ERP-Architektur
Professor Hasso Plattner hat sich bezüglich der In-memory-Computing-Datenbank Hana die falschen Freunde ausgesucht: Gemeinsam mit Intel wurde ein Konzept für in-memory-basierte Datenbanken am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam entwickelt. Acht Jahre später stellt sich heraus, dass fast alle Konzepte richtig waren – nur nicht die Hardwarebasis und das Konzept der Appliances.
Der Fehler ist heute offensichtlich: SAP und die Forscher am HPI hatten eine CPU-zentrierte Sichtweise. Ausgehend von den überragenden Leistungsmerkmalen eine Intel-Xeon-Prozessors fokussierten sich die Datenbankdesigner auf das Datenblatt dieser CPU.
Was sie übersahen, war der Umstand, dass eine Datenbank eine perfekte Plattform aus CPU, Cache, Memory, I/O, Disk etc. braucht. Ein leistungsfähigerer Prozessor ist wichtig und die Freundschaft zwischen SAP und Intel wiegt schwer, aber eine Datenbank wie Hana braucht mehr, eben eine perfekte Betriebssystem- und Hardware-Architektur.
Mit Linux war die Entscheidung perfekt, bei Intel gab es „nur“ einen Prozessor – bei IBM gibt es mit Power ein Architekturmodell und einen ganzen Server.
Für Experten war bereits kurz nach den ersten Installationen von Hana auf der Intel-Architektur klar, dass Leistung, Skalierung und Virtualisierung hier nur unzureichend umgesetzt werden können.
Aber Intel wollte oder konnte nicht nachbessern. Vielleicht erlag Intel auch dem Trugschluss, dass die Verbindung mit SAP über jeden Zweifel erhaben wäre. Und wirklich: Professor Hasso Plattner und der damalige SAP-Technikvorstand Vishal Sikka wehrten sich lange gegen eine Portierung der Hana-Datenbank auf die IBM-Power-Architektur.
Obwohl in der Szene bereits alle wussten, dass HoP, Hana on Power, die wesentlich bessere Antwort ist, verweigerte SAP dem Partner IBM lange Zeit die Hana-Zertifizierung.
Auf der Intel-Plattform wurden hingegen die Hana-Probleme von Tag zu Tag größer. Die Appliance-Größen entsprachen nicht den Vorstellungen der SAP-Bestandskunden.
Hingegen wusste die gesamte SAP-Community, dass das Hana-Betriebssystem Suse Linux auch für die IBM-Power-Architektur zur Verfügung stand und somit ein Wechsel problemlos möglich wäre.
Endlich gab SAP nach und IBM konnte offiziell beweisen, dass die Rechnerarchitektur von Power einem Intel-Prozessor bezüglich Hana um Dimensionen überlegen ist.
Natürlich hat sich IBM auch nicht mehr auf das Appliance-Modell mit T-Shirt-Größen eingelassen, sondern gleich Hana-Server nach den Vorstellungen der SAP-Bestandskunden zur Verfügung gestellt.
Power-Akzeptanz am HPI
Die Einstellung der SAP und des HPI zu IBM Power hat sich letztendlich gewandelt: Einen Onlinekurs zur Zukunft des Computings startete das Hasso-Plattner-Institut am 1. Mai vergangenen Jahres. Er dauerte vier Wochen und wird kostenlos auf der IT-Lernplattform openHPI angeboten: „Future of Computing – IBM Power 9 and beyond“.
HPI-Professor Andreas Polze, Fachgebietsleiter Betriebssysteme und Middleware, organisierte den Kurs gemeinsam mit Hildegard Gerhardy von der IBM Academic Initiative Europe und Wolfgang Maier, Direktor der IBM-Hardwareentwicklung in Böblingen.
„Wir stellen den Teilnehmern unterschiedliche Ansätze vor, mit denen die Herausforderungen der Digitalisierung, vor allem das exponentielle Wachstum von Daten, gemeistert werden können“
erläuterte Informatikprofessor Polze.
Zuverlässigkeit, Hochverfügbarkeit und Servicefreundlichkeit der Systeme erfordern hochentwickelte, ausgefeilte Hardware, Betriebssysteme und anwendungsneutrale Programme, um in großem Umfang Transaktionen abwickeln zu können. Ein Schwerpunkt des Kurses über die Zukunft des Computings wurde auf Technologien rund um IBM Power Systems gezeigt.
In seiner Open-Power-Initiative kooperiert IBM mit mehr als 300 Mitgliedsunternehmen, darunter Google, Samsung und Nvidia, um von der Software bis zur Hardware vielfältige Innovationen zu kreieren.
Auch Professor Plattner betonte bei seiner Sapphire-Keynote 2019 in Orlando das enorme Datenwachstum und die Notwendigkeit, mit geeigneten Rechnerarchitekturen und Datenbanken schnell Antworten finden zu müssen.
