Kein Kampf um die Weltherrschaft
Präsent war KI vor allem im Umfeld der Science-Fiction-Kultur: KI, das war der legendäre Computer HAL 9000 aus dem Kubrick-Film „2001: Odyssee im Weltraum“, und er war intelligent genug, gegen die Besatzung des Raumschiffs Discovery vorzugehen.
Derartige Dystopien, in denen Roboter womöglich gleich die Weltherrschaft übernehmen, sind mit KI ebenso untrennbar verbunden wie handfestere Befürchtungen, etwa dass intelligente Systeme die Menschen verdrängen könnten – sprich: sie um ihren Lebensunterhalt bringen.
Und während heute Techniker und Marketeers gleichermaßen von den Möglichkeiten der KI schwärmen, macht sich bei vielen Mitarbeitern und Kunden zumindest Skepsis breit.
Kommt die Robokratie?
In einer Umfrage, die Pegasystems unter 6000 Konsumenten durchgeführt hat, äußerten über 70 Prozent der Befragten Ängste hinsichtlich der Auswirkungen von KI; fast ein Viertel machte sich sogar Sorgen, dass KI dazu führen könnte, dass Roboter die Weltherrschaft übernehmen.
Man sollte das nicht einfach abtun, denn für die Realisierung und Weiterentwicklung besagter Möglichkeiten sind derartige Akzeptanz-Defizite keine gute Basis. Dabei ist KI keineswegs das Mysterium als das es sich oft verkaufen will. Tatsächlich nutzen auch besorgte Kunden längst selbst KI, meist ohne es zu wissen.
Eine automatische Rechtschreibprüfung oder das Navi im Au-to sind schließlich auch „intelligente“ Systeme, spätestens dann, wenn sie selbstlernend operieren, also die eigenen Abläufe optimieren.
Zum KI-Alltag gehören auch Online-Shops wie Amazon: Hinter einer Empfehlung wie „Welche anderen Artikel kaufen Kunden, nachdem sie diesen Artikel angesehen haben?“ verbergen sich komplexe Algorithmen, die unter anderem frühere Käufe und das Kaufverhalten vergleichbarer Kundengruppen berücksichtigen.
Die solchen Lösungen zugrundeliegenden Verfahren sind seit langem bekannt und werden von den Kunden auch ohne große Skepsis genutzt. So neu ist KI also gerade im Bereich Kundenmanagement nicht, und Geschäftsregel-Engines und datengesteuerte prädiktive und selbstlernende Analysen gehören hier schon seit den 80er-Jahren zur Grundausstattung höher entwickelter Software.
Natürlich sind die Algorithmen immer komplexer geworden; mittlerweile sind sie so komplex, dass sie auch IT-affine Zeitgenossen nicht mehr nachvollziehen können. Insofern wurde tatsächlich eine neue Stufe erreicht und wenn man will, kann man solche Decisioning- und Next-Best-Action-Systeme durchaus als Künstliche Intelligenz bezeichnen.
Erst recht, wenn sie neuerdings nicht nur Mitarbeiter im Kundenkontakt unterstützen, sondern Chat-Bots steuern, die beispielsweise in der Lage sind, mit den Kunden komplette Unterhaltungen über einfachere Service-Fälle zu führen und die auf Fragen individuell reagieren, ja sogar aktuelle Stimmungen der Kunden erkennen.
Auch das ist eine Weiterentwicklung bekannter und längst etablierter Techniken, und es hört sich vielleicht auch intelligenter an, als es tatsächlich ist: Letztlich ist es immer Software-Code.
Vielleicht sollte man sich daran gelegentlich erinnern, anstatt verstohlen mit HAL zu kokettieren.
Intelligenter Begriff?
Möglicherweise war es auch keine so gute Idee, die komplexen Algorithmen mit dem vielfach aufgeladenen Begriff „Intelligenz“ zu schmücken, und sie damit in Konkurrenz zu Menschen und in die Nähe von Science Fiction rücken.
Nun aber ist der Begriff mal in der Welt und man wird ihn sicher nicht mehr los – aber vielleicht sollte man ihn ein wenig de-mystifizieren. Denn das ist auch klar: Man kann Kunden nicht mit Systemen konfrontieren, von denen sie meinen, dass die mit ihnen um die Weltherrschaft ringen.
Systeme, die transparent machen können, worin ihre Vorteile liegen, haben auch keine Akzeptanzprobleme.