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Prozessübergang von ERP zu MDM

Stammdatenmanagement gilt für gewöhnlich nicht gerade als besonders sexy. Dabei gehört das Management der statischen Grunddaten oder Referenzdaten zu den wesentlichen Aufgaben heutiger Unternehmensführung.
Monika Pürsing, zetVisions AG
4. Februar 2021
[shutterstock: 622306598, m.mphoto]
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Das Stammdatenmanagement der statischen Grunddaten oder Referenzdaten zu betriebsrelevanten Objekten wie etwa Kunden, Lieferanten, Materialien, Mitarbeitern und Finanzen gehört zu den wesentlichen Aufgaben heutiger Unternehmensführung. Das Beispiel des SAP-­Bestandskunden KTM in Österreich zeigt, wie wirksames Management der Materialstammdaten Datenqualität und Data Governance verbessert.

KTM ist ein Premiumhersteller von Hochleistungsmotorrädern für den Offroad- und Straßen-Einsatz. Das Unternehmen entwickelt und produziert Motorräder der Marken KTM, Husqvarna und Gasgas, von denen 2019 weltweit mehr als 280.000 Fahrzeuge verkauft wurden, sowie den Supersportwagen X-Bow. Mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro hat sich KTM zum größten europäischen Motorradhersteller entwickelt, die Gruppe beschäftigt weltweit etwa 4000 Mitarbeiter.

Im Jahr 2016 hat KTM das ERP von SAP eingeführt. Dabei wurden zum Teil bestehende – über 20 Jahre alte – Materialstammdaten migriert, zum Teil aber auch Materialstammdaten neu angelegt. Die Qualität war zunächst „ziemlich ernüchternd“, wie Patrick Berger, Head of Master Data Governance bei KTM, feststellt. Der Status von Artikeln und Materialien, die in der Produktion verwendet werden sollten, stimmte häufig nicht. Einzelne Felder waren gepflegt – oder auch nicht. Zudem fehlten Übersetzungen von Materialbezeichnungen, oder sie waren in der falschen Sprache vorhanden. In Summe wirkten sich diese Datenqualitätsprobleme auch auf Produktions- und Vertriebsprozesse aus.

Da eine dezentrale Pflege der Stamm­daten gewünscht war, bedurfte es einer Lösung, die Workflows und eine bessere Überprüfung der eingegebenen Daten ermöglicht. Dazu wurde 2017 eine Stamm­daten-Initiative gestartet. Gemeinsam mit den Fachbereichen wurden die Prozesse analysiert: Wer wartet welche Daten und warum? Zu welchem Zeitpunkt? Welche Möglichkeiten gibt es für eine saubere ­Organisation des Workflows?

Viele Köche verderben den Brei

Ein Problem war die große Zahl von Personen, die die (Material-)Daten – zumindest theoretisch – pflegen konnten. Diese Anzahl sollte deutlich auf das notwendige ­Minimum reduziert werden. Zudem sollte festgelegt werden, welcher Bereich für welche Schritte in der Stammdatenwartung verantwortlich ist. Neben der Reduzierung der Anwender und der Berech­tigungen sowie der verteilten Pflege der ­Materialstammdaten durch die relevanten Abteilungen war die Massendatenpflege eines der zentralen Themen – Nachwehen der SAP-Einführung und der damit verbundenen Migration.

„Wir stießen immer wieder auf sehr viele Artikel, bei denen ein Prozess in SAP benötigt wurde, den es zuvor nicht gab“, erläutert Berger.

Ein weiteres Beispiel seien Bedienungsanleitungen für die Modelle des neuen Modelljahres. Dafür müssten einige Hundert bis einige Tausend Materialien angelegt werden, die im Prinzip alle gleich sind oder sich nur in Details unterscheiden.

Seitens KTM bestand der Wunsch, eine Excel-Pflege zu bieten, mit deren Hilfe die Mitarbeiter im Materiallager alle Informationen über Excel zur Verfügung stellen können. Nach dem Hochladen sollte eine Qualitätssicherung erfolgen, ganz so, als würden die Daten manuell gepflegt. Zudem sollten Vorlagen sicherstellen, dass nicht erneut „Wildwuchs“ bei der Anlage von Materialstammdaten entsteht.

Prozessübergang von erp zu mdm

Wer, was, wann und wie?

Ein wichtiger Punkt war, die Datenhoheit in die MDM-Software zu verlagern, das heißt, die Transaktionen in SAP zum Anlegen und Ändern von Materialstämmen für alle „normalen“ Nutzer zu sperren. Der Fokus bei der Materialanlage wurde auf Vorlagen gelegt. KTM hatte auch schon vor Einführung der neuen Software Vorlagen für Materialien definiert, die in SAP mit einer bestimmten Nummer angelegt waren; zudem mit rudimentären Daten, die möglichst genau so in ein neues Material übernommen werden sollten.

Eine komplett freie Material­anlage war nicht vorgesehen. Für ein neues Material musste die bestehende Vorlage eines bereits vorhandenen Materials verwendet werden. Auch in der neuen Software wurde das Vorlagenmaterial definiert. Der Anwender erhält vordefinierte Werte für das Material und muss nur noch an bestimmten Stellen Anpassungen vornehmen.

Das bedeutet zweierlei: Komfort und Datenqualität. Die Vorlagen sollen den Nutzern einerseits möglichst viel Arbeit abnehmen und andererseits möglichst viele Datenfelder, die ohnehin standardmäßig befüllt werden können, gar nicht erst zur Pflege freigeben, um Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Die Vorgehensweise über Vorlagen hat einerseits dazu geführt, dass relativ viele Prozesse abgebildet werden. Andererseits lässt sich wesentlich genauer steuern.

