Robotic Process Automation
Eine Woche nach dem DSAG-Jahreskongress stürmte einer meiner Mitarbeiter in mein Büro und fragte nach Luft ringend, ob wir irgendwo im Konzern die Anwendungen von Blackline in Kombination mit SAP einsetzen.
Darüber musste ich nicht lange nachdenken: Vor drei Jahren war ich mit CIO-Kollegen auf Studienreise in Kalifornien und neben den Pflichtterminen im sogenannten Silicon Valley waren wir auch in Los Angeles bei Blackline.
Dieses Unternehmen bietet als Cloud Computing die wahrscheinlich wichtigste und interessante Ergänzung zum SAP’schen Finanzwesen an. Vereinfacht gesagt geht es um eine kontinuierliche, automatisierte, hochintelligente und transparente Kontenabstimmung. Das System überzeugt durch seine Effizienz, was bei Abstimmungsarbeiten wahrscheinlich das größte Asset ist.
Ja, sagte ich zu meinem Mitarbeiter, und „Sie sollten es wissen, ich habe Sie vor zwei Jahren zu einem Blackline-Kongress nach London geschickt“. Er nickte und meinte, dass diese Reise nach London eben der Beginn einer ganz komischen Geschichte sei.
In London habe er einen SAP-Mitarbeiter kennengelernt, der nun in Bremen auf dem DSAG-Jahreskongress einen Vortrag über neue Finanzfunktionen in S/4 hielt.
Für meinen Mitarbeiter war Bremen ein Déjà-vu: Was vor zwei Jahren Blackline in London präsentierte, zeigte nun derselbe SAP-Mitarbeiter in Bremen als eigene Leistung. SAP schließt gerne Partnerschaft, um neue Dinge zu erfahren und zu lernen. Schließlich hat man sehr geschickte Entwickler zur Hand, die das Gelernte schnell umsetzen können.
Intellectual Property ist ein gefährliches Terrain. Für mich zeigt sich aber hier ein anderer Trend, der wesentlich bedeutsamer für die SAP-Community ist: Wie lange werden wir noch den ERP-Suite-Gedanken folgen können.
Ob die Suite jetzt S/7, S/4 oder S/1 heißen mag – mit oder ohne Hana –, ist nebensächlich. Es geht um eine prinzipielle Richtungsentscheidung:
Erneuert SAP schrittweise den ERP-Kern und rettet S/4 als zukünftige, ganzheitliche ERP-Suite oder heißt es ab 2025 Best-of-Breed mit S/4 Simple Finance inkl. übernommener Blackline, S/4 Logistics, Leonardo mit Machine Learning, IoT und Blockchain sowie allen weiteren SAP’schen Cloud-Angeboten.
Schon jetzt besteht das Angebot der SAP aus mehr Einzelteilen, als einem Bestandskunden lieb sein kann. Die Preisliste ist unüberschaubar geworden und ERP-Funktionen finden sich mittlerweile nicht nur in S/7 und S/4, sondern auch in Hybris, Concur, Leonardo, SuccessFactors, Fieldglass und Ariba.
Wenn man dann endlich fündig geworden ist, stellt sich die Frage nach der Integration: NetWeaver PI, SAP Cloud Platform, Hana, Vora oder Kafka? Viele Wege führen nach Rom – aber nicht alle Wege sind geradlinig und sicher!
Als CIO habe ich Verantwortung und muss mein Budget einhalten. Was könnte die Bausteine der SAP-Welt zusammenhalten? Was wäre zu tun, wenn Hana, Spark, Hadoop, OpenStack, Azure, BW/4, S/4, Leonardo, Vora, Kafka, Simple Finance, HEC und HCP „nur“ Best-of-Breed sind und keine SAP’sche Suite? Gibt es überhaupt eine Klammer für Best-of-Breed? Was zum Beispiel verbindet Simple Finance und Blockchain? Eine Antwort könnte Robotic Process Automation sein.
Robotic Process Automation (RPA) ist ein neuer Weg der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Software-Roboter sind in der Lage, Best-Practice-Prozesse zu erkennen, zu analysieren, zu optimieren – dann zu erlernen und diese anschließend zu automatisieren.
Noch weiß ich nicht, wohin diese Reise führt, aber vielleicht kann RPA eine Klammer für Best-of-Breed werden. Und was macht dann unsere SAP? Schwer vorstellbar ist, dass SAP ein Lieferant von Best-of-Breed-Bausteinen wird.
Aber das Thema Integration und Automatisierung wird man sich nicht aus der Hand nehmen lassen. Somit kann es nur eine Frage von Tagen sein, bis SAP beginnt, das Thema „Robotic Process Automation“ für sich zu besetzen.
Vermutlich wird es SAP anders nennen, so wie einst das Thema ESA, Enterprise-Service-Architektur, während die ganze IT-Welt von SOA redete. Aber SAP wird sich des Themas RPA annehmen müssen, oder die Vormachtstellung im ERP-Markt verlieren. Blackline wird momentan kopiert, ob das mit RPA auch gelingt, bleibt abzuwarten.