Wie treu sind SAP-Partner?
Der visionäre Professor Hasso Plattner hat die Kraft von Process Mining schon sehr früh erkannt. Als vor vielen Jahren das SAP’sche Innovations- und Forschungszentrum in Potsdam eröffnet wurde, war einer der Gäste das junge Start-up Celonis aus München.
Celonis entwickelte sich prächtig und ist nach Beurteilung von Finanzexperten über zehn Milliarden Euro wert. Zwischenzeitlich stand die Celonis-Software auch in der SAP-Preisliste und einige SAP-Partner bedienten sich dieser Innovation. Somit wurde in Schulung, Ausbildung und Vertrieb investiert. Die Celonis-Software wurde bei den SAP-Bestandskunden implementiert und erfolgreich gepflegt.
Einige Partner haben wohl nicht mit der Sprunghaftigkeit von SAP gerechnet. Nach einigen Jahren der Existenz von Celonis auf der SAP-Preisliste kaufte SAP das Potsdamer Start-up Signavio mit seiner Process-Mining-Lösung und verabschiedete sich durch die Hintertür von Celonis, das mittlerweile weltweit erfolgreich ist und den Liebesentzug von SAP sicher verkraften kann. Was sollen aber nun die Partner machen?
Als SAP-Partner gibt es nicht nur eine Verpflichtung gegenüber den eigenen Bestandskunden, sondern es geht auch um die Investitionen in den Vertrieb der Celonis-Software. Naturgemäß sollten auch Treue und Stabilität gegenüber SAP existieren. Im ERP-Umfeld ist das Ersetzen von Software-Komponenten jedoch weder simpel noch preiswert. Wo sich SAP mit einer Revision der Preisliste wahrscheinlich leichttut, entstehen für Partner und Bestandskunden viele Folgeprobleme. Läuft die Celonis-Software einmal problemlos, dann gilt bestimmt die alte Informatikweisheit: Never change a running system!
Treue ist also immer ein beiderseitiges Verhältnis. SAP-Partner können treu zu den Angeboten und Lösungen von SAP stehen, wenn auch SAP ihrerseits Verlässlichkeit und Kontinuität zeigt. Die Übernahme von Signavio im Rahmen der Rise-with-SAP-Initiative kam überraschend. Der Schritt geht in die richtige Richtung. SAP hat richtig gehandelt – eventuell zu wenig die Altlasten berücksichtigt, denn nun gibt es eine gespaltene Community: Erfolgreiche Partner und Bestandskunden, die seit vielen Jahren Celonis erfolgreich anwenden; unbelastete Partner und Bestandskunden, die auf das neue Angebot Signavio setzen; und vielleicht auch Partner und Bestandskunden, die nun zwischen allen Stühlen sitzen.
Leider ist der Fall Celonis bei SAP kein Einzelfall: Ähnlich disruptiv handelte SAP beim Thema No-Code/Low-Code-Programmierung. Einige Jahre stand das Produkt der Siemens-Tochter Mendix auf der SAP-Preisliste. Es gab Hana-Mendix-Schnittstellen und Werkzeuge, die auf das SAP-Universum abgestimmt waren. Vor einem Jahr präsentierte SAP-Technikvorstand Jürgen Müller eine neue No-Code/Low-Code-Lösung. Mit Signavio kam eine weitere ähnliche Applikation zu SAP und kurz danach übernahm SAP ein Start-up aus diesem Bereich. Weil das Thema interessant und wichtig ist, haben naturgemäß auch große und kleine SAP-Partner passende Lösungen im Angebot.
SAP hat viele gute Ideen, marschiert in die richtige Richtung, nimmt aber auf Weggefährten und Altlasten wenig Rücksicht. Die oben gestellte Frage „Wie treu sind SAP-Partner?“ sollte demnach anders gestellt werden: Wie treu und verlässlich ist SAP gegenüber den Partnern?