Beispielsweise lässt sich festlegen, dass eine Vorlage nur noch von der zentralen MDM-Einheit geändert werden darf – und eben nicht von jedem. Die Pflege von Materialfeldern im dreistelligen Bereich – basierend auf den Vorlagematerialien – wurde vereinfacht. Unter anderem kann die Pflege der Daten aus den verschiedenen Verkaufsorganisationen und Werken (Lagerorte, Lagertypen, Lagernummern) zentralisierter erfolgen.

Bei den Validierungsregeln zur Absicherung der Datenqualität können über reine Pflichtfelder hinaus auch Abhängigkeiten voneinander dargestellt werden. So wird etwa bei Materialien vor einem Prozessschritt geprüft, ob bereits ein Einkaufsinfosatz vorhanden ist; der nächste Schritt ist erst möglich, wenn dieser Datensatz vorliegt.

MDM-Berechtigungskonzept

Mit Einführung der neuen MDM-Software wurden Berechtigungen gesperrt, wo dies erforderlich war. Alle Materialien werden über die definierten Prozesse angelegt; alle Fachbereiche (Forschung und Entwicklung, Disposition, Einkauf, Finanz) pflegen die Daten in der neuen Software. In ihr werden circa 180.000 Materialien mit durchschnittlich jeweils zehn bis fünfzehn Werksdatensätzen, 60 Werke und 50 Verkaufsorganisationen sowie 200 Klassifizierungen mit sieben Materialklassen geführt.

70 Nutzer arbeiten täglich in dem System, rund 100 Prozesse und 140 Validierungsregeln sind im Einsatz. Für jede Vorlage wurde ein eigener Prozess definiert, auch regionsspezifisch, also für Amerika, Europa etc. Die Anwender wählen den richtigen Prozess und haben damit automatisch die passende Vorlage. Jeder Prozess beinhaltet zudem die Möglichkeit, direkt zu Zusatzdaten „weiterzuspringen“, um beispielsweise Preise oder spezielle Dis­po-Daten zu pflegen.

Mithilfe der Software lässt sich steuern, wer Vorlagen ändern darf (indem der jeweilige Prozess zu den individuellen Berechtigungen hinzugefügt wird). Änderungen lassen sich danach im Stammdatenmanagement nochmals prüfen. Eine zen­trale Stelle, die Daten freigibt, gibt es bei KTM jedoch nicht. Einige (administrative) Prozesstypen erlauben mehr Freiheiten, mehr Flexibilität bei der Stammdatenpflege.

Sie laufen auch noch über das MDM-Team. Bei den Standardprozessen für die Materialanlage und -pflege ist das MDM-Team dagegen nicht eingebunden. Es wird „vorher“ validiert, ansonsten verlässt sich KTM darauf, dass die Nutzer über die korrekten Informationen verfügen und diese entsprechend erfassen. Natürlich trage die neue technische Lösung auch zur Verbesserung der Datenqualität bei, aber schon allein das Sichbefassen mit den Prozessen und mit dem System habe dazu geführt, „dass wir sehr viele Leichen im Keller gefunden haben“, resümiert Berger.

Zu den Lessons Learned gehört neben dem gemeinsamen Verständnis der Anforderungen von Fachbereichen, MDM-Team und Software-Dienstleister die frühzeitige Einbindung der zuständigen Fachbereiche. Dabei, so Berger sei es nicht ganz leicht, überhaupt die Fachbereiche zu finden, die in den relevanten Prozessen auftauchen. Zudem gebe es regelmäßig „Nebenschauplätze“, an die man im ersten Moment gar nicht denke. Das gelte auch für Prozesse, die nicht täglich durchlaufen werden und an denen jemand beteiligt ist, der sonst nicht involviert ist.

Als wichtiges Thema erwies sich die frühzeitige Abgrenzung zwischen der MDM-Software und SAP ERP, also welche Daten (Preise etc.) in der Stammdaten-Software und welche im SAP ERP gepflegt werden sollen. Dabei kommt es darauf an, die Datenhoheit der MDM-Lösung sicherzustellen. Dazu muss auf Feldebene definiert werden, welches das führende System ist.

„Schließlich sollten auch nicht funktionale Anforderungen, wie Usability und Performance, stets im Auge behalten werden. Die werden anfänglich gerne vernachlässigt“, mahnt Berger.

Im Rahmen eines System-Updates im Frühjahr 2019 wurden kundenspezifische Entwicklungen abgelöst. Darüber hinaus erweiterte KTM im ersten Halbjahr 2020 den Einsatz der jetzt etablierten Materialstammdaten-Lösung für eine weitere Domäne: Kundenstammdaten.

https://e3mag.com/partners/zetvisions-ag/

Validierungen

Die MDM-Software sorgt darüber hi­naus für Validierungen bei Prozessübergängen, damit nicht erst am Ende erkannt wird, wenn „vorn“ etwas nicht gepasst hat. Die wesentlichen Vorteile der neuen Lösung für das Management der Materialstammdaten sind:

  • Weniger Nutzer, die Materialstammdaten pflegen/ändern dürfen
  • Gute Nutzer-Akzeptanz durch geführte Prozesse
  • Höhere Transparenz über die Datenpflege und den Status der Daten
  • Kürzere Bearbeitungszeiten, bis ein Material vollständig gepflegt ist
  • Einfach und flexibel erweiterbares System für beispielsweise Validierungen und Prozesse
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Monika Pürsing, zetVisions AG

Chief Executive Officer (CEO) bei der zetVisions AG


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