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Ein unmoralisches Angebot

Der Deal ist simpel, die Versuchung groß, und es gibt – scheinbar – nur Gewinner. Wer sich bei der Erneuerung von Sourcing-Verträgen den aufwändigen Ausschreibungsprozess spart, dem versprechen Provider oft Sonderkonditionen. Der Kunde könne doppelt sparen, argumentieren sie. Tatsächlich spart jedoch der Provider.
Branimir Brodnik, Microfin
5. August 2013
[shutterstock:330165086, PORTRAIT IMAGES ASIA BY NONWARIT]
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Erhält ein Provider ohne offizielle Ausschreibung einen Sourcing-Auftrag, befindet er sich in keiner Wettbewerbssituation. Dadurch kann er den Preis und vertragliche Konditionen zu seinen Gunsten gestalten und sich Folgegeschäfte ohne große Mühe sichern. Potenzielle Verlierer sind hingegen die Verantwortlichen im Unternehmen, weil das Vorgehen Compliance-Richtlinien unterläuft und zur persönlichen Haftung von Managern führen kann – und das Unternehmen insgesamt nicht so gut wegkommt wie in einem ordentlichen Wettbewerbsprozess.

Vier Jahre lang ist das SAPInfrastrukturOutsourcing-Geschäft relativ gut gelaufen, die Haken und Ösen hielten sich in Grenzen und ließen sich zeitig ausräumen – kurz: Das Modell “Outsourcing“ hat im Rahmen der Erwartungen funktioniert und soll auch nach Ablauf des Vertrags fortgeführt werden. Wenn es nun um einen Anschlussvertrag geht, hat der Provider einen (nicht ganz) unerwarteten Vorschlag: Man könne doch beiderseits den Aufwand für eine Ausschreibung sparen, heißt es. Dafür bietet der Provider günstige Sonderkonditionen an, die Preisverhandlungen überflüssig machten. Eine Win-Win-Situation also, mit der Provider immer öfter nicht nur Bestandskunden binden wollen, sondern auch gezielt im Rahmen eines Lockangebots das Topmanagement ansprechen.

Natürlich scheint ein solches Geschäft zumal bei weitverbreiteten, teilweise generischen Dienstleistungen wie eben beispielsweise SAPInfrastrukturOutsourcing attraktiv – auf den ersten wie auch auf den zweiten Blick. Denn es kommt offenbar allen Seiten entgegen. Der Auftraggeber erhält günstige Konditionen und spart sich die Kosten für Evaluation und Ausschreibung. Der zuständige Manager schont seine Nerven und Arbeitszeit und bewahrt sich einen bekannten und berechenbaren Dienstleister – egal wie gut oder schlecht dieser ist. Der Provider muss keine Akquisekosten auf den Vertrag umlegen und kann so vermeintlich attraktive Preise machen. Nur leider ist diese Annahme für alle drei beteiligten Parteien falsch. Denn es gibt drei Faktoren, die die schöne Rechnung durchkreuzen: Compliance, Kosten und Innovation.

Erstes Stichwort: Compliance

Vorstände und IT-Verantwortliche unterliegen heutzutage strengen Verhaltensregeln. Neben gesetzlichen Bestimmungen, die es einzuhalten gilt, haben inzwischen viele Unternehmen interne Richtlinien eingeführt. Im Mittelpunkt stehen die Vermeidung von Korruption und Kartellabsprachen sowie das Einhalten von Datenschutzvorgaben. Nicht zuletzt müssen Entscheider persönlich gerade stehen; die sogenannte Managerhaftung ist im GmbH- und im Aktiengesetz sowie dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) geregelt. Im Klartext: Wenn beim Vertragsabschluss oder danach etwas schiefläuft, rutschen die Verantwortlichen schnell in die persönliche Haftung. Da ist ein Ausschreibungsprozess ganz sicher das kleinere Übel.

