E2E – nicht administrieren, orchestrieren
Teil 1 – Stefan Autengruber:
Software-Asset-Management-Systeme (SAM)messen die SAP-Nutzung. Dies ist vergleichbar mit einer Verkehrszählung an einer Straßenkreuzung (API bzw. Schnittstelle).
Richtiger wäre es jedoch, ein Street-Mapping ähnlich wie bei einer Straßenkarte zu erzeugen und in Prozessen und Verkehrsströmen zu denken. Nur dadurch werden Lizenzzuordnungen im neuen Digital-Access-Lizenzmodell klar und verständlich.
Aufgrund neuer Anforderungen der Bestandskunden und geänderter Anforderungen durch neue Technologien hat SAP im April 2018 ein neues Lizenzmodell für indirekte Nutzung angekündigt (Indirect Digital Access). Auf den ersten Blick erkennt man keine Systematik. Wer SAP jedoch lesen kann, weiß, dass Struktur dahintersteckt.
Data Architecture: SAP hat die Hoheit über Stammdaten. Diese dürfen nach wie vor kostenlos ausgelesen werden. Alles andere würde gegen EU-Gesetze verstoßen. Das weiß auch SAP.
Wenn Stammdaten jedoch im SAP-System verarbeitet werden, dann tritt eine weitere Voraussetzung hinzu, die unter Application Architecture beschrieben ist. Die Daten gehören immer und ganz klar dem Kunden.
Application Architecture: Wer Stammdaten mit SAP Applications im SAP-System verarbeitet (Verfügbarkeitsprüfung, Pricing-Anfrage, Ordererstellung), ist lizenzpflichtig. Das ist jedem klar.
SAP ist großzügig und bestimmt im neuen Digital-Indirect- Access-Preismodell nur, dass wertschöpfende Dokumente (und ihre Line Items) gezählt werden. Nicht wertschöpfende Dokumente wie Pricing-Anfragen und Verfügbarkeitsprüfungen sind nach diesem Lizenzmodell frei.
Technology Architecture: Hier entscheidet sich, wo die Dokumente abgelegt werden und wie sie gezählt werden. Es muss technologisch bestimmt werden, wer ein Dokument kreiert hat, und danach selektiert werden. SAP ist dabei, die Vermessungstools, allen voran die LAW 2.0, entsprechend zu erweitern.
Wie die Dokumente gezählt werden und welches Lizenz-Know-how dafür erforderlich ist, wird hier nicht verraten. So viel sei gesagt: Wer die Autos zählt, die eine Straße befahren, und nicht verfolgt, woher sie kommen und wohin sie fahren, kann nie compliant werden. Es fehlt an der Dokumentation der gesamten Route (das heißt des gesamten Prozesses). Dies ist aber für die exakte Lizenzbestimmung essenziell.
Teil 2 – Peter M. Färbinger:
Papier ist geduldig und wenn man an der Straßenkreuzung steht und für jedes Auto einen Strich aufs Blatt macht, ist die Administration vielleicht zufrieden. Aber ganzheitlich kann man das Verkehrssystem mit dieser Zählstatistik nicht erfassen.
Kollege Autengruber (auf der linken Hälfte) hat schon recht, wenn er die Erfassung, das Verstehen, die Analyse und die Orchestrierung von Verkehrsströmen einfordert.
Ein ERP/CRM-System definiert sich nicht über die Anzahl an Schnittstellen, sondern anhand der E2E-Prozesse. Für eine faire Lizenzierung ist es zwingend erforderlich, das große Ganze im Blick zu behalten.
Eine Zollschranke an den Systemgrenzen entspricht nicht dem Wesen eines ganzheitlichen ERP-Systems. Nun hat aber SAP in der Vergangenheit sehr gerne das Überschreiten von Systemgrenzen zum Anlass für Lizenzforderungen genommen.
Wenn Daten aus einem SAP-System in ein Non-SAP-System transportiert wurden und eventuell auch wieder zurückkamen, dann berief sich SAP auf „indirekte Nutzung“ und hielt die Hand auf für weitere Lizenzzahlungen.
Hier wollen wir die Rechtmäßigkeit der „indirekten Nutzung“ für einen Moment außer Acht lassen und uns auf die drei Bereiche Data-, Applikation- und Technologie-Architektur konzentrieren (siehe bei Autengruber auf der linken Hälfte dieser Seite).
SAP will mit einem neuen Lizenzmodell die Erzeugung von Dokumenten besteuern. Diese Gebühr soll eine Alternative zur bekannten „indirekten Nutzung“ sein und den gordischen Knoten lösen, wenn eine Drittanwendung mit einem SAP-System kommuniziert (siehe auch Interoperabilität der EU-Software-Richtlinie, E-3 Editorial Juni 2018, Seite 3).
Nun wird es aber in einem vernetzten, heterogenen SAP-System aus Sicht der erwähnten unterschiedlichen Architekturmodelle nicht ganz einfach sein, eine eindeutige Zuordnung des Entstehungsortes von Dokumenten zu bekommen.
Man kann sicher nicht alle Dokumente zählen und vergebühren, die an einer zufällig ausgewählten Straßenkreuzung vorbeikommen. Versteht man die gesamte Architektur eines ERP/CRM/SCM-Systems und kennt man die Prozesse, dann kann es möglich sein, auch den Geburtsort eines jeden Dokuments umkehrbar zu bestimmen.
Eine neue Version der SAP’schen License Administration Workbench (LAW) soll dieses Kunststück vollbringen. Aber wer versteht schon alle IT-Architekturen und E2E-Prozesse?