Indirekte Nutzung: Datenhoheit
Es gibt gute und böse Monster. In den gruseligen Märchen und der griechischen Antike müssen sie mit Jungfrauen und Jungmännern gefüttert werden. Das ist eine grausame Art des Tributs. In der modernen Zeit muss man jährlich Softwarelizenzen erwerben.
Ein gutartiges Monster ist R/3, weil es bei richtiger, manchmal sehr teurer Pflege im Gegenzug seinen Besitzern viel Freude machen kann. Es ist gefräßig aber berechenbar.
Minotaurus, im Zentrum des von Dädalus erbauten Labyrinths, war ein böses Monster. NetWeaver Foundation for Third Party Applications ist auch ein böses Monster, weil es sich lange versteckt hielt und Anfang vergangenen Jahres mit ungeheurem Getöse aus den Tiefen der PKL hervorbrach (SAPs Preis- und Konditionenliste).
Gerüchte über seine Existenz gibt es schon seit vielen Jahren, aber niemand getraute sich seinen wahren Namen auszusprechen – somit redete die SAP-Community nur hinter vorgehaltener Hand über das Phänomen der „indirekten Nutzung“.
Weil man in Walldorf aber nicht viel auf Gerüchte hält, versuchte jeder so zu tun, als ob die Gefahr irrelevant ist. Aber da haben die lieben SAP-Bestandskunden die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Das Monster „NetWeaver Foundation for Third Party Applications“ existiert und ist wahrscheinlich eines der heimtückischsten Lizenzmodelle aller Zeiten.
Die Gefahr von NetWeaver Foundation ist eine doppelte: Erstens muss man verstehen, aus welcher Richtung die Gefahr kommt, wo einem das Monster auflauert. Zweitens muss man wissen, mit welchen Opfern das Monster zu befriedigen ist.
Es gibt zwei sehr unterschiedliche Beuteschemata: Die SAP’sche PKL verrät ein Engine-Schemata und ein User-Schemata. Hat sich der SAP-Bestandskunde für ein Lizenz-Schemata entschieden, um das Monster zu besänftigen, ist ein späterer Wechsel nicht mehr möglich – hat man sich einmal für ein Dieselfahrzeug entschieden, kann einen das Umweltgewissen noch so quälen, ein Wechsel auf Benzin ist ausgeschlossen.
Wesentlich heimtückischer ist jedoch der Moment der Gefahr. Durch die standardisierte und jährliche Lizenzvermessung lässt sich das Monster „NetWeaver Foundation for Third Party Applications“ nicht aufspüren.
Der SAP-Bestandskunde tappt im Dunkeln und weiß nie, wann der Angriff erfolgt. SAP hat somit die allgemeine Warnung ausgegeben: Achtung! Indirekte Nutzung! Im operativen Betrieb mit zahlreichen Modifikationen, Z-Programmen und Add-ons ist dieser generische Hinweis jedoch keine Hilfe.
Indirekte Nutzung beschreibt nur die Gefahr aber keine Lösung: Das im Verborgenen arbeitende Monster schluckt sämtliche Daten der Anwender und beraubt diese somit ihrer Datenhoheit.
Man sieht NetWeaver Foundation nicht, aber bekommt es als Forderung aus Walldorf zur Lizenznachzahlung zu spüren. Ein Gegengift gibt es nicht, weil in einem SAP’schen ERP/ECC letztendlich alle Daten in der zentralen Datenbank – dem Bauch des Monsters – landen.
Ein Zugriff auf diese Daten mit anderen als von SAP zertifizierten Werkzeugen fällt unter die generische Warnung „indirekte Nutzung“. Damit wird der SAP-Bestandskunde entmündigt und verliert unmittelbar die Herrschaft über die eigenen Daten. Das Monster hat aus dem Dunkeln zugeschlagen und gewonnen.