MDM vor ERP-Migration


Kälteanlagenhersteller Hauser betreibt mehrere Fertigungsbetriebe in Österreich und Tschechien, Vertriebszentren in Europa und einen Standort in Australien. Die Geschäfte werden mit einem ERP-System abgewickelt, dessen Wartung abgekündigt worden ist. Ab 2025 soll weltweit mit S/4 Hana von SAP gearbeitet werden. Seit dieser Entscheidung im Jahr 2021 schreiten die Vorbereitungen der Migration überall voran, die Finanzbuchhaltung wurde bereits umgestellt.
Bereits damals stand fest, dass die bisher in unterschiedlicher Form und Qualität gepflegten Stammdaten vor der Migration grundlegend bereinigt, ergänzt und auf neue Anforderungen der Automatisierung und Digitalisierung vorbereitet werden müssen. Die Stammdaten waren bis dahin dezentral von vielen Berechtigten gepflegt worden – schlechte Auffindbarkeit und Wiederverwendung sowie zahlreiche Dubletten waren das Ergebnis. Hinzu kamen die Anforderungen des neuen ERP-Systems, die der Datenbestand ohnehin nicht erfüllen konnte.
Stammdatenbereinigung
„Zur Unterstützung haben wir einen Stammdaten-Spezialisten mit tiefgehendem SAP-Know-how gesucht“, berichtet Paul Lung, der als Teamleiter Stammdatenmanagement SAP für die Materialstamm- und Geschäftspartnerdaten verantwortlich ist.
Unter fünf Anbietern wurde Simus Systems ausgewählt. Hauptgründe waren die von Simus angebotene Methode der individuellen, aber an Standards angelegten Klassifizierung, die in einem Vorprojekt getestete Software Simus Classmate und die technische Möglichkeit, den fertigen Datenbestand direkt in SAP zu migrieren.
„Obwohl wir viele Fallstricke unseres Vorhabens damals noch nicht kannten, wollten wir die SAP-Expertise von Simus Systems für uns erschließen“, sagt Paul Lung. „Im Nachhinein betrachtet war dies sicher eine gute Entscheidung.“ Schon in der Entscheidungsphase hatte Simus Systems in einem Vorprojekt die bewährte Vorgehensweise und ihre wirkungsvolle Software unter Beweis gestellt: Mit Simus Classmate werden extrahierte Daten beliebiger Quellen automatisch analysiert. Mittels der zunächst neutralen Regeln für die Aufbereitung und Optimierung werden die Daten sortiert, angereichert und in eine SQL-Datenbank abgelegt.
Die Ergebnisse werden anschließend mit der Suchmaschine Classmate Finder gefiltert und betrachtet, um eventuelle Fehler, Dubletten oder Ungenauigkeiten aufzufinden. Anschließend müssen die aufgefundenen Datensätze nicht etwa einzeln bearbeitet werden. Stattdessen werden die in Simus Classmate integrierten Basisregelwerke kundenindividuell so angepasst, dass der nächste Optimierungskreislauf bessere Ergebnisse liefert.
Individuelle Klassifizierung
So begann Anfang 2022 das Klassifizierungsprojekt. Eine von Simus Systems entwickelte Best-Practice-Standardklassifizierung wurde in Workshops und Abstimmungen mit den Fachbereichen immer weiter angepasst. „Dies war ein iterativer Prozess mit Änderungen, um viele Abhängigkeiten berücksichtigen zu können“, berichtet Paul Lung. „Manchmal hat der Standard sofort gepasst – manchmal mussten wir die Klassifizierung mittels der Simus-Methodik an unsere Vorgaben anpassen. Auf jeden Fall war es gut, von einem mitgebrachten Grundstock ausgehen zu können.“ Heute ist die individuelle Klassifizierung zu 99 Prozent fertig. „Alle Fachbereiche sind zufrieden“, weiß Paul Lung. „Wir konnten viele Abhängigkeiten schon jetzt berücksichtigen, die wir sonst später in
S/4 Hana hätten ändern müssen.“
Sachmerkmale definieren
Aufwändiger gestaltete sich die Definition der Sachmerkmale, welche die Materialien in den Klassen beschreiben, und der Kurztexte, die eine erste, griffige Beschreibung des Materials ergeben sollen. Um einen echten Mehrwert im Prozess zu bringen, sollten sich die Kurztexte automatisiert aus den Klassen und Sachmerkmalen speisen – und dies in mehreren Sprachen. „Viele notwendige Angaben dazu waren in den Stammdaten nicht enthalten. Die fehlenden Daten zu eruieren, hat vor allem die Fachbereiche erheblich beschäftigt“, sagt Paul Lung. Für das Beispiel Schrauben werden nicht nur Angaben wie DIN, Zylinder und Abmessungen benötigt, sondern auch Werkstoff und Oberflächenbeschaffenheit. Wie werden hochfeste Schrauben 10.9, 8.8 oder normalfeste Schrauben 5.6 beschrieben? „Im Lebensmittelbereich werden oft Edelstahlschrauben vorgeschrieben“, sagt Paul Lung. „Zwar wissen die Produktionsmitarbeiter das. Aber für eine automatische Lagerverwaltung reicht das nicht.“ Effiziente und automatisierte Prozesse im Lagerbereich gehören ebenso zu den Zielen des Unternehmens wie die Konfiguration von Produkten. Dazu brauchen die Schnittstellen wesentlich mehr Daten, als bisher gepflegt wurden.

