Mit Vollgas in die Zukunft oder Verharren auf dem Abstellgleis?
Der Start eines Projektes zur Umstellung des alten und stabilen SolMan 7.1 auf die neue Version 7.2 stellt Hürden in Unternehmen dar.
Die Argumentation ist schwierig, weshalb ein großes Budget verwendet werden soll, um ein stabiles System zu ersetzen, wofür es noch wenig bis keine Erfahrungsberichte aus der Praxis gibt.
Nicht für alle Unternehmen sind die Verbesserungen in 7.2 Grund genug, um ein Update in dieser Dimension umzusetzen. Ein wichtiges Argument für die Life Science zur Einführung des SolMan 7.2 stellt die Notwendigkeit zur Einhaltung der regulatorischen Anforderungen dar.
Sollten beim Betrieb der Version 7.1 nach Wartungsende Fehler auftreten, Schnittstellen oder Add-ons nicht mehr gewartet oder angeschlossene Systeme nicht mehr unterstützt werden, ist der GxP-konforme Betrieb nicht mehr sichergestellt.
Als weiteres Argument kann auch die begonnene Umstellung der angeschlossenen Systeme auf S/4 Hana herangezogen werden. SAP garantiert keinen reibungslosen Betrieb zwischen SolMan 7.1 und den auf S/4 Hana laufenden Systemen.
Greenfield oder Brownfield?
Wurde die erste Hürde genommen, stellt sich die Frage nach einer Strategie. Hierzu bieten sich zwei Varianten an. Die erste Alternative (sog. Greenfield) basiert auf einem neu aufgesetzten System, auf dem alle Prozesse, Tabellen und Stammdaten neu aufgespielt werden.
Das Altsystem muss planmäßig abgeschaltet und archiviert werden. Die zweite Alternative (genannt Brownfield) sieht ebenfalls vor, das System neu einzurichten. Jedoch steht hier im Vordergrund, die Systemhistorie fortzuführen und sie nicht auf zwei Systeme (neu und alt) aufzuteilen.
Ein hoher Aufwand stellt hier die anfängliche Migration dar. Beide Alternativen haben ihre Vor- und Nachteile. Die Greenfield-Variante bietet den Reiz, ein neues, unbelastetes System aufzubauen, was zu einem niedrigeren Wartungsaufwand führt. Jedoch muss das Altsystem weiter betrieben werden, um den Zugriff auf die Historie zu gewährleisten.
Die Brownfield-Alternative umgeht den Anfangsaufwand, Daten vor der Migration auszusortieren, bildet aber die gesamte Historie auch nach Umstellung auf 7.2 ab.
Nachdem die Project Governance vereinbart worden ist, werfen Schnittstellen Fragen auf. Im SolMan 7.2 stellt SAP einen eigenen BPML Editor zur Verfügung, weshalb sich die Frage stellt, wie lange die Schnittstelle zu Drittanbieter-Tools gepflegt wird.
Auch die neue Testsuite wirft die Frage auf, ob und wie lange die Schnittstelle zu anderen Testprogrammen nutzbar bleibt. Die Schnittstelle zu HP QC ist im Standard nicht mehr enthalten und muss separat erworben werden.
Auch die kritische Anforderung der Life Science, rechtsverbindliche Unterschriften leisten zu können, stellt im 7.2 ein Problem dar. Diese von SAP für den 7.1 bereitgestellte Add-on-Funktionalität wird es im 7.2 nicht mehr geben.
Damit sind die Anforderungen an einen regulatorisch konformen Signaturprozess nicht mehr erfüllt. Hier müssen individuelle Lösungen gefunden werden, um die GxP Gaps – am besten mit einem erfahrenen Partner – zu schließen.
Eine besondere Fragestellung wirft dabei auch der Aufbau von 7.2 auf agilen Projektmethoden auf. Agile Projektmethoden und die systematische GxP-konforme Dokumentation zu vereinbaren ist ein schwieriges Unterfangen, zu dem auch Erfahrungswerte aus vergangenen Inspektionen bisher fehlen. Hier müssen neue Lösungsansätze entwickelt oder auf Funktionalitäten verzichtet werden, um in einer Inspektion bestehen zu können.
Zusammenfassend stellt die Einführung des SolMan 7.2 die Verantwortlichen vor eine große Herausforderung.
Ob sich die Unternehmen auf das Wagnis einlassen, SAP-Systeme (auf Hana) mit dem aus der Wartung gelaufenen SolMan 7.1 zu betreiben, oder ob sie die Herausforderung des Updates annehmen: Es bleibt spannend. Eine Entscheidung müssen sie jedoch früher oder später treffen.