Zweites Stichwort: Kosten

Sicher – das Sonderangebot des Providers scheint auf den ersten Blick günstig. Aber ohne Ausschreibung hat der Kunde eben auch keinen Vergleich und kaum Chancen, den Preis zu verhandeln. Vor allem bei Sourcings rund um SAP, die von vielen Providern angeboten werden, ist das ein geldwerter Nachteil. Denn Fakt ist: Die Konditionen, die bei einem Schnäppchen angeboten werden, sind fast immer auch auf dem Verhandlungsweg im Rahmen einer sauberen Vergabe zu erreichen – und dann hat man auch die Sicherheit, dass der zu entrichtende Preis dem Marktpreis entspricht. Dort kommen außerdem noch weitere, wichtige Faktoren ins Spiel. Denn in einer Wettbewerbssituation werden nicht nur Preise neu verhandelt, sondern in großen Teilen auch neue Leistungen integriert und auch rahmenvertragliche Vereinbarungen verbessert. Schließlich hat mancher Auftraggeber im ursprünglichen Deal Zugeständnisse gemacht hat, die später hinfällig geworden sind – oder mangels Erfahrung mit falschen Prämissen gearbeitet.

Drittes Stichwort: technologische Innovation

Beim Sourcing geht es in erster Linie um die richtige Lösung, nicht um die billigste. Wer Verträge abschließt, ohne Angebote inhaltlich zu vergleichen, läuft Gefahr, den Überblick über die verschiedenen Lösungsansätze zu verlieren. Unterschiedliche Provider haben unterschiedliche Konzepte und Serviceprinzipien, die der Kunde auch kennen sollte. Auch bei einer Vertragsverlängerung gilt: Nicht bedenkenlos weiterführen, was sich bewährt hat – gut möglich, dass die technologische Entwicklung inzwischen zielführendere Lösungen hervorgebracht hat.

Deshalb kann es nur eine klare Empfehlung geben: Vor allem bei der Vergabe von Outsourcing-Verträgen, die in der Regel eine lange Laufzeit haben, ist eine Ausschreibung kein notwendiges Übel, sondern eine sinnvolle Investition. Unterm Strich mag ein professionell aufgesetzter Ausschreibungsprozess zwar Zeit kosten, hat aber sonst nur Vorteile: Der Kunde bleibt compliant, die Lösung passt, die Gesamtkosten über den gesamten Lebenszyklus werden optimiert und die eigene Verhandlungsposition bezüglich vertraglicher Regelungen verbessert sich deutlich. Dafür lohnt es sich auch, Beratung von Spezialisten in Anspruch zu nehmen.

Seriöse Berater haben dabei ein erfolgsabhängiges Vergütungsmodell, das die Consultingkosten leicht kompensiert. Der Provider profitiert vom Vergleich mit dem Wettbewerb ebenfalls, indem er das Feedback des Kunden als „Lessons learned“ zur Verbesserung der eigenen Position nutzt. Eine Ausschreibung ist immer auch ein Stück Technologiewettbewerb, und den kann auf Dauer nur gewinnen, wer sich regelmäßig mit seinen Konkurrenten vergleicht und sich weiterentwickelt. Und nicht zuletzt kann der Sourcing-Verantwortliche besser schlafen. Die Gewissheit, für sein Unternehmen alles richtig gemacht zu haben und dem Compliance Officer in die Augen schauen zu können, beruhigt ungemein – und wiegt den Reiz eines unmoralischen Angebots leicht auf.

Branimir Brodnik ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Microfin Unternehmensberatung. Der Diplom-Informatiker, der im Nebenfach Medizin studierte, weist eine über 20-jährige Berufserfahrung in den Bereichen Financial Services und Consulting auf. Seine Kompetenzen liegen vor allem in den Themen IT-Sourcing, IT-Kostenoptimierung sowie Projektmanagement. Als zertifizierter Projektmanager und Management Coach beriet Branimir Brodnik nicht nur zahlreiche Unternehmen und Manager, sondern gab sein Wissen und seine Erfahrung auch in vielen Veröffentlichungen weiter.

 

 

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Branimir Brodnik, Microfin

Branimir Brodnik arbeitet bei der microfin Unternehmensberatung GmbH


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