Clean Core = End-of-Life
SAP R/3 nicht ohne Abap-Modifikationen
Die Abap-Tabellen eines R/3 waren ähnlich einem halbfertigen Anzug. R/3 war perfekt geschneidert, aber natürlich standardisiert und halbfertig. Customizing und Modifikationen machten aus R/3 das beste ERP der Welt. SAP wurde zum globalen ERP-Marktführer.
Abap-Modifikationen waren beliebt, weil die SAP-eigene Programmiersprache auf die ERP-Bedürfnisse angepasst war. Die Verlockung war sehr groß, mit ein paar Abap-Codezeilen individuelle Lösungen zu bauen. So wurde aus einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware eine maßgeschneiderte ERP-Lösung.
Die Abap-Individualisierung hatte aber auch Nachteile. Naturgemäß war es möglich, mit Abap ein SAP-R/3-System so zu manipulieren, dass kaum noch ein geregelter Releasewechsel möglich war. Entweder scheiterte bereits das Einspielen der neuen Version von Beginn an oder nachgelagert musste tage- und wochenlang getestet werden.
Zurück zur Releasefähigkeit von ERP
SAP hat die Situation analysiert und die Mehrkosten bei den Bestandskunden sowie die Innovationsblockade erkannt. Nach fast zehn Jahren erfolglosem S/4-Releasewechsel entstand die Idee eines Clean Core, was sich auch mit „zurück zum Standard“ übersetzen lässt.
Der theoretische Clean-Core-Ansatz bedeutet, dass alle Systemmodifikationen aus dem S/4-System ausgelagert werden müssen. Speziell die Abap-Modifikationen sollen durch Standardfunktionen ersetzt oder gelöscht werden. Das Kernsystem soll dem ERP-Standard entsprechen und damit problemlos updatefähig sein.
Platz für Modifikationen auf der BTP
Natürlich kann kein S/4-System ohne individuelle Anpassungen auskommen. Mit der Clean-Core-Idee war SAP demnach gezwungen, ein zweites System aufzubauen, das die notwendigen Modifikationen ermöglicht. Das System neben S/4 Hana ist SAP BTP, Business Technology Platform.
Zukünftig soll es im SAP-Universum ein Clean-Core-ERP und ERP-Modifikationen auf SAP BTP geben – zwei ERP-Systeme mit unterschiedlicher Ausprägung. Ob diese duale Strategie von SAP bei den Bestandskunden Anklang findet, ist noch nicht entschieden. Tatsache ist jedoch, dass SAP vom Erfolg der Business Technology Platform abhängig ist.
Einen Diskurs über Abap, Steampunk und BTP eröffnete das E3-Magazin mit einem Summit zu Beginn dieses Jahres. Der BTP-Informationsaustausch wird unter Beteiligung des E3-Magazins Anfang Oktober auf dem Executive-Event Leveredge in Miami (Florida, USA) fortgesetzt – Anmeldungen sind unter leverx.com/events/leveredge-2024 noch möglich. Und SAP-Partner LeverX ist einer der Hauptsponsoren des Steampunk und BTP Summit 2025 in Heidelberg am 5. und 6. März, hierfür läuft noch unter e3mag.com/de/steampunk-summit/ die Early-Bird-Anmeldung.
Die Bedeutung von SAP S/4 Clean Core
Noch streitet die SAP-Community über die Vor- und Nachteile der Clean-Core-Politik von SAP. Das Konzept klingt logisch. Oder ist Clean Core lediglich der Vorgeschmack auf das Ende von S/4? Denn zukünftig könnte sich ein eigenständiges ERP auch auf SAP BTP entwickeln.
Wenn Clean Core das End-of-Life eines ERP ist, wie es die SAP-Community bisher kannte, dann wird es wohl kaum ein S/5 geben können. SAP spielt ein gefährliches Spiel, weil sich der ERP-Konzern über die ERP-Zukunft ausschweigt. Business Technology Platform kann eine Antwort sein, aber noch hat SAP diese ERP-Plattform nur vage positioniert. Ein End-of-Life für S/4 im Jahr 2040 mit einem Clean Core ist ein Szenario, das noch nicht ausdiskutiert ist.
1 Kommentar
Peter
Hier geht aber einiges Durcheinander.
Zunächst einmal muss man Modifikationen präzisieren, lt SAP sind es Veränderungen des ausgelieferten SAP Codings selbst.
Der Rest sind Erweiterungen (Extensions).
Natürlich findet man bei Kunden saubere erweiterte Systeme, oder Systeme, wo nur noch das Label SAP draufsteht, das eigentlich ein ZSAP ist.
Aber natürlich ist Cleancore genau der richtige Ansatz, und man benötigt nicht für alles eine BTP, auch clean core onStack Erweiterungen sind (selbst in der Public Cloud) möglich.
Die BTP ist eine Plattform, die alle möglichen Services anbietet, die das ERP unterstützen oder erweitern. Warum sich auf der BTP Services etablieren sollten, die einem ERP Kern Konkurrenz machen, erschliesst sich mir nicht.
Natürlich könnte ein grosser Player die BTP als Entwicklungsplattform für ein eigenständiges ERP nutzen, aber warum sollte er? Da gibt es sicher bessere Alternativen. Nein, die BTP ist für AddOns, Schnittstellen, etc. als Ergänzung zu einem ERP zu sehen.