Halleluja oder Hanaluja
Die jüngste DSAG-Investitionsumfrage zeigt ein durchwachsenes, aber freundliches Bild für 2021. Die Investitionsbereitschaft ist trotz oder wegen der Pandemie bei den SAP-Bestandskunden gut. Die Akzeptanz von Hana und S/4 ist mäßig, aber stetig. Mit ein paar SAP’schen Innovationen und etwas Geduld könnte es einen glücklichen Zieleinlauf 2030 geben.
Die Begeisterung für das Cloud Computing will sich jedoch nicht einstellen. Bereits die Ex-Co-CEOs Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott versuchten die SAP-Bestandskunden mit religiösem Eifer und Versprechen auf ein Paradies in den Wolken zu bekehren. Die frohe Botschaft vom Wolkenkuckucksheim wollte sich aber in den Köpfen nicht festsetzen. Viel Lärm und Staub um nichts – die SAP-Bestandskunden wussten, wie man sich vor den falschen Heilsversprechungen schützt.
Der Anwenderverein DSAG zeigt nun in einer aktuellen Umfrage, dass Cloud Computing in keinem Bereich wahre Begeisterungsstürme und Investitionen auslöst. Naturgemäß gibt es SAP-Szenarien, in denen der CIO und der CFO die Vorteile des Cloud Computing sehen – trotz aller Vernebelung durch SAP.
Überall, wo maximale Agilität, Flexibilität und Geschwindigkeit zählen, muss der SAP-Bestandskunde auf Cloud Computing setzen und wählt dann laut DSAG am häufigsten Microsoft Azure, selten AWS und so gut wie nie Google Cloud. Weil es aber 100 Prozent S/4-Funktionalität nur im eigenen Rechenzentrum gibt, hört man das „Hanaluja“ nur sehr selten.
Doch SAP will noch immer eine Cloud Company werden. Journalist und IT-Experte Erich Moechel schreibt auf der Website des österreichischen Rundfunks, dass „am Zertifizierungsprozess für den Quellcode der Azure-Cloud manipuliert wurde […] das ohnehin schon unübersichtlich große Bedrohungsszenario würde dadurch noch erweitert […]“. Cloud scheint bei allen Bemühungen nicht sicher genug zu sein. Vielleicht ist auch das SAP-Rechenzentrum nicht sicher, aber dort regiert die eigene Verfügungsgewalt.
Als vor einigen Jahren der Heise-Verlag in Hannover angegriffen wurde, reagierten die Anwender blitzschnell. Es wurden alle Systeme abgeschaltet, vom Netz getrennt und separiert wieder hochgefahren – probieren Sie das einmal mit einer Cloud. Wer RZ-Erfahrung hat, eine fähige Mannschaft und einen CFO, der die Finanzierung beherrscht, sollte sich dreimal überlegen, seine On-prem-Lizenzen für das Cloud Computing bei SAP, Microsoft und Co. einzutauschen. Kurzfristige Kostenvorteile sollten hier nicht den Blick auf ein langes SAP-Leben verstellen.
SAP-Chef Christian Klein glaubt an das Cloud Computing und drängt mit sanfter Gewalt und salbungsvollen Worten seine Bestandskunden in die Wolke (siehe auch Coverstory in dieser Ausgabe): Die Hassliebe zum SAP APO wird nun mit IBP, Integrated Business Planning, in die Wolke gehoben – ob das allen SAP-Bestandskunden gefällt, bleibt abzuwarten. Im HCM-Bereich hat SAP ein nachträgliches Bekenntnis zu On-prem abgegeben. Vorerst fährt man zweigleisig – ganz nach Johann Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glücks“. (pmf)