SAP BTP als Cloud-Axiom
Böse Zungen behaupten, dass SAP-Chef Christian Klein keinen Plan hat. Ich denke, dass er sehr wohl einen Plan hat, dieser aber nur marginal mit unserem Verein DSAG abgestimmt wurde. Hinzu kommt, dass Christian Klein kein großer Kommunikator ist. Seine Fähigkeit, zu erklären, zu beweisen und zu begeistern, ist äußerst bescheiden. Zwei Anekdoten von seiner DSAG-Keynote dieses Jahr in Bremen erzählten mir meine Mitarbeiter – ich hatte gute Gründe, nicht nach Bremen zu fahren. Ich war mit meiner Frau in Österreich und zwischen Sommer- und Herbstferien machten wir wunderbare, einsame Wanderungen in den Tiroler Bergen.
In Bremen erzählte derweilen Christian Klein, dass die SAP’schen KI-Initiativen naturgemäß in der Cloud stattfinden und somit dieses KI-Angebot auch nur als Cloud only existieren kann, was wiederum bedeutet, dass sich die SAP-Bestandskunden unweigerlich in die Wolke bemühen und dort für die nachhaltigen Innovationen bis zu 30 Prozent mehr Subskription beziehungsweise Pflegegebühr zahlen müssen.
Die Kalkulation von SAP für KI-Anwendungen ist gewöhnungsbedürftig und das letzte Wort, scheint mir, ist hier noch nicht gesprochen. Ganz anders ist die KI-Aussage bezüglich Cloud only zu bewerten. Natürlich brauchen Systeme wie ChatGPT, maschinelles Lernen und andere Bots das Web als Datenbasis. Woher sollen diese dummen Maschinen sonst ihr vordergründiges Wissen beziehen? KI ist in der aktuellen Form von ChatGPT ein webbasiertes Massendatenphänomen. Bis zu diesem Punkt hatte Christian Klein auf dem DSAG-Jahreskongress recht. Die Nutzung muss hingegen keinesfalls in der Wolke erfolgen. Sehr wohl ist ein API auf einem On-prem-ERP vorstellbar, das sich der Web-KI-Dienste bedient.
KI-Anwendungen sind somit kein Argument für Cloud only. Christian Klein versucht mit einem rhetorischen Trick, seine Cloud-Strategie zu rechtfertigen. Bei den anwesenden Experten in Bremen funktioniert diese Argumentation natürlich nicht. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen und bewies indirekt die vorab erhobenen Umfragewerte, dass nur etwa ein Drittel unserer DSAG-Mitglieder der SAP-Strategie vertraut.
Ein ganz anderes Thema aus der DSAG-Keynote von Christian Klein elektrisierte mich: Die SAP’sche Business Technology Platform gibt es zukünftig auch im vollen Umfang bei den Hyperscalern. Ich bin noch damit beschäftigt, diesen revolutionären Sachverhalt zu verifizieren. Leider erreiche auch ich im SAP-Headquarter immer seltener auskunftsfreudige und hilfsbereite Kollegen.
Ich habe in meiner monatlichen Kolumne schon oft vom theoretischen Potenzial der BTP geschwärmt: Vergessen Sie S/4, das nächste revolutionäre ERP ist BTP-basiert. Natürlich ist das eine gewagte und sehr futuristische Aussage, aber die Platform mit dem Unterbau aus Hana und einem Frozen-ERP-Kern könnte das bessere S/4 werden: das Composable ERP. Würde nun diese Plattform offen und breit verfügbar mittels Hyperscaler sein, wäre das eine hohe Motivation für existierende Partner und neue Start-ups, ihre Innovationen auf der BTP zum Laufen zu bringen.
Bis jedoch die BTP als Hyperscaler-Angebot nachhaltige Realität wird, hat SAP noch ein großes Stück Arbeit vor sich. Ich telefonierte mit einem Freund in den USA, dessen Unternehmen seit vergangenem Sommer versucht, kleinere Apps auf der BTP zu implementieren. Sehr mühsam! Es fehlt an APIs und Regeln, wie auf Hana zugegriffen werden kann. Es schaut gut aus, aber noch ist die SAP Business Technology Platform eine Baustelle.
Meine Mitarbeiter erzählten mir, dass in Bremen viele SAP-Partnerstände das Kürzel BTP in Form von Namedropping präsentierten. Das erste Angebot reichte dabei von Security und Berechtigungswesen als BTP-App bis zu betriebswirtschaftlichen Funktionen wie Rechnungseingangsverarbeitung. Es scheint so, dass kein SAP-Partner diesen neuen Trend verpassen will, und vielleicht ist es wirklich eine SAP-Strategie, an der wir Bestandskunden uns orientieren können. Eine überzeugende BTP-Vision von Christian Klein, Jürgen Müller und Thomas Saueressig wäre ein Hoffnungsschimmer für die SAP-Community. In jedem Fall sollten wir SAP-Bestandskunden die Entwicklung der BTP genau beobachten.