Anwenders Albtraum

WiWo-Redakteur Michael Kroker hat alles richtig aufgezeichnet und dokumentiert – nur ein Satz stimmt nicht: „Dabei geht es auch anders.“ Richtig müsste es heißen: „Dabei ging es auch anders!“
Der Jahreswechsel 2018/2019 stellt eine Zäsur in der erfolgreichen SAP-Geschichte dar. Früher war der SAP-Vorstand ein bunter Haufen genialer Köpfe: Es gab Forscher, Controller, Programmierer, Serviceleute, Finanzexperten, Visionäre, Mathematiker.
Es gab einmal einen SAP-Vorstandsvorsitzenden, der in seiner Freizeit komplexe Mathematikrätsel löste und in der SAP´schen Systemsprache Abap programmieren konnte.
Sein Name ist Henning Kagermann, Professor der Physik. Ihm zur Seite standen „IT-Handwerker“ mit bester Ausbildung und tadellosen Ruf: Gerd Oswald, Peter Zencke, Claus Heinrich, Shai Agassi etc. Auch damals liefen SAP-Einführungen aus dem Ruder, gab es Probleme und Eskalationen.
Wie oft wurde der SAP-Jet gestartet und Vorstände und Techniker flogen in die Schweiz zu Nestle, nach Österreich zu Swarovski etc.? Aber die ganze SAP-Community war eine erfolgreiche Familie.
Man half sich gegenseitig und ging es nicht so, dann ging es anders. Henning Kagermann und Gerd Oswald haben nie ein Projekt anbrennen lassen oder in den Sand gesetzt. Es ging wirklich gut! Heute besteht der SAP-Vorstand fast nur noch aus Verkäufern mit Umsatzverantwortung und der Chefverkäufer Bill McDermott schaut mehr auf den Aktienkurs als auf seine Bestandskunden.
SAP ist zum Albtraum seiner langjährigen Bestandskunden geworden. In der E-3 Coverstory „Dreifach Abschied“ wird aufgezeigt, dass die Trennung von den beiden SAP-Top-Managern, Bernd Leukert und Björn Goerke, nur die oberflächlichen Turbulenzen eines tiefen Systemwandels und Abschieds von alten Werten sind – ja es ging einmal anders.