Nach seiner Vorstellung hätte der Wechsel auf Hana innerhalb der SAP-Community in etwa drei Jahren erfolgen sollen. Nun dauert der „Datenbank-Versionswechsel“ schon etwas länger, was wahrscheinlich auch auf die unzureichende Intel-Plattform in den ersten Jahren von Hana zurückzuführen ist.
Die Hana-Entwicklung am Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam war abgestimmt mit Intel und fokussiert auf die x86-Architektur der Xeon-Prozessoren. Aber die Power-Architektur von IBM erwies sich als das bessere Fundament.
Alles SQL, oder?
Die In-memory-Computing-Datenbank Hana hat viele großartige Vorteile gegenüber klassischen SQL-Datenbanken – nicht weil SAP besser ist, sondern weil Professor Hasso Plattner den Mut zu einem Neuanfang hatte:
Hana konnte ohne Altlasten und Kompatibilitätsvorgaben auf den Reißbrettern in Potsdam am Hasso-Plattner-Institut und in Walldorf in der SAP-Zentrale entstehen. In Potsdam forschten und programmierten die Studenten von Professor Plattner gemeinsam mit Alexander Zeier.
Zur operativen Reife wurde Hana vom Mathematiker und Ex-SAP-Technikvorstand Vishal Sikka in Palo Alto, Kalifornien, geführt. Allen drei – Plattner, Zeier und Sikka – darf man unterstellen, dass sie nicht nur erstklassige Kenner der Intel-Prozessor-Architektur waren, sondern auch fest daran glaubten, dieser Allzweckprozessor sei am besten für ihre Hana-Datenbank geeignet – ein Irrtum, wie sich offiziell im Jahr 2014 herausstellte.
„Power 8 und auch Power 9 wurden jeweils neu und speziell für die Verarbeitung großer Datenmengen entwickelt, mit großer Memorybandbreite – Faktor vier größer als Intel x86, mehr Cache, Faktor fünf mehr Cache als x86 sowie hohe Performance, Faktor zwei pro Core im Benchmark, bis zu Faktor vier bei realen Kunden- Workloads, des Weiteren höhere Flexibilität mit PowerVM, hohe Zuverlässigkeit durch Redundanz, insbesondere bei den Power-Enterprise-Servern“
bestätigt im E-3 Gespräch Andreas Klaus Span, Director und Business Unit Executive für SAP Hana on Power.
Allgemein sticht aber nach Meinung von Andreas Span das Argument, dass Intel x86 aus dem Commercial-Sektor mit dem Ansatz „good enough“ stammt und Power immer den Anforderungen der Enterprise-Welt gerecht werden musste und somit ein ganz anderes Architekturmodell entwickelt hat.
Differenzierungsfaktor: Power
Die Marktforscher von IDC sind der Überzeugung, dass Power-Systeme für Hana und S/4 einen überzeugenden Differenzierungsfaktor bedeuten. Power wurde für sehr datenintensive Workloads wie Hana konzipiert und umfasst leistungsstarke integrierte Virtualisierung, die SAP-zertifiziert ist, sowie zahlreiche Merkmale zur Verbesserung der Zuverlässigkeit. Andreas Span:
„Dazu kommt das exponentielle Wachstum der Hana-Datenbanken und der Daten im Allgemeinen, welche geradezu nach einem flexibel anpassbaren TCO-Ansatz schreien. Gemessen daran ist Power nicht nur die höherwertigere, stabilere Plattform, sondern auch die günstigere.“
Die Flexibilität von IBM-Power-Systemen erlaubt die gleichzeitige Ausführung mehrerer Umgebungen. So kann man beispielsweise ungenutzte Kapazität aus der produktiven Umgebung für die Entwicklung oder für Benutzerakzeptanztests verwenden.
Verglichen mit den meisten anderen Architekturen erzielt IBM Power daher größere Effizienz aus gemeinsam genutzten Ressourcen. Es hängt wie immer von der Größe ab:
„Es mag aber durchaus Bereiche geben, geprägt von kleinen Datenbanken und einer überschaubaren Anwendungsanzahl, wo sich Intel rechnet. Aber meist nur in dem neuerdings auch von SAP empfohlenen TDI-Ansatz (Tailored Datacenter Integration) – nicht als Appliance!“
Die gesamte Power-Plattform ist für Hana zertifiziert.
„Once and for all“
erklärt Andreas Span.
„Das heißt, wir müssen nicht jeden Server einzeln zulassen und bei geringsten Änderungen neu absegnen lassen, wie das der Fall bei Appliances ist. Wenn neue Releases auf den Markt kommen, werden die schon in der Entwicklungsphase gemeinsam getestet, und wenn alles gut geht, wird der Dokumentationsstand der SAP zeitnah hochgezogen – die berühmten SAP-Notes.“