Die Digitalisierung im Mittelstand muss Chefsache werden
Der Einkauf startet in ein neues Jahrzehnt. Zeit, den Digitalisierungsstand mittelständischer Beschaffungsorganisationen auf den Prüfstand zu stellen: Wie erfolgreich sind Daten, Prozesse und Vernetzung im Einkauf mittelständischer Unternehmen wirklich organisiert? Wie hoch ist der Digitalisierungs- und Vernetzungsgrad im Mittelstand?
In unserer aktuellen Studie haben wir in Zusammenarbeit mit der ESB Business School und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) ausgewählte Unternehmen zu den Erfolgsfaktoren digitaler Beschaffung in mittelständischen Unternehmen befragt.
Gemeinsam mit unserem Wissenschaftspartner befragten wir insgesamt 272 Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand, darunter viele SAP-Anwender. Das Ergebnis ernüchtert: Die Digitalisierung des Einkaufs im Mittelstand ist noch nicht weit genug fortgeschritten.
Ein Blick in die Daten zeigt unter anderem, dass jedes dritte Unternehmen ohne dokumentierte Einkaufsstrategie arbeitet und bei circa der Hälfte der mittelständischen Unternehmen die Nutzung digitaler Beschaffungsquellen und insbesondere die digitale Katalogquote unter 50 Prozent liegt.
Und das, obwohl die Digitalisierung als Voraussetzung für Automatisierung der Dauerbrenner im Einkauf ist: Ob beim Thema Einkaufsstrategie, der Datenqualität oder den Katalogquoten, in allen Einkaufsbereichen fehlen trotz erkennbarer Ansätze und des teilweisen Einsatzes digitaler Lösungen oftmals die notwendigen Voraussetzungen für holistische Automation.
So setzt nur ein sehr kleiner Teil der Unternehmen – konkret 15 Prozent der KMUs und 23 Prozent der mittelständischen Großunternehmen – digitale Systeme zur Prozessoptimierung im Einkauf ein.
Das wiederum verwundert mich vor dem Hintergrund des vielfältigen Angebots an Tools und Systemen mit sehr hohem Reifegrad, die eine Digitalisierung, vor allem im operativen Einkauf, schon länger ermöglichen.
Im Austausch mit Gunnar Schmidt, Bundesvorstand Mittelstand des BME, zeigte sich für uns das Spannungsfeld mittelständischer Unternehmen: Der Mittelstand hadert zwischen Markterfolg und der Weichenstellung für die Zukunft. Es wird insgesamt deutlich zu wenig in wertschöpfende, wirksame und den Einkäufer entlastende digitale Lösungen investiert.
Digitaler Impulsgeber
Beschaffungsorganisationen waren schon immer die Quelle für Innovation, Diversifikation und Wachstum. An den Schnittstellen zu den Märkten sind sie deshalb auch entscheidender Impulsgeber für Digitalisierung und Automation über die Unternehmensgrenzen hinweg.
Dies ist auch zwingend notwendig, denn der Einkauf steht ohne Frage heute und in Zukunft weiter vor den großen Herausforderungen sich verändernder Märkte, wachsender Lieferketten-Risiken und einer sich schnell verändernden Arbeitswelt.
Kleine, mittlere und mittelständische Großunternehmen spüren diesen Druck umso stärker. Ihnen fehlen oft das Know-how, die Ressourcen oder die passende Strategie für die ganzheitliche Digitalisierung.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wenn der Einkauf im Mittelstand zukünftig weniger als „Hidden“ und dafür mehr als „Champion“ wahrgenommen wird, werden die Chancen der Digitalisierung nicht verschenkt.
Darüber hinaus werden sich Entscheider selbst zum Digitalisierungsbeauftragten machen müssen, um die richtigen Lösungsansätze und Denkanstöße für die Einkaufsagenda 2020 und darüber hinaus vorantreiben zu können.
Für mich bedeutet das in erster Linie, dass wir für eine erfolgreiche digitale Transformation vor allem auch über eine neue Denkweise sprechen müssen.
Erst die Etablierung eines digitalen Mindsets auf mittelständischer Führungsebene ermöglicht einen nachhaltigen Wandel im Einkauf und damit auch im gesamten Unternehmen.