SAP zerfällt

SAP denkt über ein Code-Splitting für S/4 Hana nach, weil viele R/3- und Business-Suite-7-Bestandskunden den Versprechungen des Cloud Computing misstrauen und SAP offensichtlich einem Hybrid-ERP nur wenige Chancen einräumt.
Peter M. Färbinger, E3 Magazin
12. Januar 2023
Inhalt:
ChefredakteurFin.jpg
avatar

Hybrid Computing

Vor einem Jahr glaubte SAP noch fest an Cloud only oder zumindest an Cloud first. Noch hat SAP das Konzept „Rise with SAP“ nicht storniert. Der ERP-Weltmarktführer glaubt an den Erfolg in der Wolke. Aber SAP ist ERP-Weltmarktführer und keine Technologiefirma wie Google, AWS, Apple und Microsoft. Die einzigartige Kernkompetenz von SAP sind standardisierte Geschäftsprozesse. SAP versteht sehr viel von End-to-End-Prozessen, aber nur sehr wenig von IT-Infrastruktur und Computerarchitekturen. Die Ausflüge von SAP in die Regionen des Cloud Computing sind den meisten Experten bis heute unverständlich.

Somit war das Scheitern eines Cloud-only-Ansatzes in Europa mit seiner langjährigen SAP-Tradition vorhersehbar. SAP-Bestandskunden mit Altlasten aus R/3 und Business Suite 7 können und wollen ihre intimen Geschäftsprozesse nicht in die Cloud bringen. Im Herbst 2022 gab es ein Angebot von SAP an ihre europäischen Anwender, diese sollten mit einem hybriden Konzept besänftigt werden. Für S/4-Neukunden wird der Cloud-only-Ansatz auch in Zukunft kein Problem darstellen, somit könnte ein Code-Splitting sehr viel Sinn ergeben.


On-prem Computing

Das eigene Rechenzentrum muss nicht besser sein als Cloud Computing. Viele SAP-Bestandskunden nutzen Cloud-Dienste von Microsoft, Google und AWS. Aber viele SAP-Bestandskunden wünschen sich eine Fokussierung der SAP auf betriebswirtschaftliche Probleme. Es existiert die Sorge, dass SAP mit den eigenen Cloud-Experimenten viele Ressourcen verbraucht und damit die eigene Kernkompetenz vernachlässigt wird. Die Diskussion in der SAP-Community ist somit nicht On-prem oder Cloud, sondern die Sorge um die Zukunft von ERP. Wird SAP auch noch in Zukunft ihre Bestandskunden mit innovativen Prozessen wie BRIM, Billing and Revenue Innovation Management, und IBP, Integrated Business Planning, überraschen?

S/4-Code-Splitting

Offensichtlich hat auch SAP gewisse Zweifel an einer hybriden ERP-Architektur, weil wahrscheinlich On-prem und Cloud nicht wirklich harmonisieren. Bei SAP scheint nun die Cloud-only-Fraktion die Oberhand zu gewinnen und sich mit einem Code-Splitting zu verselbständigen. Ein mögliches Szenario wäre somit ein S/4-Cloud-only, das sich frei von hybriden Forderungen und R/3-Altlasten sehr schnell und erfolgreich weiterentwickeln könnte. Diese S/4-Cloud-only-App könnte sogar das nicht mehr ganz frische Abap hinter sich lassen und eine Java- und Open-Source-basierte Antwort auf die Cloud-Mitbewerber wie Workday, ServiceNow und Salesforce werden. Sollte also SAP in zwei Teile zerfallen, dann könnte sich jede Gruppe wesentlich fokussierter auf die eigene Technik und die eigenen Bestandskunden konzentrieren.

Carve-out

Code-Splitting würde demnach eine On-prem-Abap-Fraktion und eine Cloud-only-Fraktion hervorbringen. Wahrscheinlich wären beide Teile sehr erfolgreich, aber beide Teile würden sich auch mit Lichtgeschwindigkeit voneinander entfernen. Die Hoffnung müsste SAP gleich zu Beginn begraben, dass eine Orchestrierung zwischen On-prem und Cloud mittelfristig möglich sein könnte. Bereits jetzt zeigt die Erfahrung, dass die Synchronisierung einer On-prem- und Cloud-Entwicklung nahezu unmöglich ist. Code-Splitting bei SAP wäre demnach einem Carve-out nicht unähnlich. Ob die SAP-Community dieses Experiment mittragen würde, ist offen. Sicher aber ist, dass ein Hybrid-ERP auch keine erfolgreiche Zukunft garantiert. Cloud Computing oder Code-Splitting ist somit eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Damit kann SAP im positiven oder negativen Sinne zerfallen.

avatar
Peter M. Färbinger, E3 Magazin

Peter M. Färbinger, Herausgeber und Chefredakteur E3-Magazin DE, US und ES (e3mag.com), B4Bmedia.net AG, Freilassing (DE), E-Mail: pmf@b4bmedia.net und Tel. +49(0)8654/77130-21


Schreibe einen Kommentar

Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb. Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren. Mit Ausstellung, Fachvorträgen und viel Gesprächsbedarf erwarten wir wieder zahlreiche Bestandskunden, Partner und Experten in Salzburg.
Das E3-Magazin ladet zum Lernen und Ideenaustausch am 5. und 6. Juni 2024 nach Salzburg ein. Die Summit-Teilnahmegebühr beträgt Euro 590 exkl. USt. Noch bis Freitag, 29. März 2024, gilt der Early-Bird-Tarif von Euro 440 exkl. USt.
Der Steampunk und BTP Summit 2024 findet am Mittwoch und Donnerstag, 28. und 29. Februar 2024, im Hotel Hilton Heidelberg, Kurfürstenanlage 1, statt. Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Die Teilnahmegebühr für den zweitägigen Summit beträgt Euro 590 exkl. USt. Bis Donnerstag, 30. November 2023, gibt es einen Early-Bird-Tarif von Euro 440 exkl. USt. Die Gebühr beinhaltet den Besuch aller Vorträge, des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.