Einen Golden Client aufbauen
Inzwischen bereitet das MDM-Team zusammen mit den Fachbereichen die Daten mit der Software von Simus Systems weitgehend selbstständig auf. Dazu verfügen die Mitarbeiter in Konstruktion, Einkauf, Produktion und Produktmanagement über 50 Lizenzen des Classmate Finder mit Leserechten. „Es ist wichtig, die Leute immer wieder zu motivieren und die Vorteile gepflegter Daten zu vermitteln“, meint Paul Lung. „Manchmal muss man Kompromisse schließen, manchmal penetrant sein – der Schlüssel liegt in der Kommunikation.“
So wird die SQL-Datenbank von Simus Systems zum Golden Client, dessen Daten über die Schnittstelle von Simus Classmate immer wieder in das Testsystem von S/4 Hana übertragen werden.
Dazu bringt das Programm die Transfermerkmale mit. „Das wäre ohne die Software wesentlich aufwändiger, nämlich schwierige Handarbeit oder individuelle Programmierung“, sagt Paul Lung. Wenn Daten für ein Pflichtfeld in S/4 Hana nicht vorhanden sind, würde die Übertragung einfach abbrechen, ohne dass man den Fehler erkennt. Befüllt man andere Felder, die keine Pflichtfelder sind, müsste man alle abhängigen Felder befüllen, um einen Abbruch zu verhindern. So erkennt man immer wieder Fehler und Lücken in den Daten, die noch geschlossen werden müssen. Von rund 600.000 Materialstammsätzen im Altsystem werden nur etwa 15 Prozent veredelt und migriert. Über eine Schnittstelle werden die Daten in S/4 Hana auch mit Windchill PLM, dem Product Lifecycle Management der Konstruktion überprüft und synchron gehalten.
Perfekte Datenbasis
Inzwischen sind die Kurztexte, die in S/4 Hana nur 40 Zeichen enthalten dürfen, zu 80 Prozent definiert. Einige Key User arbeiten testweise mit den neuen Daten und stellen fest, dass nun sehr schnell und effizient die gewünschten Bauteile und Informationen gefunden werden. Das MDM-Team hat neue Prozesse zur Materialanlage eingerichtet, an denen alle betroffenen Fachabteilungen beteiligt sind, um die Qualität der Daten zu sichern. Hauser verfügt nun über einen Datenschatz, der zeitaufwändige Suchen, Dubletten und Fehler erspart. In Qualität und Umfang entspricht er den Aufgaben der Automatisierung und Digitalisierung, die das Unternehmen in den kommenden Jahren angehen will.
MDM muss überlegt sein
„In das Master Data Management muss man viel Zeit und Überlegung investieren, aber es lohnt sich sofort“, sagt Paul Lung. „Die hervorragende Zusammenarbeit mit den kompetenten und freundlichen Beratern von Simus Systems hat viel zu dem erfolgreichen Projektverlauf beigetragen.“ Die Software von Simus Systems wird weiterhin für Änderungs- und Pflegearbeiten verwendet. Als Nächstes bearbeitet das MDM-Team die rund 3000 Geschäftspartner-Daten mit einem neuen Modul von Simus Systems. „Wir verfügen bis zum Herbst über eine solide Datenbasis für den Go-live mit S/4 Hana und konnten im Vorfeld der Migration viele Herausforderungen lösen, die sonst einen erfolgreichen Start gefährdet hätten.“