SAP-Basis-Arbeit ohne SAP
Ein lieber Freund und SAP-Verantwortlicher bei einem großen Industriebetrieb erzählte mir in längst vergangenen Tagen, dass er sich jedes Mal wieder über den Besuch des SAP-Vertriebsbeauftragten freute: Der Kollege von SAP kannte seit vielen Jahren das ERP-System meines Freundes und so entstand immer wieder eine interessante Diskussion, wie nun das System weiterentwickelt werden kann und wie neue Funktionen und Geschäftsprozesse zu customizen wären – naturgemäß ging es auch um neue Lizenzen für User und Engines.
Die Zeiten eines konstruktiven und freundschaftlichen Umgangs mit dem SAP-VB sind lange vorbei. Viele SAP-Bestandskunden klagen über den rauen Ton bei den Besuchen und die fortwährende Diskussion über die SAP-PKL (Preis- und Konditionenliste) – ganz so, als würde es sonst keine anderen Themen in der Community geben.
Es liegt auf der Hand, dass SAP-Bestandskunden und -Partner eine kontinuierliche Versorgung mit Informationen und Wissen brauchen, um die notwendige Effizienz im Umgang mit SAP-Software zu erzielen. Nun sind in der Community viele gute Kräfte vorhanden, die diesen Bildungsauftrag ernst nehmen – allen voran die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG e. V.). Auch viele Mentoren, Partner und Berater sind um nachhaltiges Wissen bemüht.
Im Gegensatz zu den Bemühungen der SAP-Community hält sich SAP mit der Wissensvermittlung vornehm zurück. Es gibt naturgemäß zahlreiche Lernangebote inklusive kostenfreier Onlinekurse, die aber immer nur sehr singuläres und spezifisches Wissen vermitteln. Das „Big Picture“ wird den SAP-Bestandskunden kaum vermittelt.
Früher war alles besser: Zumindest ein Mal im Jahr stand Professor Hasso Plattner auf der Sapphire-Bühne und versuchte das Große und Ganze zu vermitteln. Plattner redete in den vergangenen Jahren naturgemäß über Hana, aber er erklärte auch den Überbau, die Strategie und seine Vision – das war immer sehr hilfreich! Auch wenn nicht alle Zuhörer den Ausführungen von Professor Plattner folgen konnten, so war es dennoch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass bei SAP über Roadmaps, Strategien und Visionen nachgedacht wird.
Das genaue Gegenteil fand dieses Jahr auf den DSAG-Technologietagen in Hamburg statt, als SAP-Technikvorstand Jürgen Müller und DSAG-Technikvorstand Sebastian Westphal auf der Bühne standen. Der amüsante Dialog zwischen Müller und Westphal hatte einen hohen Unterhaltungswert. Das Gespräch unter Technikern war aber für SAP-Bestandskunden wenig erhellend. Die wenigen Fakten waren bereits in einer DSAG-Presseaussendung bekannt gegeben worden und der Rest konnte auf den einschlägigen Webseiten und Blogs von SAP nachgelesen werden. Der Neuigkeitswert tendierte demnach gegen null und Jürgen Müller blieb viele Antworten schuldig.
SAP lebt von den Lizenzeinnahmen. Die SAP-Community lebt von den Informationen von SAP. Wenn der ERP-Weltmarktführer seinem Bildungsauftrag nicht nachkommt, dann verkümmert die Community. Wissen und Kommunikation sind zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren geworden. SAP sollte lernen, wieder auf Augenhöhe mit der SAP-Community zu diskutieren. Eine Sapphire und TechEd sind für diesen Informationsaustausch zu wenig.
