Die beste Zeit für die S/4-Bestzeit
Ursprünglich ist die SAP mit der R/3-Lösung zum erfolgreichen Weltmarktführer im Bereich ERP-Software geworden, einerseits mit der vollintegrierten Standardsoftware und andererseits mit der Möglichkeit, fehlende Funktionen durch Modifikationen oder Eigenentwicklungen zu ergänzen.
Im Laufe der Jahre ist allerdings der Aufwand für die gewährten Modifikationen und Branchenlösungen in der Softwareentwicklung sowie im SAP-Support explodiert. Weiters hat es die SAP verabsäumt, rechtzeitig die neuesten IT-Technologien anzubieten. Schließlich führte der unglaubliche Innovationsgeist des SAP-Begründers Hasso Plattner mit der Entwicklung der neuen „In-memory“- Datenbanktechnologie zu einem umfassenden Strategiewechsel.
Auf Basis dieser Neuerung wurde die S/4-Strategie mit Schwerpunkt auf einem Technologiewechsel, der Simplifizierung und der Rückkehr zur Standardsoftware entwickelt. Gleichzeitig wurden für das organische Wachstum erstmals umfangreiche Zukäufe von ergänzenden Softwarelösungen mit neuen Entwicklungstechnologien getätigt.
Dabei ist aber das ursprüngliche Alleinstellungsmerkmal der Integration des gesamten Lösungsportfolios auf der Strecke geblieben. Das haben auch der neue SAP-Chef Christian Klein und sein Team nach Intervention durch die DSAG erkannt und notwendige Maßnahmen unter dem Titel „das intelligente Unternehmen“ eingeleitet.
Auch die „Cloud only“-Strategie wurde auf Druck der Kunden auf „Cloud first“ geändert, was die hybriden Systemlandschaften in den Mittelpunkt rückte. Zusammenfassend gesehen haben diese Änderungen große Auswirkungen auf Unternehmen, was die S/4-Hana-Projektstrategie aus Sicht der Produktreife betrifft.
Die neuen S/4-Entwicklungen sind derzeit auf das Core-System (Cloud und on prem) fokussiert, trotzdem fehlen noch manche betriebswirtschaftlichen Funktionen. Weiters mangelt es auch noch an der gewohnten Stabilität im laufenden Betrieb. Die Entwicklungen der neuen Branchenlösungen unter S/4 werden priorisiert und überwiegend als Cloud-Lösungen angeboten.
Die dafür noch fehlende Integration unter der neuen Business-Technology-Plattform stellt für viele Kunden ein großes Problem dar. Diese ist nämlich die zentrale Drehscheibe der durchgängigen End-to-End-Prozesse zu den zugekauften Applikationen und neuen Branchenlösungen wie auch die Verbindung der hybriden Systemarchitektur in die Cloud und zum zentralen Stammdatenmanagement (SAP Master Data Governance).
Die inhaltliche Zusammenführung der Teilprojekte in eine zeitliche Gesamtplanung hat gezeigt, dass für viele Kunden die Verfügbarkeit dieser Funktionen und Lösungen absolut notwendig ist, was auch die aktuelle S/4-Umsetzungsstatistik widerspiegelt.
Der Produktreifegrad der S/4-Lösungen ist vom geplanten Einführungszeitraum der Unternehmen abhängig. Bei der Festlegung dieses Einführungszeitpunktes spielen allerdings weitere Kriterien mit positiven oder negativen Auswirkungen eine wichtige Rolle. Bei einer allzu frühen Umstellung sind beispielsweise folgende Nachteile zu beachten:
- Die notwendigen Berater sind zwar leichter verfügbar, haben allerdings wenig Erfahrungen.
- Vergleichbare Referenzprojekte für das Projekt stehen noch nicht zur Verfügung.
- Noch fehlende Funktionen müssen durch Eigenentwicklungen ersetzt werden.
- Unreife oder fehlerhafte Lösungen belasten den Betrieb und die Erwartungshaltung der Userinnen.
- Die Vorteile bei einer späteren Umstellung lassen wiederum den Umkehrschluss der oben angeführten Beispiele zu.
Persönliche Erfahrungen in diversen S/4-Roadmap-Projekten haben gezeigt, dass bei der Projektplanung in vielen Unternehmen die Produktreife für den richtigen Einführungszeitpunkt nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, was aber in der Folge zu großen Herausforderungen geführt hat.