noch S/4 – in Summe: Bei den meisten SAP-Bestandskunden existieret eine robuste und erfolgreiche SAP-Landschaft.
In den vergangenen Jahren wurden die Aufgaben Konsolidierung, Harmonisierung, Virtualisierung und Automatisierung zufriedenstellend gelöst. Für die digitale Transformation sollten jetzt andere C-Manager verantwortlich sein, natürlich unter Einbeziehung und Kooperation mit dem CIO.
Das Problem ist die Verwechslung von Ursache und Wirkung: Die Ursache ist eine Digitalisierung der Welt. Was früher analog und singulär war, ist heute digital und vernetzt.
Der Computer, das Internet und die Smartphones sind die Ursache. Die Wirkung eine Welt, die an vielen Stellen aus den Fugen gerät – deswegen muss nachgebessert werden mit neuen Geschäftsprozessen und Modellen: Reengineering!
Die „digitale Transformation“ wird ausgelöst durch die digitale Infrastruktur. SAP baut an dieser Infrastruktur. Der SAP-Anspruch aber ist falsch, eine Lösung der Ursache zu sein.
In einem erhellenden Moment haben vor einigen Jahren Professor Hasso Plattner und Ex-SAP-Technikvorstand Vishal Sikka in Palo Alto, USA, erklärt, dass Hana die Ursache für „Echtzeit“ bei betriebswirtschaftlichen Anwendungen sein kann – was die SAP-Bestandskunden daraus machen, also die Wirkung, liegt naturgemäß in deren Verantwortung.
SAP liefert die weltweit besten Werkzeuge, die digitale Transformation ist Aufgabe der Anwender. Leider findet man diese deutliche Sprache heute nicht mehr bei SAP. Die digitale Transformation wird trotzdem gelingen, nur von SAP sollte sich die SAP-Community emanzipieren.