ERP-Dilemma
Die jüngsten Quartalszahlen der SAP zeigen, dass Cloud Computing nachgefragt wird und wächst. Am Erfolg des Cloud Computings gibt es nichts zu bezweifeln. SAP baut Rechenzentren und investiert in Cloud-Anwendungen wie Concur, Ariba, SuccessFactors, Fieldglas etc. Ob sich damit jemals Geld verdienen lässt, ist noch nicht bewiesen – denn die operative Marge ist schon wieder gesunken!
Alle erfolgreichen SAP-Cloud-Anwendungen betreffen das ERP-Umland. Im Zentrum der SAP’schen ERP-Kernkompetenz vertrauen die Bestandskunden auf On-premise-Lösungen im eigenen Rechenzentrum oder bedienen sich bei den Cloud-Angeboten von AWS, Azure oder Google. Achten Sie in diesem Zusammenhang auf die kommende E-3 Coverstory im Dezember mit dem Arbeitstitel: Hybrid-Clouds und die Google-Cloud-Plattform.
Kernprozesse verbleiben zum Großteil im On-premise-ERP/ECC 6.0, lediglich zehn Prozent der vom Anwenderverein DSAG Befragten verlagern sie in die Cloud. DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck mahnt deshalb ein, dass man weniger Cloud-only-Entwicklungen brauche.
Er erwartet von SAP funktionale Weiterentwicklungen im Rahmen der Wartung und keine neue Cloud-Subskription. Funktionen innerhalb von Kernanwendungen müssen integriert bleiben, nur so lassen sich Geschäftsprozesse effizient abbilden.
Bei SAP selbst ist es Technikvorstand Bernd Leukert bis heute nicht gelungen, diesen dualen Weg – on-premise und Cloud – umzusetzen oder Hana Enterprise Cloud (HEC), Hana Cloud Platform (HCP) und SAP Cloud Platform (SCP) zu konsolidieren – ganz im Gegenteil:
Während Leukert nur das Angebot SAP Cloud Platform als die Kernkompetenz des Unternehmens darstellt, müssen SAP-Bestandskunden bei Verwendung von Hana Cloud Platform zusätzlich zu allen anderen Lizenzzahlungen und der Pflegegebühr auch noch „indirekte Nutzung“ zahlen!
Wer eine HCP nutzt, wird dreifach zahlungspflichtig: Lizenzen für den ERP-Kern, jährliche Pflegegebühr und „indirekte Nutzung“ von bis zu 50 Cent pro erzeugtes Dokument im ERP-Kern durch eine Anwendung aus der Hana Cloud Platform.
„Cloud Only“ und „Cloud First“ sind die bevorzugten Aussagen von SAP-Chef Bill McDermott, aber das Dilemma hat Technikvorstand Bernd Leukert zu verantworten:
Im Allgemeinen gibt es von Leukert keine Antworten auf ein konsolidiertes Cloud-Szenario, im Fall seiner DSAG-Jahreskongress-Keynote gab es auch keine Antwort auf Hybrid-Szenarien nach 2025. Das vom Anwenderverein DSAG so prominent auf das Cover gehobene „ERP-Dilemma“ ist letztendlich ein Blindflug.
Naturgemäß könnte jeder SAP-Bestandskunde seine Autonomie aufgeben: Man könnte alle On-premise-Lizenzen an SAP übertragen und sich vollständig in die SAP’sche Wolke begeben (SAP Cloud Platform, nicht Hana Cloud Platform, siehe oben).
Für alle anderen ist es ein Dilemma, weil Bernd Leukert sich seit Jahren weigert, auf dem DSAG-Jahreskongress darzulegen, was nach 2025 passieren soll: Gibt es dann eine konsolidierte SAP/Hana Cloud Platform? Werden die Datenbankverträge mit IBM, Oracle und Microsoft für die verbliebenen On-premise-Bestandskunden verlängert? Kann man auch nach 2025 noch On-premise-Lizenzen erwerben? Gibt es eine Roadmap für die Software-Gewährleistung und Pflege von On-premise-Installationen nach 2025?
„Cloud Only“ ist ein Dilemma, weil sowohl innerhalb der SAP’schen Wolke als auch zu ebener Erde zahlreiche Fragen unbeantwortet sind: HEC, HCP, SCP sind teuer und ähnlich ohne Service- und Consultingleistungen wie Clouds von AWS, Microsoft und Google – aber Letztere sind um Dimensionen preiswerter!
Einige SAP-Partner berichteten auf dem DSAG-Jahreskongress von den ersten Absetzbewegungen: Bestandskunden verlassen die SAP-Cloud und übersiedeln mithilfe kompetenter Partner nach AWS, Azure oder Google (nochmals der Hinweis auf die E-3 Coverstory Dezember mit Q-Partners und dem Weg auf die Google-Cloud-Plattform).
Blindflug, Desaster und Dilemma sind die Attribute für die von Technikvorstand Bernd Leukert dargebotenen Roadmaps und für die Strategie von SAP-Chef Bill McDermott „Cloud Only“. Es ist ein Paradigmenwechsel bei SAP: In-memory-Computing-Datenbank „only“, HCM on-demand „only“, C/4 „only“ – und bitte kein Salesforce etc.
Dieses SAP’sche monopolartige Ansinnen bewegt hoffentlich das Bonner Bundeskartellamt zum Handeln, das ist aber wieder eine ganz andere SAP-Story, die wir Ihnen gerne persönlich am 14. Februar 2019 in Bonn erzählen.